Donnerstag, 18. März 2010

Geld

Eine Geschichte von Besitz und Eigentum...
Wie jeder Mittelschüler lernt, sind das unmittelbare Besitzen einer Sache und deren eigentliches Eigentum zwei paar Stiefel. Wer in den vergangenen Jahren die Nachrichten verfolgt hat weiß, dass Banken ganz besonders gut darin sind diese Trennung zu auszunutzen. Etwa so:
Kunde: "Guten Tag - ich möchte gern etwas Geld auf ein Konto einzahlen."
Bankier: "Bitte sehr, bitte gleich."
Kunde: "Oh, Moment. Das war zu viel. Ich möchte wieder einen Teil abheben von dem Geld."
Bankier: "Welches Geld?"

Persönlich habe ich meist jedoch gute Erfahrungen mit Banken gemacht - war ja immer auf der Geber-Seite. Also schlage ich alle Warnungen in den Wind, dass ich in Japan nirgendwo an mein deutsches Geld kommen werde.
Ach was - ich fahr doch nicht nach Zentral-Afrika, sondern in eine der fortschrittlichsten Technologienationen...

Und natürlich habe ich eine anständige Summe Bargeld mitgenommen - an Vorbereitung hat es ja nicht gemangelt. Aber auch der tiefste Krug geht einmal zur neige, und so rückte der Tag der Insolvenz immer näher - denn wahrhafig: kein Bankautomat, kein Geschäft, kein Restaurant akzeptiert EC oder Kreditkarten.
Zu allem Überfluss musste ich auch noch ein japanisches Konto eröffnen - mit "Eröffnungs-Betrags-Pflicht". Da waren wieder 10.000Yen weg.
Und Schein um Schein verließ den Geldbeutel.
Am Mittwoch Abend war es dann soweit: kein Geld mehr im Beutel, kein Essen mehr im Zimmer (außer Hello-Kitty Bonbons). Im Kühlschrank, einsam, das letzte Bier.
Damit ich wenigstens meine 10.000Yen wieder bekomme (ohne in die nächste Stadt latschen zu müssen - denn für den Bus reit das Geld schon seit Tagen nicht mehr) bräuchte ich meine japanische Bank-Karte. Doch der Postbote kam heute schon wieder nicht - hätte schon vor einer halben Stunde da sein müssen. Verzweiflung macht sich breit.
Da klingelt das Telephon!
Im Schwall der Fremdsprachigkeit: die ersehnten Worte "Yuubin". Ich stürze zur Tür - tatsächlich er ist da. Der Haitatsu-in. Für eine Unterschrift rückt er den Brief heraus. Den Göttern sei's gelobt! Das Frühstück ist sicher!

Doch noch ist die Gefahr nicht gebannt! Nur die 10.000 hab ich wieder (werden gleich am nächsten Morgen dem nächstbesten Automaten entrissen. Dass kann kaum zwei Wochen reichen.
Doch ein Trip nach Nara zerstört nicht nur die Hoffnungen, dass nur unsere Provinz-Bankautomaten meine Karten nicht mögen, sondern belastet auch die Geldbörse.
Dazu die Hiobsbotschaft: anscheinend kann die japanische Bank mir auch gar keine IBAN-Nummer für mein Konto geben - also scheidet auch die "Überweisungs-Taktik" aus.

Ideen müssen her - und Perspektiven. Ich marschiere zur Gakken-Nara-Tomigaoka-Station und probiere alle Banken und Geldautomaten durch. Doch auch fachkundige Hilfe zwingt die Automaten nicht in die Knie!
Dann der Tipp: Post-Ämter sollen Ausländer-Freundliche Geräte haben. Doch es ist Samstags und schon kurz vor vier!
Ich renne. (Erste Nicht-Übertreibung in diesem Text.) Frage eine japanische Oma nach dem Weg, doch die weist mich in die falsche Richtung?! Kennt sie eine Abkürzung oder habe ich wieder Yuubinkyoku mit Toshokan verwechselt? Doch die nächste Oma die ich treffe bestätigt: dort liege die Post!
Und tatsächlich: hier liegt auch eine Poststelle.

Doch es ist vier nach Vier... seit 16:00 hat hier alles Wochenende.
Nein! So schnell gebe ich nicht auf! Da war doch noch eine größere Poststelle in der Gegend. Ich suche, ich marschiere, ich finde - sie hat noch offen,DOCH! Auch dieser Automat verschmäht mein deutsches Plastik-Geld.

Mitten in der Nacht dann Kriegsrat mit der Talstation in Österreich-Deutschland. Ein letzter Heißer Tipp: im 4km entfernten Dörfchen SchiraNiwaDai gibt es einen "Seven-Eleven" Supermarkt. Die Amerikanische Kette habe - so Erzählungen - schon so manchen Touristen vor der Insolvenz bewahrt. Englische Geräte mit internationalen Beziehungen seien hier zu finden.

Am nächstem Morgen mache ich mich auf den Weg. Dort steht der Bankomat - der letzte Strohhalm.
Karte rein, Signal-Ton, Karte raus, "Card Invalid!"

Nein, dass kann es jetzt wirklich nicht sein!
Ich probiere alle Kombinationen, alle Karten, alle Pin-Codes, alle Funktionen, alle Betrags-Wünsche, Vorwärts, Rückwärts, Linksherum...
Bis plötzlich zu meinem Erstaunen 10.000Yen im Ausgabeschacht liegen.

Ja verreck! Wie hab ich dass denn hinbekommen? Alle Versuche den Vorgang zu reproduzieren schlagen fehl! "Card invalid", "Pin-Code incorrect", "Service unavailable".
Verwirrt gehe ich nach Hause, recherchiere, und bastle mir eine Theorie zusammen:
Scheinbar ist mein Konto in Deutschland intern in ein EC-Konto und ein Kreditkarten-Konto aufgeteilt. Als "normales Konto" lag das ganze Geld natürlich auf ersterem. Das zweite war leer, und hatte einen Kreditrahmen von 100€...
100€ - 10.000Yen ... das könnte passen. Schnell überweise ich intern Geld von "EC" nach "Visa".
(Bitte ignorieren sie an dieser Stelle die Lächerlichkeit, einer KREDIT-Karte, die man vorher mit Geld aufladen muss. Kredit, von meinem eigenen Geld - ist klar!)

Eine Nacht ein paar Tage später habe ich dann eine gute Gelegenheit, meine Theorie zu testen. Selbstbewusst marschiere ich in den Seven-Eleven-Markt, probiere die Kombination aus Karten-Richtung und Funktions-Wahl, die beim letzten mal am erfolgversprechendsten war, und...
bekomme AUF ANHIEB! 50.000Yen! (Ausgabe-Limit dieser Maschine)

Es war die Rettung! Reichlich Deutschgeld in den Taschen und Zuversicht im Herzen gönne ich mir gleich in dem Supermarkt einen NekoMan!

(Ein NekoMan ist eine dem Germknödel ähnliche Dampfnudel - nicht zwangsläufig eine Süßspeise. Es gibt ihn in verschiedensten Ausführungen. Mit Curry gefüllt wird er zum Karee-Man (schmeckt besser als es klingt). Mit süßer Bohnenpaste zum An-Man (das ist wirklich der japanische Germknödel). Die einzige Man-Variante die ich bis dahin noch nicht probiert hatte war der Original-Nekoman - weil ich das Schriftzeichen nicht lesen konnte und daher auch nicht wusste, womit er gefüllt war...

Wie sich herausstellte, ist er mit Geschnetzeltem gefüllt. Vor allem mit Zwiebeln.
Das war wirklich das erste richtig ekelhafte, was ich in Japan bisher gegessen habe!
Gegen den kulinarischen Tiefschlag ziehe ich mir gleich am nächstbesten Getränkeautomaten einen heißen Grünen Tee.
Der Automat bedankt sich artig und der Tee wärmt mir die Hände.
So kann eine Nacht in ShiraNiwaDai eben auch enden: reich und glücklich.


Zur Abrundung für den ellenlangen Text: ein Bild sagt mehr als tausend Worte, die man auch alle nicht verstanden hätte...

5 Kommentare:

  1. Irre. Und das mit einer echten Visa Karte? Entweder Visa sucks oder Japan sucks, solche Probleme sollten doch heutzutage gelöst sein, grad wenns eine Kreditkarte ist!
    Hatte 2007 in London auch massive Probleme, an Geld zu kommen. Die Rettung war damals Western Union, so konnten mir meine Grosseltern Geld schicken.
    Hier in Frankfurt muss ich mich wieder dran gewöhnen zum Bankomaten zu gehen, im Supermarkt geht das zahlen mit Karte einfach nicht :P

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  2. konnichiwa makuriruiruiiks-san, oder wie auch immer du da drüben heißen mögest!
    finds super dass du deinen blog so oft und lustigst fütterst! echt cool zum lesen was in japanesien so abgeht :D
    ich persönlich finds ja in deutschland pipifein, dass ich mit meiner österreichischen bankomatkarte überall gratis abheben kann - anders als die deutschen die bei fremdbanken haufen spesen zahlen müssen... (auch wenn die da ja jetz eventuell auf "nur" 5 bis 7 euro runterregulieren wollen -.- ).
    und @stevy: ich kann in den meisten geschäften auch mit karte zahlen. nur bestimmte mvv und DB Automaten akzeptieren sie nicht...

    also... keep up the good blog und verhunger nicht an geldnot!

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  3. Danke fuer die Comments! ^^
    Das hat mich an Oesterreich ehrlichgesagt auch sehr beeindruckt: dass ich mit meiner Bankomatkarte ueberall Gebuehrenfrei zahlen und Geld abheben kann - sogar in Deutschland.
    Meine erste Bank (Sparkasse) hat sogar dann 5,90EUR verlangt, wenn ich bei einer ANDEREN SPARKASSE in der selben Region Geld abgehoben habe.
    Und Japan ist da noch einen Zacken Bargeld-Fixierter. Restaurants und Geschaefte nehmen oft gar keine Karten - auch keine japanischen.
    Wahrscheinlich haben die Leute wegen der geringen Kriminalitaet auch einfach kein Problem damit immer 50-60.000Yen mit sich herumzutragen. Und Kleingeld-Wechsel-Automaten gibts in jedem Bus - oder wo immer man sonst Kleingeld brauchen koennte.

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  4. Tjo, manche Warnung werden nicht umsonst ausgesprochen, hähähä (Diabolisches Lachen am Abend versüßt den Tag - oder auch nicht).
    Naja, im Nachhinein is man halt immer gscheiter - und sooo viele Probleme hab ich nie gehabt, da lob ich mir mal die österreichischen Banken :)

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  5. "..ich fahr doch nicht nach Zentral-Afrika" (chuckle)

    tja ... nicht mal da hatte ich solche Probleme! is ja echt irre.
    in zambia hatte ich in den städten nur oft das problem das die bankomaten leer waren. meine karten wurden aber immer gerne genommen ... war halt eine spesenfrage.

    komisch allerdings, dass man sich in userer "so vernetzten" welt mit kredit- und bankomatkaren rumschlagen muss.
    wie steve schon geschrieben hat ... WesternUnion, die halsabschneider, gibs jedoch überall.

    grüße aus argentina

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