Montag, 22. März 2010

Geheime Schatten-Technik: Software-Entwicklung

(Update: Jetzt auch mit Bildern)
Nach dem ich in einem früheren Eintrag geschrieben habe, dass ich nicht so genau weiß, was ich eigentlich arbeite, werde ich immer wieder gefragt, ob ich denn mittlerweile wisse, was ich so arbeite.
Um das zu beantworten: ja mittlerweile weiß ich was ich so arbeite. Danke für euer Interesse.

Um der Frage zuvorzukommen, WAS ich denn so arbeite, hier die ganze Story:

In unserem Labor haben wir eine große Display-Wand, etwa 2 Meter hoch und 4 Meter lang. Diese funktioniert durch Rückprojektion auf Milchglas-Scheiben und ist mit einem Berührungssensor ausgestattet, der wiederum mit Infrarot Sensoren auf der Vorderseite arbeitet.
Für dieses Set-Up soll ich nun eine Mal-Applikation entwickeln, sodass man wie auf einer echten Wand mit Händen, Füßen oder übergroßen Pinseln malen kann.



Die Display-Wand mit laufendem Prototypen - in der Spiegelung kann man die Einrichtung erkennen.



Wer glaubt dass das jetzt der spannende und lustige Teil an der Sache ist irrt.
Das Spannende und Lustige daran ist, dass natürlich alles auf japanisch ist.

Das fängt schon bei der Tastatur an - die sieht nicht nur lustig aus, sondern hat auch die meisten Sonderzeichen nicht auf den Tasten, auf denen sie abgebildet sind. Ein Backslash habe ich überhaupt noch nicht finden können.

(Nein, die Taste mit dem Backslash darauf setzt natürlich kein Backslash.
Das macht das Programmieren ... ähm... fordernd- vor allem in der Symbol-Verliebten Sprache C++ (hier nach örtlichem Sprachgebrauch Shi++ genannt - wer jetzt gelacht hat bekommt einen Stockhieb für jedes mal, als er die Sprache gut-teutsch "Tseh++" genannt hat.)

Mein Arbeitsrechner ist mir netter weise in Englisch eingerichtet worden - und damit völlig inkompatibel zum japanischen Ziel-Rechner, der die Display-Wand steuert (und den ich daher kaum bedienen kann). Also kann ich mein Projekt nicht richtig portieren und renne ständig mit binaries hin und her und hoffe, auf beiden Systemen dieselben Fehlermeldungen zu Provozieren.
Keine Angst: die sind nicht japanisch - die sind fast immer leer. Da muss man gut raten und eine neue Version ausprobieren.

Das wirklich, wirklich geniale ist aber die japanische Dokumentation des Systems. Trotz vermeintlicher Internationalität der technischen Fachbegriffe, hat es der Autor geschafft für wirklich JEDEN Begriff ein japanisches Wort aufzutreiben. Wo er es schon nicht geschafft hat, Jahrhunderte alte Schriftzeichen für "Sensor" und "Variable" aufzutreiben, hat er zumindest eine kreative Transkription in Katakana gefunden. Oder bunt gemischt. Wie bei solchen Dokumenten üblich ist sie an den entscheidenden Stellen lückenhaft oder zweideutig - da wissen auch die Kollegen nicht recht weiter. Sicherheitshalber steht aber auf jeder Seite dick der vermerk "confidential". Warum man eine Anleitung für einen öffentlich zum Verkauf angebotenen Sensor geheim halten sollte, erschließt sich mir jetzt nicht.
Es steigert jedenfalls die exotische Spannung an der Sache. Gerade das Tolle an diesen Widrigkeiten und der japanischen Sprache ist, dass man das Gefühl bekommt an etwas geheimen und undurchschaubaren zu arbeiten. (Tut man ja irgendwie auch)
Zentral für meine Arbeit ist etwa 影情報 (kage-jōhō) - Schatten-Information. Das ist eigentlich nur der (Infrarot-)Schatten, den ein Finger beim berühren der Wand auf den Sensor wirft. Nachdem "kage" aber auch im "schattenhaften" Sinne verwendet werden kann, und "jōhō" auch im militärischen Kontext Informationen bezeichnet, fühlt man sich gleich, als ob man von einem Shinobi-Agent in einem Hinterhof-Teehaus geheime Informationen über den Shogun zugespielt bekommt. Und wenn man dann die betreffende Stelle aus der Anleitung endlich dechiffriert hat, kann man eigentlich gar nicht mehr gefrustet sein - darüber, dass da nur stand dass es sich um Shi/Shi++ format function declarations handelt, und man für Beesikku style descriptions eine andere Dokumenation braucht.
Das war mal ziemlich sinnfreie Schatten-Information...

3 Kommentare:

  1. Hihi, das war erfrischend gut, nach einem Tag harter Bakk-Coderei erfreut es mich zu hören dass du noch nicht durchgedreht bist. Da komm ich mir meine sporadische mex-Dokumentation ja schon gleich wieder ok vor. Nieder mit Shipulasupulasu, das hält ja kein Mensch aus!
    :)

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  2. Der Gleiche wie vorhin22. März 2010 um 19:11

    Aja - is bei euch von Kirschblüten schon was in Sicht, die Zeit ist ja im ansrauschen? -Photos plz

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  3. Bei uns scheinbar noch nicht - zumindest habe ich noch niemanden darüber reden hören.

    @Durchdrehen:
    Nein, ganz im Gegenteil - gerade wegen solchen Sachen bin ich ja hergekommen. Das tolle an der Anleitung ist ja, dass man wirklich etwas verstehen KANN, wenn auch mit einigem Aufwand. Da ist der Supermarkt viel frustrierender, wo man sich wirklich ein taubstummer Analphabet fühlt.

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