Sonntag, 20. Dezember 2015

Schwerer Ausnahmefehler

Was folgt sind die Aufzeichnungen, wie ein kleiner Fehler meinen Ausflug nach New York kurz vor Schluss noch mal so richtig.... aber lesen sie selbst.

November:
Für die Forschung braucht man ja Versuchs-Kaninchen. Normalerweise verwendet man dafür Informatik-Studenten. Die sind billig, willig und in großen Stückzahlen vorhanden. (Außerdem beschweren sich Tierschützer wenn man echte Kaninchen verwendet.)
In meinem Fall aber forsche ich an Software für 3D Design, also sind meine Kaninchen Künstler die 3D Software verwenden. Leider hat sich immer wieder herausgestellt, dass solche Leute schwer zu kriegen sind. Schließlich arbeiten sie, und zwar nicht zu knapp, und wenn sie nicht gerade arbeiten, dann haben sie auch was besseres vor. Vor allem etwas besseres als in Nara zu wohnen.
Daran krankte es dann auch mit meinen Publikationen: ich habe einfach keine Nutzer-Daten die ich veröffentlichen könnte. In einem knappen halben Jahr konnte ich nur genau zwei Leute auftreiben.

Schließlich haben wir aber einen Kontakt zu einer Kunsthochschule in Kyoto herstellen, und einige Studenten und Lehrer begeistern können. Es ist schwer zu beschreiben wie ich mich freuen kann über 9 Personen, die gute 1.5 Auto-Stunden von mir entfernt sind. Sagen wir's so: keine Leute = keine Veröffentlichung = kein PhD + mögliche Probleme mit dem Stipendium. Kapiert?

Ich stand also während meiner Zeit in New York in engem Kontakt mit dieser Hochschule, um in der kurzen Zeit zwischen meiner Rückkehr nach Japan und den Weihnachtsferien alles über die Bühne zu kriegen. Mir würde genau ein Tag bleiben um dort alles vorzubereiten. Na, das sollte sich schon ausgehen.

 

Freitag:
Mein letzter Tag an der Columbia-Uni in New York. Dafür habe ich mir etwas besonderes Aufgehoben: in dem kleinen Deli wo ich mir immer meinen Kaffee hole haben sie eine Auslage voller köstlich aussehender Muffins und anderer Amerikanischer Gebäckwaren.
Bisher habe ich mir das immer verkniffen, und gesagt: ein anderes mal. Also heute letzte Chance!
Ich stelle fest, dass ich gar kein Geld mehr im Geldbeutel habe, aber dafür gibt's ja hier überall Geldautomaten.
Der nimmt meine Visa-Karte nicht. Noch ein Versuch. Klappt nicht. Direkt Zahlen mit der Karte funktioniert auch nicht. Ich verlasse den Laden ohne Muffin. Ohne Kaffee. Dafür mit milder Panik.

Stellt sich heraus: meine Prepaid-Kreditkarte ist einfach leer. Ich hatte die Ausgaben für Geschenke usw. einfach unterschätzt. Ich kann sie einfach wieder per Überweisung aufladen, aber in Deutschland ist jetzt schon nach Geschäftsschluss, und bis Montag passiert da gar nix.

Abends besucht mich nochmal ein Freund und wir machen einen Deal: ich zahle für die UBahn (auf meiner UBahn-Karte ist noch etwas übrig), er für das Bier. Wir haben einen netten letzten Abend in Downtown Manhatten. Dabei stelle ich fest, dass mein Handy keine Verbindung mehr kriegt. Ach ja, klar: war ein 1-Monats-Vertrag. Der ist jetzt natürlich genau aus. Kein Problem, brauch ich ja nicht mehr.



Samstag:
Alles war schon gepackt, damit ich Morgens einfach nur noch raus-maschieren muss. Das Geld auf der UBahn-Karte reicht noch um zum Flughafen zu kommen. Also brauche ich jetzt auch kein Geld mehr. Ich komme gut durch und pünktlich am Flughafen an. Also hat doch alles geklappt (bis auf den Muffin). Ende der Geschichte.

Irgendwas stimmt nicht.
Mein Flug hat Verspätung.
Außerdem hat er die falsche Nummer.
Ich gucke nochmal auf meinen Plan. Airport: New York, steht da. Gar nicht "JFK".
Der einzige andere Flughafen in New York ist LaGuardia, und der ist nur national.
Airport: New York, Newark, steht da.
Plötzlicher Druckabfall in meinem Kopf! Wo ist die Sauerstoff-Maske?
Der Rückflug geht von einem anderen Flughafen... in New Jersey...
Ich habe kein Geld, meine Kreditkarte ist gesperrt, meine UBahn-Karte ist leer, mein Handy-Vertrag abgelaufen, mein US-Visum läuft heute Nacht aus und wenn ich übermorgen nicht in Japan bin stecke ich ganz tief im Dreck.

Ruhig bleiben, die Leute am Schalter fragen. Der Flieger der von hier aus geht ist wohl schon voll, außer ich kaufe ein Business-Class ticket. Außerdem reicht die Zeit in Peking zum umsteigen nicht. Ich müsste also den Anschlussflug umbuchen... ist alles etwas schwierig wenn man für nichts bezahlen kann.

Das WLAN am JFK ist auch nicht kostenlos. Für eine halbe Stunde kann man die langsamste Option kostenlos antesten. Ich versuche meine Familie auf Skype anzurufen, aber die Verbindung ist so schlecht, dass kein einziges Wort durchkommt. Schließlich kommt mir die Idee einfach meine Handy-Nummer als Textnachricht zu schicken: vielleicht kann ich ja immer noch angerufen werden.
Bange Minuten in denen das Handy nicht klingelt. Kam die Nachricht nicht an? Kommen sie nicht durch? Endlich vibriert das Drecksding!

Ich erkläre (mit dezent aufgelöster Stimme) die Situation. Nach kurzem Kriegsrat was wir jetzt am besten machen können sie mir online einen anderen Flug buchen, sogar noch am selben Tag. Ich bin gerettet...
Und so beginnen 12 Stunden Wartezeit am Flughafen, mit schwerem Gepäck, ohne Geld und ohne Internet, dafür mit dem Gedanken, dass ich die 720 Euro für das Ticket baldmöglichst zurück zahlen sollte.

Dienstag, 24. November 2015

Vervorurteilt

Also, um ganz ehrlich zu sein: besonders scharf war ich eigentlich nicht darauf, herzukommen.
Soo großer Amerika-Fan bin ich nie gewesen. Zwar war ich schonmal da, und das war auch super, es war aber auch als kleiner Bub, reiner Tourist, und vor dem 11. September 2001.
Alles was ich danach aus den USA gehört habe war eher beunruhigend: Bürgerrechtsverletzungen, Gewalt, Rassismus, Krieg, noch mehr Gewalt, Umweltverschmutzung, Folter, Massenüberwachung.
Dementsprechend waren meine Erwartungen nicht die besten.

Aber das schöne daran trotzdem zu gehen: man kann seine Vorurteile bestätigen!
... wenn man denn kann.


Erster Blick aus meinem Fenster auf den Broadway. Der Broadway ist so lang, dass "am Broadway wohnen" sowohl Luxus als auch Armut bedeuten kann. Je höher die Hausnummer desto schlechter.


"Also da wo du wohnst, da solltest du Abends besser nicht mehr auf die Straße gehen", sagt mir ein Freund, der lange selbst in New York gelebt hat. Ja super: als freiheitsliebende Nachteule ist eine Ausgangssperre genau das was ich hören will. Zu allem Überfluss stecke ich auch noch so lange in der Passkontrolle fest, dass ich erst Nachts ankomme, übermüdet und mit schweren Taschen. Mist. Einen guten Eindruck macht die Gegend auch nicht. Dunkel und dreckig. An jeder Straßenecke lungern Gruppen von Männern herum. Mist, mist, mist, wo ist das verdammte Haus. Zweimal in die falsche Richtung gelaufen. Endlich gefunden! Safe!

Die Vermieterin gefragt ob man hier Nachts vorsichtig sein muss. Muss man scheinbar nicht, wie ich auch noch am selben Abend bei einem entspannteren zweiten Blick feststellen kann.
Die Autos sind hier viel zu schön und unversehrt als dass echte Ghetto-Stimmung aufkommen könnte. Die Leute die an auf der Straße herumlungern tun das wohl aus rein sozialen Gründen. Generell sind alle recht freundlich. Sprechen halt kein Englisch - scheint das Mexikaner-Viertel zu sein. Da muss man halt mit Handzeichen nachhelfen um dem Verkäufer zu sagen wie er das Fleisch schneiden soll. Dafür schneidet er es mir netterweise dann auch genau so wie ich es gestikuliert habe.


Über solche Kellereingänge werden die allgegenwärtigen "Deli" Mini-Märkte bestückt. Fast wie Japanische Konbinis oder deutsche Tankstellen, nur etwas schmutziger. Dafür können sie hier auch kein Englisch. Fühlt man sich also gleich wie zuhause.

Oh, wo wir schon beim Essen waren: Amerikaner sind ja gerne Zielscheibe des Spottes für ihr Übergewichtsproblem. Zumindest hier in New York kann ich das nicht bestätigen. Eher im Gegenteil: die Supermärkte sind voller Health-Food. Besonders der Proteingehalt von Essen ist hier wichtig und oft angepriesen. Protein-Shakes gehören hier zur Standard-Ausstattung jedes kleinen Supermarktes. Bis zu dem Punkt, dass sogar Starbucks Protein-Kaffees verkauft. Das erklärt auch wo die Leute die ich so im Gym treffe ihre Monster Muckis herhaben. Hab ich Monster gesagt? Den RedBull-Ersatz-Energydrink "Monster" gibt es hier auch in einer Protein Variante.


Die $1.39 betreffen den Kaffee darunter. So billig ist das Leben hier nicht.

Okay, natürlich gibt es auch dicke Leute, und genug ungesundes Zeug dass die Essen können. Während Deutsche und Japanische Supermärke immer dieselben 4-5 Schokoriegel anbieten gibt's hier ganze Regale voll von Süßigkeiten die ich noch nie gesehen habe. Und Toast der Praktisch Kuchen ist, komplett mit Rosinen drin. Und zum draufschmieren gibts Marschmellows.
Bevor ich wieder gehe werde mache ich mal einen Fress-Tag wo ich das alles durchprobiere. Wenn ich danach noch tippen kann, berichte ich darüber.


Das ist die Brotaufstrich-Abteilung. Die Schokostreusel da links sind also auch fürs Brot gedacht.

Samstag, 7. November 2015

Fernwest

In Japan wird ja jeder Student der kein Japaner ist als "Austausch-Student" (留学生) bezeichnet, selbst wenn er ganz normal eingeschrieben ist und an überhaupt gar keinem Austauschprogramm teilnimmt, selbst Leute mit Dauer-Visum die schon seit Jahren hier leben. Ist halt so.


Also bin ich, um dem ganzen einen Twist zu geben, mal ins Ausland gegangen, als Austausch vom Austausch (der gar kein Austausch ist), und zwar nach New York.

Und das kam so:


Unser neuer Hilfs-Professor ist.. naja, also... mit dem wird einem nicht langweilig. Und er hat immer große Pläne und feste (neue) Meinungen.

Sein neuester Plan: um weltweit ganz vorn mit dabei zu sein müssen wir regelmäßig Studenten ins Ausland schicken. Ist wohl so eine Networking Sache.
Ich muss dabei an den Geschichtsunterricht denken, als man im Mittelalter Politik betrieben hat, indem die Adeligen ihre Töchter an fremde Königshäuser verheiratet haben um einen Fuß in die Tür zu kriegen. Ich werde also als Prinzessin an einen berühmten Professor an der Columbia University verschachert.
Ist mir recht - etwas Tapetenwechsel kann man gut gebrauchen.


 So einfach geht das aber natürlich nicht. Erstmal muss man sich durch die Bürokratie durchwursten und ein Visum kriegen. Wieso ein Visum? Als Deutscher kann ich doch auch so für ein paar Wochen in die Staaten, oder? Ja, aber dann kann die Uni mich nicht offiziell als Austauschstudenten (genauer gesagt: "Short-term Scholar") annehmen. Nicht dass sie mir Geld zahlen würden (Hallo, Mitgift funktioniert anders 'rum!), aber ohne Papierkrieg macht's keinen Spaß.

Also Formulare ausfüllen, Gebühren zahlen, zum Konsulat gehen.

Vom Konsulat wieder weggeschickt werden weil man was falsch gemacht hat und der Passierschein A38 fehlt. Zwischen zwei Konferenzen im Starbucks sitzen und 99Fragen über mich beantworten, die ich selber gar nicht über mich weiß, und daher meinen eigenen Lebenslauf herauskramen muss.

Wieder zum Konsulat gehen, reingelassen werden. Typisch Amerikanisch ist das Ding eine Festung. Nichmal mein Handy lassen sie mir. Nach 3 Minuten "Interview" (dass mich ne Stange Geld gekostet hat) dann die gute Nachricht: Visum wird erstellt.

Westen, ich komme.


Nur das der Westen hier im Osten ist. Obwohl ich über Peking fliege (Air China war mal wieder billigste Option), ist die Flugroute über Alaska und Kanada der kürzere Weg. Ich fliege also nochmal an Japan vorbei, und komme eine halbe Stunde später in New York an.
Normalerweise fliegen Flugzeuge ja nicht schneller als die Erdrotation, aber da ich jetzt nach Osten fliege (also über die Datumsgrenze) gelingt mir beinahe ein Zeitsprung: Abflug 13:00Uhr, Ankunft 13:30.
Von Sitznachbarn mit kleiner Blase und dauer-weinenden Babys nur unwesentlich angeschlagen stehe ich noch eine gute Stunde in der Schlage um mein Visum angeschaut zu bekommen. Irgendwann zieht mich jemand aus der Reihe und stellt mich in eine extra Schlage: sie wollen die Leute aus dem AirChina Flug endlich durch die Schleuse haben, damit wir unser Gepäck endlich vom Gepäckband nehmen. Naja, mir solls recht sein.

Und so komme ich erst gegen 18:00 in meiner neuen Bleibe an...

(Nein, dass ist nicht meine neue Bleibe.)

Freitag, 30. Oktober 2015

Discount Human Transportation

Ha! Leibes-transport. So sehe ich das. Ich zahle die dafür, dass sie meinen physischen Leib nehmen und woanders wieder abladen, möglichst unversehrt.
Erste Klasse? Beinfreiheit? Service? Ha, die paar Stunden überlebe ich auch im Gepäckabteil wenns sein muss. Da spar' ich mir lieber das Geld und investiere das in... aber davon ein Andermal mehr. Hier gehts darum billig von A nach B zu kommen!



Damit habe ich schon 2010 Angefangen, als ich einen Freund im ~600km Entfernten Fukuoka besuchen wollte. Zug Tickets über solche Distanzen sind natürlich teuer. Aber ich finde ein Schlupfloch: für deutlich weniger Zaster gibt's ein "Fahr-so-viel-du-willst" Ticket. Die heißen: "Frühling des Lebens 18"-Tickets. Und auch wenn man nicht mehr 18 sein muss um das Ding zu kaufen zu können, ganz Grundlos ist das nicht. Der Haken nämlich: damit darf man nur reguläre Züge (sprich: S-Bahn) fahren, keine Inter-Citys. Man tauscht also seine Jugend (=Zeit) dafür ein billig überall hin zu kommen.

In meinem Fall einen ganzen Tag: ich fahre früh Morgens mit dem ersten Zug los und bin den ganzen Tag unterwegs. Die Landschaft zieht langsam an mir vorbei, was ich eigentlich ganz nett finde. Sieht man mal was vom Land. Und Leute. Ich scheine nicht der einzige zu sein der diesen Trick versucht. Das fällt mir Mittags auf, als ich in der Endhaltestelle einer Linie ankomme, die - von der anderen Seite - die Endhaltestelle einer anderen Linie ist. Sprich: ich bin im letzten Kaff. Trotzdem ist der Zug gut gefüllt. Und genau wie ich fangen alle sofort das Rennen an um in den 7 Minuten bis zum Anschlusszug im nahegelegenen Supermark Mittagessen zu kaufen. Und so sitzen wir alle in der Bimmelbahn und essen Lunch-Boxen... okay, vielleicht nicht alle, aber ich hab's geschafft.



Aber natürlich sagen Sie: Zeit ist doch Geld. Da spart man ja gar nicht. Da gibts einen noch besseren Trick: Abends hier einschlafen, Morgens dort aufwachen: der Nachtbus! Von 12:00 bis 6:00 hatte ich eh nix anderes vor als schlafen. Okay, ob ich wirklich schlafen kann hängt von mehreren Faktoren ab. Vor allem auch vom Sitznachbarn.
Aber ich hab da meine Routine, da kann fast nix schiefgehen: am Abend nochmal Sport, vor der Abfahrt ein Bierchen, dann Zähne putzen, Kopfhörer rein, mit einem Hörbuch. Am besten ein Fachbuch, dass man schon öfter gehört hat. Was trockenes.
Das letzte mal habe ich dann so gut geschlafen, dass ich im Traum nochmal eingeschlafen bin. Das war dann verwirrend aufzuwachen, und festzustellen dass ich ja nochmal aufwachen muss.


Tolle Sache, öffentliche Verkehrsmittel, nicht wahr? Naja, nicht immer. In letzter Zeit habe ich angefangen mit dem Auto in die Stadt zu fahren. Vom meinem Reisfeld aus dauert das ungefähr genau so lange, und hat drei schlagkräftige Vorteile:
Erstens ist es etwas billiger (zumindest mit meinem Mini-Töff-Töff).
Zweites muss ich mich nicht an Bus- oder Zugpläne halten. Wie oft hat mich der letzte Zug schon vorzeitig aus einem großartigen Abend gerissen? Jetzt kann ich ganz entspannt bleiben und notfalls sogar Freunde (oder neue Bekanntschaften) Heim fahren.
Drittens kann ich nicht trinken. Jaja, zuerst hab ich auch gedacht, dass das ein Nachteil ist, habe aber meine Meinung geändert.Sonst fehlt mir ja nach jedem Bier die Ausrede und die Willenskraft, genau jetzt aufzuhören, anstatt noch eine Halbe.... und die sind hier ja eh keine halben, nur so kleine 3/4 pints... und Zack, wieder mehr getrunken als ich wollte. Und darüber den letzten Zug verpasst. Und zu viel Geld für Züge ausgegeben... also das nächste mal doch wieder mit dem Auto.


Dienstag, 20. Oktober 2015

Japan-Net

So weit weg bin ich ja gar nicht. Dank dem Internet ist die Welt ja viel näher zusammengerückt.
Oder so habe sich Leute das vorgestellt. Denn mir fällt der Unterschied zwischen den Ländern vor allem auch am Internet auf. Ja wir haben hier anderes Internet.


Ich komme also Heim nach Deutschland, mache meinen Computer an und meine Musik ist weg! Okay, war ja auch nie wirklich meine Musik, sagt zumindest die GEMA. Ich hab die einfach nur "ge-streamed" und streaming ist in Deutsch-Netz nicht.
Dafür kann ich jetzt wieder Musik auf Amazon kaufen und runterladen. Okay, das kann ich in Japan auch, aber von da komme ich nicht an meine Musik vom deutschen Amazon ran: Amazon mag das nicht, dass ich mein Deutsches Konto vom Ausland aus verwende. Das hat einen konkreten Grund: Japaner sind noch bereit reichlich viel Geld für CDs hinzulegen, was man auch daran sieht dass es hier noch riesige CD-Läden gibt, wo man unter 15 Öcken nix kriegt, auch keine nicht-Neuware, und rein-hören ist auch nicht drin. Ich versuche Amazon klar zu machen, dass ich ein verwöhntes Deutsches Kindl bin, meine Musik gerne billig und vor-gehört mag. Aber mit meinem Japanischen Internet glauben sie mir das nicht.
Also gehe ich zum Japanischen Amazon, die haben meist die Musik nicht da, oder wenn dann nur als teure Import CD. Also streame ich wieder statt zu kaufen.

Überhaupt halten mich alle für einen Japaner wen ich online bin. Also präsentieren sich fast alle Seiten die ich besuche erstmal auf Japanisch, selbst die von Amerikanischen und Deutschen Firmen. Dann muss ich erstmal wieder suchen, wo ich das umstellen kann. Manchmal kann man das nicht. Das senkt meine Lesegeschwindigkeit um gefühlte 80% und meine Aufmerksamkeitsspanne auf... ach Scheiß drauf! Ich geh wieder Musik streamen. Oder ne Runde zocken. Spiele-Webseiten sind wohl international. Glaubte ich, bis Steam sich weigerte einen Gutschein-Code einzulösen. Das Spiel war in Japan nicht erhältlich. Und mit "in Japan" meinten sie "im Japanischen Internet". Ähnliches gilt natürlich für Filme-Seiten, die uns Japanern entweder ganz versperrt sind, oder nur japanische Filme auf Japanisch anbieten.


Mir hat's dann irgendwann gereicht und ich hab mir einen Tunnel gegraben. Habe ja noch einen Server in Deutschland stehen. Der darf dann für mich Deutsch aussehen, wenn ich im Internet meine Schlitzaugen verstecken muss. Jetzt muss ich noch den umgekehrten Trick schaffen: im Deutschen Internet als Japaner durchzugehen. Manch einer hier brüstet sich damit sich sowieso immer als Amerikaner zu maskieren. Das scheint das non-plus-ulta-Net zu sein, dass die da drüben hinterm Pazifik haben...

Naja, und so hat alles seine Vor- und Nachteile. Bis auf die zwei, drei mal im Jahr, wo es hier kein Internet gibt, und man nur Nachteile hat. Und das kommt so: unsere Uni veranstaltet zwei, drei mal im Jahr einen Stromausfall. Angeblich aus Wartungsgründen. Und dafür wird im vorauseilendem Gehorsam für drei Tage das Internet abgestellt. Wer jetzt denkt:"och, die armen Informatiker...", der bedenke:
(a) den Bio-Tech Leuten verrecken während des Stromausfalls ihre... was immer sie da abscheuliches in ihren Kühlschränken heranzüchten.
(b) es leben auch einige Familien am Campus, und während dem Stromausfall gibt's auch kein Wasser. Jetzt versuchen sie mal ihrer 4Jährigen klar zu machen, dass sie 6 Stunden lang nicht aufs Klo gehen darf.

Also wundern Sie sich nicht wenn dieser Blog irgendwann auf Japanisch ist. Da hat Google sich einfach gedacht: "hey, der wird doch von nem Japaner geschrieben"...


Mittwoch, 30. September 2015

Gehört sich so!

Ich stehe vor dem Getränke-Regal und überlege ob ich mir eine Dose meines Lieblings-Bieres kaufen soll. Der Supermarkt-Jingle im Hintergrund läuft unbeirrt weiter. Bla bla bla irgendwas von fröhlich sein bla bla, trink Alkohol, vergiß deine Sorgen bla bla, MOMENT MAL! Hab ich das gerade richtig gehört?! Ja, habe ich. Schockt mich auch schon gar nicht mehr. Als mir zum ersten Mal ein Japaner (zu allem Überfluß ein Mädchen von höchstens 24 Jahren) erzählte ihr Hobby sei "Alkohol", hab ich noch blöd geguckt. Aber seit dem haben das so viele Leute von sich selbst behauptet, inklusive Universitäts-Professoren.
Nicht daß das Alkoholiker wären. Das Problem ist vielmehr, daß es sich ein Deutschland einfach nicht gehört seinen Alkohol-Konsum als Hobby zu bezeichnen, oder zuzugeben daß man flüssigen Streßabbau betreibt. Klar, fast alle Leute trinken, aber doch nicht als Hobby! Manche werden Connaisseur einer bestimmten Alkohol-Sorte sein, und das Gesöff der Begierde sammeln wie Briefmarken: nur ab und zu dran lecken, zum testen und trainieren der Geschmacksnerven, nicht wegen des Effekts.
Da ist der soziale Druck einfach zu stark ein der Öffentlichkeit ein Bild gutes Bild abzugeben wie sich das gehört.


Natürlich gibst auch hier harte Regeln, was sozial angemessen ist und was nicht. Aber eben andere. Das ist schön, weil man so auch nach Jahren immer mal wieder ge-(Kultur)-schockt werden kann.Das erste mal wenn der etwas ältere Manager im schicken Anzug in der UBahn offen Comics liest, und zwar einen von diesen eher pornographischen Dingern. Scheint keinen zu stören und den Herrn auch nicht besonders zu genieren.
Das zweite mal dann wenn man die Regale voller homoerotischer Comics in den Geschäften findet. Und dann Frauen die die Dinger offen in der UBahn lesen.
Das dritte mal dann wenn einem (wiederholt) Mädchen erzählen, daß sie sich niemals die Bikini-Zone rasieren wundern, weil daß ja voll peinlich sei, wenn man ins Badehaus geht, zur heißen Quelle oder zum duschen nach dem Sport, und untenrum nichts wächst. Am Anfang hab ich noch gefragt was das die Leute denn angeht, und warum das schlimmer ist als auf dem Weg dahin fragwürdige Comics zu lesen. Hab ich aber schnell aufgegeben, weil ich ja auch nicht erklären kann warum das eine unangemessener finde als das andere, und was es mich überhaupt abgeht was die Leute so in der UBahn lesen.

 "Explosions-Kauf - Wie Sie an Chinesen verkaufen", titelt dieses dieses Buch sehr direkt. Hatte leider keine Zeit rein zu lesen um herauszufinden was den Chinesen so zum Kauf anregt, aber Rassenfragen recht direkt anzusprechen gehört hier zum guten Ton.

In öffentlichen Verkehrsmitteln hier gibt es sogenannte "Priority-Seats". Also Sitzplätze die für ältere Menschen, Behinderte, Schwangere und Eltern mit kleinen Kindern reserviert sind.
Vielleicht haben Sie auch in Deutschen Bussen schonmal Zeichen entdeckt, die einen
Ungeschriebene Übereinkunft ist natürlich daß, wenn gerade kein Behinderter da ist, jedermann den Sitz haben kann. Soweit gleich in beiden Ländern. Ungeschriebene Übereinkunft ist natürlich auch, daß man dem Behinderten wenn er denn kommt den eigenen Sitzplatz anbietet, egal wo. Naja, damit divergieren die Übereinkünfte dann: wenn es kein "Priority Seat" ist, geben Japaner für gewöhnlich ihren Sitzplatz nicht auf. Entsprechend überrascht waren dann auch alle Omis und Opis, als ich ihnen meinen Platz angeboten habe. Ich weiß bis heute nicht ob ich damit irgendwen beleidige (den Opa oder die anderen Fahrgäste). Ist mir aber auch egal. Assimilation hat Grenzen.

In diesem "Prioity Seat" scheint das ungeborene Kind bereits WLAN zu haben.

Sonntag, 13. September 2015

Spiel-Forscher

In letzter Zeit habe ich ja immer öfter das Gefühl, dass akademische Forschung nicht ganz ernst gemeint ist. Erst dachte ich: das bin nur ich der hier "Forscher" spielt, und sobald die das merken, werfen die mich raus. Aber so langsam zeigt sich dass ich nicht das einzige "Kind im Laborkittel, das nicht recht weiß was es da tut" bin.

Also habe ich mal bei den Spiele-Forschern vorbei geschaut (ist das jetzt ein Doppel-Negativ?). Also auf einer Konferenz für Computerspiele-Forschung. Und darüber gibt's jetzt mal Bla-bla und Bewegtbild.


Das wichtige zuerst: natürlich gab's Kaffee! Aber aus was für einem Automaten! Der zeigte einem im eingebauten Bildschirm live wie im inneren der Kaffee zubereitet wird:

(Auf anderen Einstellungen hätte man sogar den Brau-Vorgang sehen können, aber ich war zu arm knausrig und habe daher nur Instant-Kaffee getrunken).


Natürlich gabs auch Vorträge. Heißes Thema war Virtual Reality. Momentan arbeiten mehrere große Firmen daran VR-Brillen auf den Markt zu kriegen. Die Technik ist durchaus ausgereift, wie ich an den Demo-Ständen selbst testen konnte. Bleibt noch der Inhalt: Oculus setzt mich einen einen Raumjäger, und für 30 Sekunden fühle ich mich wie Luke Skywalker im X-Wing! Super! Dann fällt mir wieder ein wie dreckig schlecht ich in diesen Space-Fighting-Games bin und quäle mich durch 5 Minuten Duell mit einem feindlichen Jäger. Duell, oder sinnloses aneinander-vorbei-fliegen. Dann sterbe ich endlich und darf gehen.
Sony macht die Sache noch schlimmer: ihr Demo-Spiel ist... äh... sowas wie eine Dating-Simulation. Oder eher eine "schüchterner japanischer Nerd" Simulation, denn sagen kann man ja nix, dafür ist das Mädel meine Nachhilfe-Schülerin. Ich bringe also einem virtuellen Mädchen Japanisch bei. Was tue ich hier?! Wie gesagt: ich kann nicht reden, nur nicken (wenn sie was richtig macht), den Kopf schütteln (wenn sie was falsch macht) und Dinge angucken, wenn sie... ähh... also sie sitzt schon verdammt nah an mir neben mir, und rückt dann noch ein bisschen näher um mich in ihr Japanisches Textbuch gucken zu lassen. Ich habe keine Ahnung was da drin steht, ist mir aber auch egal. Dann lässt sie auch noch etwas fallen und bückt sich einmal quer über meinen Schoß ums wieder aufzuheben. Ich greife ihr an den, aber sie ist ja nicht echt und virtuelle Hände habe ich auch keine. Vielleicht erwartet Sony, dass Spieler ihre echten Hände derweil anderweitig verwenden. Und falls sie dass jetzt noch nicht ulkig genug fanden gibts das Sahnehäubchen: das Blickfeld des Spielers wurde auch auf einem 21-Zoll Bildschirm wiedergegeben, der von außerhalb des Saales komplett einsehbar war. Also: von der Warteschlange aus. Ja, da konnte man schonmal gucken, wo der Vorgänger so hinguckt, damit man da später selber hingucken kann.
Danke, Sony, da lass ich mich lieber wieder von Luke Skywalker abknallen.

Einer der VR-Vorträge. Die blauen Punke am unteren Bildrand sind der Spieler mit der Brille auf dem Gesicht.

Natürlich gabs auch ne Party. Und scheinbar gibts in Japan nur zwei Arten von Parties: die wo man erzwungenermaßen mit seinem Boss saufen muss, und die wo man um die Wette Visitenkarten austauschen muss. Mit wem ist egal, warum ist nicht wichtig, Hauptsache man kriegt seine Karten an den Mann oder die Frau. Nicht das man sich später erinnern könnte wer wer war, oder ob man überhaupt einen Grund hätte den anderen jemals zu kontaktieren. Ich fühle mich ein bisschen austauschbar. Aber hey, in Nachtclubs bin ich auch nicht sauer, wenn das Mädel meinen Namen vergisst. Andererseits ist das hier auch ne Nummer härter. Die könnten sich wenigstens für 10 Minuten mit mir unterhalten, nachdem sie mir ihr Papier-Kärtchen in die Hand gedrückt haben. Wenn Visitenkarten-Austauschen Sex wäre, wären hier alle nächste Woche beim Doktor...

Der Mann von der Tokyo Hochschule für Industriedesign sorge auf der Party für Stimmung.

Sonntag, 23. August 2015

Schland

Manchmal geht man so durch Osaka, und ist plötzlich in Deutschland.

Dann bleibt man stehen und guckt nochmal, denn was man da Entdeckt hat ist schon Deutschland, aber auch wieder so schräg, dass man das in Deutschland so gar nicht finden könnte.

Dann macht man ein Photo, grinst und geht weiter.

Hier mal fünf solche Momente:



Das lustige daran ist, dass dieses Lokal in einer Untergrund-Einkaufspassage ist, und in diesr wiederum leicht abgesenkt. Also irgendwie triffts der Name schon.
Besonders Deutsch ist das Essen dort allerdings nicht.


Das ist ihnen zu lau? Dann gehen sie halt ins "New Mynhen"! (engl.: "Neu", jap. "München").
Auf der anderen Seite steht über dem Eingang: "Hopfen und Malz, Gott erhalts".
Drin gibt's japanisches Bier (bekanntlich oft unter Zugabe von Reis gebraut) und Sushi (bekanntlich oft unter Zugabe von Reis unzureichend zubereiteter Steckerlfisch).



An der nächsten Kneipe wäre ich fast vorbei gegangen, dabei ist der Name so schön.... und treffend...



Und in einem Geschäft habe ich dann das hier gefunden.

Um Fragen zuvorzukommen: ja es gibt hier Butter, aber eher selten als Block, und wenn dann selten so großformatig und wenn dann sehr teuer.



Der letzte ist gleichzeitig ein Test:

Wer's nicht erkennt, hat verweiget. Oder ist eine Frau. Beides ist unentschuldbar.
Das sind original Bundeswehr Seesack Schlösser. Damit macht man seinen überdimensionalen Wäschebehälter oben zu machen.
Es gab in dem Laden aber keine Seesäcke zu kaufen. Keine Ahnung wer rund 10 Euro dafür ausgeben soll, aber es waren wirklich original Bundeswehr Bestände (laut Etikett).

Montag, 17. August 2015

Ansprechend

Wir haben letztens neue Key-Card-Geräte installiert bekommen, an der Uni.
Die sind deutlich langsamer als die alten und funktionieren nicht mehr "durch den Geldbeutel".
Dafür haben sie einen Problem behoben, dass vielen schon seit langem unerträglich gewesen sein muss:
die alten Geräte haben nicht gesprochen!

Das geht in Japan überhaupt nicht, wenn Dinge nicht mit einem sprechen.
Also sagen die neuen jetzt: "eintreten, bitte", wenn man die Tür geöffnet hat.
Brilliant, oder? Wie oft haben Sie schon eine Tür aufgemacht, und dann vergessen, was Sie eigentlich tun wollten? Da wären Sie fast vor der offenen Tür erfroren!

Gut, dass dann vielleicht nicht, aber im Winter vor der warmen Dusche (die netterweise außerhalb des Hauses ist). Gut, dass der Boiler auch redet. Allerdings verstehe ich nicht was der sagt. Prasselt ja heißes Wasser in der Kabine.




Die Ampel ist rot, der Bus hält.
Und das sagt er auch: "Ich halte, Vorsicht bitte!"
Dann wird's grün, und der Bus warnt: "Ich fahre, Vorsicht bitte!", um dann noch einen drauf zu legen mit "Ich biege rechts ab, Vorsicht bitte!".


Lange Zeit habe ich ja geglaubt, dass der Busfahrer diese Durchsage macht.
Bis dann einige Busfahrer selbst mal ansagen gemacht haben, und ich musste feststellen:
der Bus spricht mit mir.
Wie? Was der Busfahrer so durchgesagt hat? Naja, "Vorsicht bitte, ich halte...", und solches Zeug halt...


Gut, im Zug sind automatische Durchsagen dieser Art ja International gängig.
Aber dass die Rolltreppe zum Bahnsteig Ihnen erzählt, dass sie die Rolltreppe zum Bahnsteig ist, ...
und dann auch noch warnt, dass sie eine ganz gefährliche Rolltreppe ist!
Besser mit den Füßen innerhalb der Stufe bleiben, damit nix eingezwickt wird!
Dankeschön, liebe gefährliche Rolltreppe!




Wenn Sie glauben Sie entkommen den sprechenden Geräten wenn Sie Auto fahren, täuschen Sie sich.
Dass Zapfsäulen für Sie ihr Auto auf den Yen genau betanken, habe ich ja schonmal erzählt.
Verschwiegen habe ich, dass die Zapfsäule ihnen danach sagt, dass Sie ihre Tankkappe nicht vergessen sollen. Das ist tatsächlich mal ein sinnvoller Dienst!

Ich frage mich nur, warum die allgegenwärtigen japanischen Getränkeautomaten eigentlich immer schweigen. Die könnten einen so schön vor den Gefahren des heißen Kaffees warnen.

Montag, 27. Juli 2015

Verkehrsteilnahme

Mein Hobby ist: informelle Statistiken anzufertigen. Also ich frage Leute Sachen, ganz viele Leute dieselben Sachen, und schließe daraus auf die allgemeine Bevölkerung.(Informell, weil meist kein Papier und Stift zu Hand ist um Ergebnisse zu notieren, dafür aber Alkohol, um Ergebnisse zu vergessen.)
Jedenfalls haben laut meiner Statistik die meisten Japaner keinen Führerschein. Gängige Begründung: das Zug-Netz ist einfach zu gut, und Auto, Parkplatz, Versicherung etc. kosten einfach zu viel. Natürlich frage ich meist nur Leute in Ballungsgebieten, obwohl ich selbst auf dem Land lebe, weil: da ist mehr los. Die Ironie, dass ich mein eigenes Auto verwende um Leute die kein Auto brauchen zu fragen warum sie kein Auto brauchen ist angekommen.


Es ist aber auch gar nicht so einfach einen Führerschein zu kriegen.
Ich habe glücklicherweise meinen Deutschen Schein übersetzen lassen können. Sonst hätte ich auch keinen. Zwei gute Freunde sind durch die Tortur durch. Beide haben jahrelange Fahrerfahrung, und wurden trotzdem fünf mal durchfallen gelassen. Immer wegen totalen Kleinigkeiten oder höchst zweifelhaften Begründungen. Jedes mal mussten sie eine Pilgerreise zum Prüfungsamt machen, jedes mal einen guten Batzen Geld da lassen.
Das ist, so unter der Hand angedeutet auch der Grund für die Pingeligkeit der Prüfer: Geld.
Denen gefällt es nämlich ganz nicht, wenn man ohne lange Theorie und Fahrstunden man schnell die Prüfung machen will. Bis man also das Äquivalent eines ganzen Intensiv-Kurses über den Tresen geschoben hat, kriegt man auch keinen Schein.


Um so größer ist die Freude bei meinen Freunden dann, als der Schein endlich da ist!
Solange er denn da ist, weil: Japanische Führerscheine haben ein Verfallsdatum: nach drei bis fünf Jahren ist Schluss mit dem Fahrspaß. Lustigerweise nicht gemessen ab dem Datum an dem der Führerschein ausgestellt wurde, sondern festgemacht am Geburtstag des Fahrers. Tolles Geburtstagsgeschenk, oder? Aber damit's nicht ganz so fies ist, dass man seinen Geburtstag auf dem Amt verbringen muss um eine Verlängerung zu erstreiten, hängen sie einen Gnaden-Monat hinten dran.
Dann hat man auch genug Zeit nach der Geburtstags-Party seinen Restalkohol wieder auf die Gesetzlichen 0% zu senken.
Dann wird man ein bisschen durch die Bürokratischen Mühlen gedreht (gottseidank keine Fahrprüfung) und kriegt am Ende vielleicht einen neuen Schein. Dann vielleicht mit neuer Farbe: Japanische Führerschiene fangen nämlich alle grün an (weil noch Grün hinter den Ohren) und werden dann Blau (weil, äh, hier ist mir kein Witz eingefallen, der Ihnen nicht auch sofort eingefallen ist). Wenn man lange Zeit unfallfrei ist und nicht beim zu schnell fahren erwischt wurde, wird er sogar golden. Das scheint aber eine Ausnahmeerscheinung zu sein. Die wenigen Japaner die mir erzählt haben sie kennen jemanden der das geschafft hat, hatten dabei einen Unterton von Bewunderung in der Stimme als ob "keinen Unfall bauen" eine echte Meisterleistung ist.
Gut, so sehen viele Autos hier auch aus...

Freitag, 17. Juli 2015

Mach ich nicht mit

Es gibt so ein paar Sachen, über die hätte ich schon länger mal schreiben müssen.
Einfach weil man sie so oft sieht, dass man davon ausgehen muss dass sie fest in der Kultur hier verankert sind.

Da gibt es nur ein Problem: bei so manchen Sachen mach ich einfach nicht mit! Basta!

Das trifft sich gut, weil scheinbar auch alle Japaner sich darauf geeinigt haben da nicht mitzumachen.
Fragt sich nur warum es solche Sachen dann gibt.
Zwei Paradoxe.



Pachinko:

Pachinko ist eine art Glücksspiel-Automat. Man hat ein kleines Nagelbrett, wo von oben Metallkugeln durch fallen. Manche fallen dadurch in Gewinn-Zonen.
Das Problem: Glücksspiel ist eigentlich illegal. Also kann man auch nicht wirklich gewinnen.
Wenn man weiß wie, kann man aber die Gewonnen Kugeln und/oder Sachpreise wieder zurück-verkaufen und doch Gewinn machen.
Man hat also zwei Probleme: erstens ist Gewinnen eh schon unwahrscheinlich,  zweitens hat man keine rechtliche Garantie seinen Gewinn überhaupt ausgeschüttet zu bekommen. Zur Polizei gehen geht ja schlecht.
Vielleicht machts ja wenigstens Spaß. Naja, für wie lange kann es Spaß machen, Metallkugeln beim runter Fallen zuzugucken? Also, haben viele Automaten einen eingebauten Monitor auf dem man nebenbei glotzen kann. Das ist dann für gewöhnlich das Alleinstellungsmerkmal der Automaten, und damit werden sie auch beworben: hereinspaziert, wir haben die neuesten Geräte am Start, mit ihrer Lieblings-Zeichentrickserie oder der populären Girlie-Band. Ja, selbst die Produzenten von Mainstream-Popkultur sind sich nicht zu schade für sowas eine offizielle Lizenz zu verkaufen.
Sie haben also etwas zum gucken, aber nicht zum hören. Weil: es ist einfach viel zu laut in diesen Hallen!

Sie verstehen also vielleicht, warum ich da nicht gerne rein gehe. Und egal wie viele Japaner ich treffe, ich habe auch noch nie jemanden kennengelernt der da rein geht. Alle sagen mir dasselbe: zu laut, zu nervig, zu langweilig, nicht an Glücksspiel interessiert.

Trotzdem schießen solche Hallen wie radioaktive Fukushima-Pilze aus dem Boden. Selbst bei mir auf dem Land, kommen Sie ein mehreren solcher Gebäude vorbei bevor sie ein Kino finden.
Irgendwer muss also regelmäßig da hin gehen und ne Menge Geld da lassen. Aber wer?
Vielleicht sollte ich einfach mal in eine reingehen und Leute darin ansprechen...



Host-Bars:

Früher gab es in Japan ja Geishas, die einem gegen Entgelt beim trinken Gesellschaft geleistet haben.
So, auf die eine oder andere Art gibt's das immer noch, und dank der Emanzipation jetzt auch für Frauen: wenn sie etwas tiefer in die Taschen greifen, können Sie mit hübschen Kerl trinken.
Naja, "hübsch" ist so eine Sache. Die "Hosts" sind ein Typ Mann, gegen den Metrosexuelle wie Holzfäller aussehen. Unglaublich aufgestyled, mit gefärbten, gegelten Haaren, Mode die abseits vom Laufsteg niemand wirklich jemals anziehen würde, dürrer, schlaksiger Körperbau ohne Muskeln oder Fett, kindliches Gesicht. Für mich ist das jetzt nicht unbedingt ein Schönheitsideal, aber ich bin ja auch nicht die Zielgruppe. Also frage ich so oft ich kann Frauen, ob sie solche Jungs hübsch finden. Bisher haben das alle bestritten. Auch kenne ich niemanden der schonmal in so einer Host-Bar drin war. Das finde ich schade, weil es mich wirklich interessieren würde, ob die Jungs was drauf haben als Charmeure und Verführer. Laut mehreren Medienberichten sind manche nämlich so gut, dass sich ihre Kundinnen finanziell ruinieren um ihren Schwarm mit Geschenken zu überhäufen.
Irgendwas muss also dran sein.
Jetzt schlagen Sie bitte nicht vor, dass ich da selbst mal rein gehe. Ich verzweifle zwar oft an dem mageren Sozialleben hier am Camput, aber so tief gesunken, dass ich jemanden dafür bezahle sich mit mir zu unterhalten bin ich noch nicht!
...
Na gut, wenn hier draußen so ein Laden aufmacht wirds vielleicht gefährlich.

Achso: natürlich gibts das auch Geschlechts-Vertauscht. Da stehen dann die aufgebrezelten Damen am Straßenrand und suchen Männer die gerne überteuerten Alkohol für weibliche Aufmerksamkeit in kauf nehmen wollen.
Natürlich: selber gehe ich da nicht hin, und bisher hat auch noch jeder Mann geleugnet je in so einer Bar drin gewesen zu sein.

Ich finde das trotzdem super, aber aus einem anderen Grund:
ich gehöre zu diesen Leuten die, wenn ihnen ein Mädel gefällt einfach hingehen und die ansprechen.
Das klappt zugegebenermaßen nicht immer so gut, weil die oft was besseres vorhaben als sich von Ausländern aufgabeln zu lassen.
Dummerweise gilt es in der Japanischen Kultur als akzeptabel (und sogar noch eher höflich) Fragen die man nicht beantworten will einfach zu ignorieren. Kurz: ich werde oft einfach komplett ignoriert.
Das drückt dann etwas auf die Laune.
Aber nur bis zur nächsten Straßenecke, weil da wieder die Hostessen stehen!
Da warten also die hübschesten Mädels in voller Aufreißer-Montur auf bierbäuchige Geschäftsmänner mittleren Alters, sprechen die an als ob sie gerade ihren Traumprinz entdeckt haben; der ignoriert das Mädel natürlich völlig; sie folgt ihm die Straße runter und versucht verzweifelt seine Aufmerksamkeit zu kriegen, kriegt aber nur die kalte Schulter; gibt schließlich auf und geht zu ihren Kolleginnen zurück.
Das macht mich wieder glücklich in so guter Gesellschaft zu sein.
Und meiner informellen Statistik zu folge haben die Damen eine noch schlechtere Quote als ich.
(Okay, die wollen ja auch Geld, und mich gibts kostenlos. Nicht umsonst! Aber kostenlos.)

Dienstag, 30. Juni 2015

Kriegswärts


Ich hoffe ich schaff's nochmal nach Hause bevor der Russe einmarschiert. Man hört hier ja in letzter Zeit so alles mögliche aus den Nachrichten. Da kann ich schon froh sein, das ich hier am "sicheren" Ende von Russland sitze.

Japan macht bei den ganzen Machtspielen natürlich nicht mit. Die haben sich nach dem zweiten Weltkrieg den Pazifismus in die Verfassung geschrieben: die Regierung darf also nie Krieg erklären oder in fremde Länder einmarschieren.

Aber natürlich will man doch gerne mitspielen, also wird das gerade geändert. Ja, es gibt gerade politische Bemühungen den Artikel aus der Verfassung zu streichen, damit man sich endlich keine dummen Ausreden mehr einfallen lassen muss um Krieg zu spielen. Passend dazu hat Japan kürzlich einen dicken Flugzeugträger fertig gestellt. Eigentlich hatte man mal gesagt, dass sich Flugzeugträger zur Landesverteidigung nicht rentieren, und man deswegen freiwillig keine bauen wollte. Also hat man einfach gesagt, dass das ein Zerstörer sei. Ein besonders großer, unförmiger Zerstörer. Ohne Bewaffnung. Packt man halt Hubschrauber aufs Deck, die Torpedos ins Meer werfen können. Ja, nee iss scho recht.


Nahezu alle Japaner sind natürlich dagegen (also gegen die Verfassungsänderung. Gegen die Aufrüstung sowieso). Zwar haben die Leute weniger Berührungsangst mit dem Militär als die Deutschen, aber selbst die Krieg-Spieler haben genug Selbsterkenntnis um ihr Hobby nicht zum Beruf machen zu wollen.

Aber dass die Regierung Dinge macht, die 90% der Bevölkerung ablehnt ist hier der Normalzustand.
Das geht schon bei den Wahlen los. Da fahren die Kandidaten mit Lautsprecher-Wägen durch die Straßen. winken dem Volk zu und skandieren Slogans.
Nun sind Japaner zwar an Dauer-Beschallung gewöhnt, trotzdem finden das alle nervig. Kann man aber nichts machen. Am Ende kriegen die beiden großen Partien, die DPJ und die LDP wieder die meisten Stimmen. Was ich schade finde, weil es ganz hübsche Alternativen gibt: etwa die "Glücks-Realisierungs Partei" (kein Scherz). Gut, ich habe keine Ahnung was deren Parteiprogramm ist, aber ich gehe davon aus, dass die Wissen das Angriffskriege nicht viel Glück realisieren.



Dass das Land immer mehr abdriftet liegt auch am Einfluss der "rechts außen" Fraktion, hier gerne als "Ultra-Konservative" bezeichnet. Die haben für sich durchaus Unterhaltungspotential, wenn sie mit ihren Lautsprecher-Wägen öffentliche Plätze belagern, Flaggen hissen, ohne Punkt und Komma unverständliche Reden skandieren und vor der Russischen Botschaft plärren, dass die endlich die Inseln zurück geben sollen, die sie im zweiten Weltkrieg eingenommen haben.
Leider hört die Regierung scheinbar diesen Leuten viel mehr zu als die Bevölkerung...

Mittwoch, 17. Juni 2015

DienstleistungsHochtechnologie

Zwei Dinge die allen Auffallen, die mich Besuchen kommen:
(1) Super Service hier!
(2) Gar nicht so viel High-Tech wie man erwarten würde.
Diesen Eindruck kann ich etwas erweitern...



Tankstellen:
Hier gibt es wirklich noch Tankstellen, wo man betankt wird. Also: ein Tankwart weist einen ein, und betankt einen ohne dass man aussteigen muss. Man sagt ihm einfach den Betrag den man gerne hätte, und der freundliche Herr tankt dann auf den Yen genau Kraftstoff ins Gefährt.Aber natürlich gibt es auch Selbstbedienung. Praktischerweise ist hier alles direkt in der Zapfsäule. Sie geben vor dem Tanken den Betrag an, zahlen, stecken den Schlauch ins Loch gucken zu wie der Zähler exakt auf dem gewünschten Betrag stehen bleibt.
Sollte man mit der Prozedur Probleme haben, stehen immer ein paar Helfer bereit.
Im Gegensatz zu Tankwart putzen die einem aber nicht die Scheibe während man tankt.

Übrigens wurde ich öfters von Besuchern gefragt, ob Benzin hier billig ist. Das konnte ich nicht beantworten weil: (a) habe ich in Deutschland schon seit vielen Jahren nicht mehr getankt, (b) kenne ich nicht immer den Wechselkurs und (c) schluckt mein Auto 4-Rad so wenig Benzin, dass ich nicht darauf achte wieviel das jetzt kostet.
Aber speziell für diesen Blog jetzt mal:
Der Liter Benzin kostet etwa 97 Cent. (Ist das jetzt teuer oder billig?)
Elektro- oder Wasserstoff-Tankstellen konnte ich noch keine finden.



RFID Karten und Bargeld:
Das schöne am Zugfahren in Japan ist ja diese große Karte über den Fahrkarten-Automaten, wo man sich raussuchen muss wo man hin will, dann genau für diese Strecke ein Ticket löst und am Zielbahnhof feststellt, dass man das falsche Ticket hat und nachbezahlen muss.
Daran erkennt man die Touristen. Japaner verwenden die nicht. Dafür gibt's hier RFID Karten die man mit Geld beladen kann. Die klatscht man auf den Scanner und es wird automatisch der richtige Betrag für die Strecke abgebucht. Das ist vor allem dann praktisch, wenn man schnell noch den Zug erwischen muss.
Aber nicht nur beim Zugfahren, mittlerweile kann man die Dinger in immer mehr Geschäften zum Bezahlen verwenden. Für eine Nation die sich über Jahrzehnte schwer getan hat Visa Karten zu akzeptieren sind sie jetzt ganz schön schnell.
Kann ich verstehen, denn mit Bargeld zu bezahlen kann immer etwas dauern, weil die Kassierer einem immer das Wechselgeld vorzählen. Das heißt: sie zählen natürlich wenn sie das Geld aus der Kasse nehmen. Dann zählen sich für sich selbst sicherheitshalber nochmal nach. Dann präsentieren sie dem Kunden das Geld und zählen es demonstrativ nochmal laut vor. Natürlich erst nachdem sie sich entschuldigt haben, dass das Geld zählen so lange gedauert hat.
Da kann ich schon verstehen, warum immer mehr Leute lieber ihre Geldkarte verwenden.
Und da hier kein Chaos Computer Club da ist um den Leuten zu zeigen wie leicht man ihr RFID Geld klauen kann...



Getränke:
In letzter Zeit gibt es in Tokyo auch immer mehr Getränkeautomaten eine ganz neuen Sorte. Naja, zumindest sehen sie modern aus. Was daran so neu ist habe ich erst an der Uni gelernt, als einer der Professoren die Dinger als Beispiel brachte für das neue "Internet of Things". Also: Geräte werden direkt ans Internet gehängt. Dazu haben sie auch noch eine Webcam um den Kunden aufnehmen zu können. Wozu das ganze? Sicherlich nicht wegen dem nicht vorhandenen Vandalismus (vor allem weil die Dinger bisher nur in Bahnhöfen stehen). Der Professor erklärt, dass man da Gesichtserkennungs-Software drauf hat, und damit Alter und Geschlecht des Kunden bestimmen kann... um damit bessere Vorschläge machen zu können was der Kunde so trinken möchten könnte.
Da muss man jetzt dazu sagen, dass in Japan der Datenschutz noch nicht so weit ist, und der Professor nicht recht verstehen konnte, warum ich damit ein Problem habe.

Da gehe ich lieber in jedes X-Beliebige Schnellrestaurant. Zwar Erkennt die Bedienung da auch mein Gesicht, schickt aber keine Kopie übers Internet. Außerdem gibt's das Getränk umsonst. Ja, in fast allen Restaurants vom schnellen Nudel-Shop bis zur Luxus-Klasse kriegt man entweder Tee oder Wasser soviel man trinken kann. Entweder kommt wieder alle 5 Minuten die Bedienung vorbei zum Nachfüllen, oder sie stellen einem direkt die Karaffe auf den Tisch.
Nein, das ist eine ganz normaler Karaffe. Kein High-Tech. Nur Tee.

Donnerstag, 28. Mai 2015

Verwaltungsherrschaft


Aus deutscher Sicht geht es hier eigentlich ganz normal zu. Was aber vielleicht eher ein Indiz dafür ist, dass es in Deutschland schon nicht ganz "normal" zugeht. Die meissten anderen Ausländer hier beschweren sich jedenfalls über die ausufernde Bürokratie. Naja, Ihnen kann ich da mit meinen Storys nix vormachen, ... aber ich probier's trotzdem...




Als ich mein Visum verlängern muss, brauche ich natürlich reichlich Unterlagen. Unter anderem ein Formblatt, auf dem ich beschreibe, an was ich überhaupt so forsche. Ich bezweifle, dass das jemals jemand lesen wird, geschweige denn jemand der versteht was ich da schreibe. Aber nachdem ich solche Beschreibungen öfter brauche, habe ich noch welche 'rum liegen.
Darunter dann ein Feld: wie viele Stunden ich in der Woche denn arbeite.
Ich verstehe nicht, was die meinen.
So etwas wie 'Unterricht geben' oder 'Klausuren korrigieren'? Das mache ich gar nicht. Die einzigen Arbeiten die ich außerhalb meiner Forschung mache sind:
(a) ab und zu unseren kratligen Webserver mit neuen Streifen Klebeband und Kaugummi am laufen halten,
(b) die Kaffee-Maschine putzen.
Das macht beides nicht soo viel her.
Ich beschließe einfach die gesamt-Zeit die ich jede Woche so im Labor zubringe zusammen zurechnen: 5x(8:00-18:00 minus Mittagspause) + 2x(8:00-12:00) - manchmal-füher-gehen = grob 50 Stunden.
Ich frage sicherheitshalber den Professor:
> "Da schrieben wir einfach ne Standard-Arbeitszeit rein: 40 Stunden."
Ich trage den Lappen ins International-Office und träume dabei von Wochenenden ohne Labor.
> "Warum steht da denn 40 Stunden?"
> "Hat mein Professor reingeschrieben...."
> "Doktoranden arbeiten 20 Stunden...."
> "Gut zu wissen."
> ".... na dann korrigiere ich das schnell."
Während die Dame also schnell den "Fehler" in ihrem Geordneten Ablauf korrigiert, überlege ich mir schonmal was ich die anderen zwei Drittel vom Jahr so mit meinem Resturlaub mache...




Als Informatiker bin ich ja Freund fester Abläufe (also: Algorithmen), und da sind die Japaner ganz große Meister. Besser noch als Computer. Computer haben manchmal "undefinierte Zustände". Solche Ausnahmen gibt es in der Japanischen Bürokratie nicht. Irgendein Standardfall muss immer zutreffen.
Um etwas mehr Freiheit zu haben will ich also meine eigene Firma gründen, und frage im Büro wie die Prozedur denn so aussehen würde.
> Also dafür müssten Sie erstmal Arbeiten: ohne (zu) der sie gehören geht da nix. Und dann brauchen Sie jemanden, der bereits für Sie arbeitet.
> Ich brauche einen Angestellten, um eine Firma gründen zu können?
> Ja.
> Bei welcher Firma soll der denn angestellt sein, wenn ich vorher keine Firma gründen kann?
> .... tja, äh, das steht hier nicht. Aber Sie können sich das in Ruhe durchlesen.

Ein bisschen lesen und es stellt sich heraus:
Der Prozess geht davon aus, dass man ein Investoren/Manager-Visum hat. Also hat man einfach den Prozess, ein solches Visum zu bekommen vorn dran gestellt. Macht ja algorithmisch Sinn. Wenn Sie also Manager einer Firma sind, können Sie diesem kombinierten Prozess folgen, um ein Manager-Visum zu bekommen, um damit Manager einer Firma zu werden...

Ein Computer erkennt die Rekursion (daran, dass der Speicher überläuft) und terminiert den Prozess. In meinem Fall terminiere ich also das Gespräch mit einem freundlichen SEGFAULT Lächeln und Bedanken und Verbeugen und gehe.

Unnötig zu erwähnen, dass sich kurz darauf herausstellt, dass das mitnichten der einzige noch der gängigste Weg ist als Ausländer in Japan eine Firma zu gründen.
Aber der algorithmisch schönste!



Die Ämter an sich sind gar nicht mal ineffizient (und obendrauf auch noch höflich), aber überall merkwürdig dezentral. Das musste ich feststellen, als ich meinen Führerschein haben wollte.
1. Akt:
Zum Deutschen Generalkonsulat nach Osaka, um meinen Führerschein übersetzen zu lassen.
Das muss ich natürlich bezahlen, was ich natürlich bei einer anderen Dame tun muss als bei der ersten. Dafür sind beide Damen direkt nebeneinander und sprechen fließend Deutsch.
2. Akt:
Nach Ikoma (das ist die Stadt zwischen Nara und Osaka, wo ich am nähesten dran Wohne) um eine Aufenthalts-Bestätigung zu kriegen. Einfach nur einen Ausweis zu haben reicht halt nicht.
Auch hier reicht ein Schalter allein nicht, also muss ich mehrfach Nummern ziehen.
3. Akt:
Zur JAF, dem Japanischen Pendant des ADAC, für... also das verstehe ich jetzt auch nicht mehr genau. Das Ding ist irgendwo im Süden von Nara, also brauche ich ein paar Stunden bis ich da bin. Es gibt nur einen Schalter, dafür versteht der Mann dahinter nicht so ganz was er tun muss. Oder ich verstehe nicht was er von mir will. Wir reden also noch etwas aneinander vorbei, dann gibt er mir einen Wisch und sagt, dass ich damit zur Führerschein-Zulassungsstelle muss. Der Schein ist bei genauerer Betrachtung wieder nur eine Übersetzung (oder Beglaubigung?) meines Deutschen Führerscheins.
4. Akt:
Die Führerschein-Zulassungsstelle ist so weit in der Pampa draußen, dass man ohne Auto fast nicht hinkommt. Macht irgendwie keinen Sinn, denke ich mir so, als ich die 30 Minuten Fußmarsch vom nähesten Bahnhof zurücklege.
Angekommen werde ich in einen Büro verfrachtet und einem freundlichen Verhör ausgesetzt:
Soso, einen Deutschen Führerschein habe ich also. Wie habe ich den denn so gekriegt? Wie viele Theorie-Stunden waren das denn? Wie lange war jede Stunde? Inhalt? Wo bin ich in den Praxis-Stunden so überall rumgefahren? Und wann? Und wer war dabei? Wie lange war der Test?
Es ist zu diesem Zeitpunkt ziemlich genau 10 Jahre her, dass ich den Führerschein gemacht habe, und dazwischen lagen reichlich Gelegenheiten den Kopf mit wichtigeren Dingen zu füllen, nicht zuletzt Alkohol. Also tue ich was ich immer tue wenn ich keine Ahnung habe. Blöd daherlabern. Lachen Sie nicht! Das hat mir einen Hochschulabschluss beschert!
Zu guter Letzt muss ich noch beim Sehtest vorbei schauen, bezahlen und meinen nagelneuen Führerschein entgegennehmen.

Montag, 18. Mai 2015

Sprechen lernen (3)

Wo steckt die Sprache?
Also: wo in Ihrem Gehirn?
Das Gehirn ist ja kein einheitlicher Schwamm. Da gibt es spezielle Regionen.
"Naja, Sprachzentrum" wird man jetzt sagen, und hat damit eigentlich wirklich gar nichts gesagt.

Okay, anders: wie wird eine Sprache denn in ihrem Gehirn abgebildet?
Als endlose Vokabel-Liste wie ein Telephonbuch? Benutzen Sie ihr Bewusstsein wenn Sie sprechen?
Also ich nicht.
Ich benutze meinen Mund.




3.) Tun:
Wenn Sie versuchen ihre neue Sprache in ihr Gedächtnis zu prügeln, dann ist das so wie wenn Sie ihr neues Regal im Garten aufbauen. Es ist schon irgendwie da, aber nicht da wo Sie's sinnvoll benutzen können weil viel zu weit weg von der Küche, und es wird auch recht böse von der Witterung angegriffen.
Ein besserer Ort ist da wo ihr Gehirn die Aktionen für ihren Körper produziert. Manchmal sagt man, dass Dinge "in Fleisch und Blut" übergehen, aber natürlich ist es immernoch das Gehirn das die Impulse sendet. Nur eben ein anderer Teil des Gehirns den wir bewusst nicht wahrnehmen.
Also: ihr Mund bewegt sich ohne dass Sie denken.
Damit er dann auch das sagt, was Sie sagen wollen (und in der Sprache in der Sie es sagen wollen) müssen Sie ihn trainiert haben. Also natürlich nicht wirklich die Muskeln im Mund, aber die Muster in ihrem Gehirn, die Worte produzieren.
Was ich sagen will:
Wenn Sie lernen, dann sagen Sie ihre Sätze laut auf!
Ja: reden Sie mal wieder ordentlich mit sich selbst.
Wenn ihnen das zu peinlich ist, dann flüstern Sie, oder bewegen Sie zumindest die Lippen.

In der Schule haben Sie das nicht gebraucht, weil ihr Lehrer Sie dazu gezwungen hat regelmäßig etwas zu sagen. Fragen Sie mal einen Lehrer (für Sprachen) was er von der Idee hält die Kinder stillschweigend den "Input" über sich ergehen zu lassen und nur im Kopf über das gelernte zu reflektieren. Absurd? Aber genau das ist die Gefahr wenn man die Schule verlässt und beim Lernen auf sich allein gestellt ist. Man guckt seine Vokabeln an und Glaubt jetzt Sprechen zu können.
Aber echter Fortschritt kommt nur, wenn ihr Gehirn lernt ihren Mund zu bewegen.
Also: fangen Sie an vor sich hin zu plappern.
Das hilft zwar nicht beim Hörverständnis, aber 50% ihrer Unterhaltung haben Sie damit schonmal abgedeckt. Und im Gegensatz zu echten Gesprächen die oft zu schnell sind oder nicht die Sätze oft genug wiederholen die Sie gerade lernen wollen, sind diese hier perfekt auf ihre Lernziele abgestimmt. Wen interessiert da noch, dass keiner zuhört?



Oh, und wo wir schon dabei sind: Vielleicht müssen Sie für ihre neue Sprache ja auch ein paar neue Zeichen lernen.
So um die 30 für Russisch.
Oder etwa 60 für Thai.
Oder ein paar tausend für Chinesisch.

Die werden Sie alle nicht lernen, bis Sie sie schreiben.
Selbst wenn man heute kaum noch mit der Hand schreibt: ihre Hand erinnert sich besser als ihr Gehirn.

Dazu folgende Anekdote:

Ein Freund fragt mich über ein Sandwich wie ich Schriftzeichen lerne. (Weil ich während dem Sandwich-essen nebenbei Schriftzeichen gelernt habe.)
Ich erkläre, dass man auf jeden Fall mit der Hand schreiben sollte, ohne dir Vorlage anzugucken, immer und immer wieder. Die Assoziation mit der Handbewegung hilft um sich die Details zu merken.

"Ach wirklich? Ich lerne immer nur durch anschauen.", wirft ein anderer selbstbewusst ein. Wirklich? Vielleicht bin ich ja nur lernbehindert, und andere Leute brauchen meine Tipps gar nicht.
Probieren wir das doch kurz aus. Ich zeige ihm das Wort, dass ich gerade lerne. "Umsatzabrechnung" steht da. Besteht aus den Schriftzeichen: Verlust + Gewinn + Messung + Rechnen + Schreiben.

Er schaut...
...
Kann er nicht lesen.

Welches davon kann er nicht lesen?
Er schaut nochmal...
...
Alle bis auf das Letzte.

Wirklich? Auch das in der Mitte nicht?
Nochmal schauen...
...
Nope.

Das benutzt man auch um "Uhr" zu schreiben... (ist ja ein "Zeit-Messer").
Aha. Soso.
...
Ich gebe auf.

Achso: ich hab' die Pointe vergessen:
der Mann lebt schon seit 10 Jahren in Japan.

Donnerstag, 30. April 2015

Sprechen lernen (2)

Ich kriege ja nie Leserbriefe oder Kommentare. Aber wenn ich welche kriegen würde, dann hätten sie sich über den letzten Eintrag beschwert, dass das ja Offensichtlich war:
zum lernen muss man regelmäßig Zeit investieren. Weiß ja jeder!

Okay: hier ist was das Sie noch wissen:

Hören Sie auf Vokabeln zu lernen.

Lernen Sie keine einzelne Vokabel.
Lernen Sie den ganzen Satz!




2.) Phrasen:
Haben Sie sich schonmal gefragt, wie Kinder ihre erste Sprache lernen? Die haben ja keine Übersetzung für die Worte ("Geheimnis" ist "gugu-gaga" auf Baby-isch).
Klar, für die ersten Worte wird einfach ein Bild gezeigt: das Grüne Ding ist ein "Baum", das süße Ding ein "Apfel", und zusammen ist das ein "Apfelbaum".
Aber das hört schnell auf, wenn die Worte abstrakte Konzepte darstellen. Wie soll man vermitteln, was "Geheimnis" oder "Sprache" bedeuten? Naja, man erklärt's halt. Also: mit anderen Worten.
Und da liegt schon der Hund begraben: die meisten Worte existieren überhaupt nur durch ihren Zusammenhang zu anderen Worten. Denn das ist, was Sprache eigentlich ist. Wenn sie Vokabeln lernen, sprechen sie immer noch Deutsch, nur mit anderen Worte. Die andere Art zu denken, die andere Art sich auszudrücken der anderen Sprache geht komplett verloren.
Also hilft es neue Vokabeln nur im Zusammenhang mit anderen Vokabeln zu lernen. Nicht in der Wörterbuch-Definition sondern in der tatsächlichen Verwendung Form von Beispielsätzen.

Das ist ziemlich hart, und vor allem am Anfang ungewohnt, bringt aber schnell eine ganze Vorteile:


Geschwindigkeit:
Hatten sie schonmal das Gefühl, dass sie alle Worte kennen, die sie in einem Dialog hören (oder sagen wollen) aber einfach alles zu schnell geht? Wenn Sie Vokabeln als Übersetzungen für Worte in ihrer Muttersprache gelernt haben, dann ist ihr Gehirn darauf getrimmt die Worte isoliert zu übersetzen und dann einen Sinn aus dem Satz bilden zu wollen.
Das ist reichlich langsam. So werden Sie da nie rechtzeitig fertig.
Stattdessen sollten schon ganze Teilstücke für Sätze bereit liegen, und zwar möglichst nahe bei anderen Teilstücken die Sie wahrscheinlich gleich noch brauchen können.
Ihr Zuhörer weiß nicht, ob Sie den Satz gerade aus einzelnen Worten zusammengebaut oder vorher einfach auswendig gelernt haben, noch weiß er wie viele Sätze Sie sonst noch so können. Sie können also in ein paar Tagen lernen flüssig wie ein Muttersprachler zu sprechen.... aber halt nur für 10 Sekunden.

Die (traurige) Wahrheit ist: darauf kommt es an! Leute hören nicht gerne Gestotter und wenn ihre ersten 10 Sekunden die Sie jemanden auf der Straße nach dem Weg fragen nicht den Eindruck vermitteln, dass Sie die Antwort verstehen würden, werden sich viele Passanten ganz schnell entschuldigen. Klingt hart. Hab ich auch auf die harte Tour gelernt. Selbst wenn Sie nur 10 Sekunden sprechen können, können ihnen diese 10 Sekunden viele Türen öffnen, wenn Sie fließend Vorgetragen werden.


Verwendung:Haben Sie sich mal gefragt was der Unterschied zwischen "essen", "fressen", "speisen" und "Nahrungsaufnahme" ist? Bedeutet alles dasselbe, oder? Man verwendet sie aber in unterschiedlichen Situationen. Peinlich, wenn man Tante Agathe sagt, sie solle noch ein Stück Kuchen fressen.
Aber auch für den "übertragenen Sinn" von Worten ist es wichtig, denn ob es diesen "Übertragenen Sinn" auch in der Fremdsprache gibt ist nicht sicher. Sie könnten jemanden "zum fressen gern haben", aber in welchen Sprachen der Welt können Sie ihrem Gspusi dass auch mit "fressen" sagen ohne mit dem Kannibalen von Rotenburg verwechselt zu werden? (Hahaha, haben Sie gedacht mit ihrer weißen Hautfarbe wären Sie über jeden Verdacht erhaben?!)
Also: wenn Sie ganze Beispielsätze lernen, lernen Sie die möglichen Einsatzgebiete für das neue Wort gleich mit. Was auch immer Unterhaltsam ist zu sehen auf welche Ideen andere Völker gekommen sind, um ihren Gspusi wissen zu lassen was in ihnen vorgeht...


Grammatik und Redewendungen:
Wenn sie Deutsch sprechen, denken Sie dann auch oft über den Dativ und den Akkusativ nach und ob das Verb jetzt in den Futur muss? Nein? Dafür beherrschen Sie deutsche Grammatik aber ziemlich gut. Vermutlich haben Sie's einfach im Gespür? Sprich: nachdem Sie einen Satzbau oft genug gehört haben, verstehen Sie die Bedeutung, ohne die Regeln zu kennen. Sie reproduzieren einfach dasselbe Muster mit anderen Worten.
Da wollen Sie auch hin wenn sie eine Fremdsprache lernen: weg von den Regeln und hin zum "Gespür". Erstens ist "Bewusst-die-Regeln-anwenden" einfach zu langsam um flüssig Sprechen zu können und zweitens lässt sich nicht jede Phrase und jede Redewendung in die Regeln der Grammatik pressen.



Erinnerung:
Ein beliebter Tipp um sich etwas zu merken ist ja, es mit einem geistigen Bild oder Slogan zu verbinden. Wenn Sie einen ganzen Satz lernen der eine Situation beschreibt, haben Sie diesen Positiven Effekt automatisch. Es macht auch viel mehr Spaß, wenn die Sätze lustige Situationen beschreiben oder Sie an eine Situation erinnern, wo das jemand gesagt hat.

Wenn dann mal ein "Wort auf der Zunge liegt" - Sie also genau wissen, dass Sie's wissen und wo Sie's gelernt haben - dann spucken Sie einfach den ganzen Beispiel-Satz aus, mit dem Sie das Wort gelernt haben.

Kontext:
Japanisch ist ja die Königin der Homophone. Aber auch anderen Sprachen kann die Bedeutung von Worten stark vom Kontext abhängen. Eine das "reizende" an einer Dame mit einer stark "reizenden" Flüssigkeit zu verwechseln kann zu Missverständnissen führen.
Sie wollen wirklich nicht alle Laute auf alle möglichen Interpretationen hin durchprobieren was in diesem Zusammenhang Sinn ergibt, oder? Sie wollen, dass ihr Gehirn "voreingestellt" ist, und nur genau Interpretation durchkommt, die im Zusammenhand zu den ganzen anderen Worten die Sie gerade gehört haben Sinn macht.
Sprich: Sie wollen sich in bestimmen Situationen (außerhalb des Kontextes) eben gerade nicht erinnern welche Bedeutungen so eine Folge auf Lauten auch haben könnte.
Besser also wenn ihr ganzes Vokabular schon Kontext-Gebunden ist.





So, jetzt hab ich einen langen Text verfasst, warum es besser ist Sprachen in ganzen Sätzen zu lernen, aber kein Wort darüber verloren wie man das machen soll.

Hier a kurze Liste:
  • Statt der einzelnen Vokabel, packen Sie immer einen ganzen Satz auf ihre Vokabel-Karte (oder Software). Machen Sie die Übersetzungen ruhig primitiv und stichpunktartig oder "grammatikalisch falsch" um dem Satz in der Fremdsprache gerecht zu werden.  Es reicht wenn Sie sich erinnern um welche Bedeutung es ging.
  • Lernen Sie die Karten "vorwärts und rückwärts" also sowohl von Muttersprache zu Fremdsprache als auch umgekehrt.
  • Markieren Sie das "Zielwort" (wenn es denn eines gibt) durch Farbe oder Unterstreichen. Das wirkt ein bisschen wie ein Anker um das Ding in ihr Gehirn zu kriegen. Und wenn Sie erstmal ein paar Tausend Sätze beisammen haben ist es hilfreich sich zu erinnern, welches Wort sie da mal lernen wollten. Wenn Sie nicht wollen brauchen Sie aber auch gar kein "Zielwort".
  • Beispielsätze mit (korrekten) Übersetzungen zu finden ist manchmal Schwierig. Webseiten wie tatoeba.org helfen da sehr weiter. Dort findet man Sätze für fast alle Sprachen der Welt.
  • Die Zeit-Regel aus dem letzten Artikel gilt natürlich auch hier.

Sonntag, 26. April 2015

Sprechen lernen (1)

Das hat ja mal lange gedauert...
Ursprünglich wollte ich hier mein gemoser rauslassen über meine meist gefürchtete Frage:
"Kannst du denn jetzt Japanisch?!"
Aber dann ist mir aufgefallen, dass er wirklich tot-uninteressant ist was ich jetzt verstehen kann und was nicht.
Hier die Zusammenfassung: "Sprache können" ist keine ja/nein Frage, hängt stark vom Kontext ab (Alltag, Bürokratie, spezielle Interessen, ...) und selbst Muttersprachler haben nur einen begrenzten Wortschatz (oft im Zusammenhang mit Hintergrund/Bildungsniveau) und halten sich nicht an die linguistischen Regeln.
Sie können also ganz schnell lernen eine Sprache "besser" als die Einheimischen zu sprechen, werden dann aber immer noch kein Wort verstehen.

So, nachdem ich alles was ich zu dem Thema zu sagen habe in einen einzigen Absatz komprimiert habe, kann ich zu dem Thema kommen, dass ich viel interessanter finde:

Wie lernt man denn am besten eine Sprache?

Ich persönlich bin sprachlich komplett unbegabt. Tatsächlich beginnt die Geschichte, warum ich Japanisch gelernt habe damit, dass ich in Französisch versagt habe (aber das verzähl' ich a anders mal). Also grausige Startvoraussetzungen.
Deswegen habe ich immer großes Interesse daran das ganze zu vereinfachen und effizienter zu lernen.

Also schreibe ich jetzt hier mal meine Sammlung an Tipps auf.
Vielleicht wollen Sie ja noch eine neue Sprache lernen...



1.) Zeit:
Das Gehirn hat eine ganz tolle Funktion: es kann vergessen.
Es kann nicht nur, es arbeitet aktiv an der Entsorgung aller Erinnerungen.
Wie ein Elternteil, der gnadenlos ihr Dachzimmer ausmistet und alles weg wirft was Sie in letzter Zeit nicht mehr getragen haben. VERDAMMT, DAS WOLLTE ICH NOCHMAL ANZIEHEN!

Warum erzähle ich das?
... hab ich vergessen, haha *tuschhh*. Ach ne! Jetzt kommt der Tipp:
Weil lernen nichts anderes ist als "nicht vergessen".
Deswegen ist das Timing entscheidend!
Sie können jedes Wort in einer Sekunde lernen. Das ist nicht das Problem.
Beispiel gefällig? "Lernen" heißt "benkyo" auf Japanisch. Kapiert?
Die Frage ist nur ob Sie's behalten können, weil: ihr Gehirn will's nicht.
Was hieß "Lernen" gleich nochmal? Gut! noch da!
So könnten sie also in einer Stunde rund 3600 Vokabeln lernen.
Doch schon nach ein paar Sekunden versucht ihr Gehirn gleich wieder jedes Wort sofort wieder weg zu werfen. Also müssen Sie's vorher wiederholt haben. Was hieß "Lernen" gleich nochmal....?
Das hält dann vielleicht so eine Minute. Dann kommt ihr Gehirn wieder vorbei. Wehe sie haben's bis dann nicht wiederholt. Und mit wiederholen meine ich nicht: nochmal lesen und passiv verstehen, sondern aktiv ohne Nachschauen aus Ihrem Gedächtnis reproduzieren. Was heißt "Lernen"?! Ah, das hat ihnen wieder eine Minute gekauft!

Das geht immer so weiter: aus der einen Minute werden zwei, dann fünf, dann 10, 30, eine Stunde, ein Tag, zwei Tage, eine Woche, ein Monat, ein halbes Jahr...
Wann hört's auf?
Nie.
Wenn Sie schonmal die Erfahrung gemacht haben, dass ihnen ein Wort "auf der Zunge" lag, aber Sie sich einfach nicht erinnern konnten, wissen Sie dass ihr Gehirn selbst vor ihrer Muttersprache nicht halt macht.
Wenn also sie heute aufhören würden Deutsch zu sprechen, würde ihr Gehirn schon Morgen mit dem Ausmisten anfangen, angefangen mit den Worten die sie am wenigsten benutzt haben.
Netter weise wird die Erinnerung nicht auf einen Schlag komplett weggeworfen. "Erneut-lernen" ist also weniger aufwändig als das erste mal etwas neues zu lernen.
Zumindest für einige Zeit. Aber das hilft ja nicht wenn Sie nicht rechtzeitig wiederholen.
Und irgendwann ist alles Weg.
Genau so wie das Japanische Wort für "Lernen" jetzt weg ist...


Das heißt also, dass Sie nur dann eine Chance haben die Sprache zu lernen, wenn sie regelmäßig üben.
Regelmäßig heißt: jeden Tag, über den Tag verteilt: Morgens, Mittags, Abends, ...
Wenn Sie nur Abends lernen, Morgens aber nicht wiederholen, dann sind viele Worte bis zum Abend schon wieder weg. Etwas wird natürlich immer hängen bleiben, aber viel ihrer Mühen (und Lernzeit) sind dann verschwendet.
Also nutzen Sie Ihren Weg zur Arbeit und zurück, sowie ihre Pinkel-Pausen zum lernen. Haben Sie immer Kartei-Karten oder ihr SmartPhone dabei und nutzen Sie kleine Pausen.


Wie viel Zeit ist genug?
Tja, zwar werden die Vokabeln zum wiederholen immer mehr, aber die Zeitabstände für jede Vokabel immer länger je länger Sie lernen.
Als Faustregel hat sich bei mir aber eine Stunde pro Tag durchgesetzt. Das sind etwa 1/3 aus dem "das lerne ich gerade zum ersten mal" Stapel, 1/3 aus "wird wiederholt" und 1/3 aus "hab ich früher mal gelernt, darf ich aber nicht vergessen".

Ist natürlich einfacher gesagt als getan. Wie schafft man dass sich jeden Tag zu einer ganzen Stunde büffeln zu motivieren?
Konfuzius sagt: "Kenne deine Schwächen und lasse sie für dich arbeiten."
Max sagt: "Wenn du ein Argument bringen willst, behaupte einfach Konfuzius hätte irgendsowas gesagt, dann hinterfragt dich keiner." (Und ehrlich, der Typ hat so viel gesagt...)
Außerdem ist der Max ein verklemmter Pedant, an der Grenze zum Autismus.
Auch hat der eine Japanisch-Lern-Software, die Statistiken über der verbrachte Zeit anzeigen kann.
Das ist ganz furchtbar, denn wenn man erstmal angefangen hat da ganz geordnete "eine-Stunde"-Balken aufzureihen (eins für Montag, eins für Dienstag...), ertrage ich die Lücke eines verpassten Tages nicht mehr.
Wenn Sie also wissen, was ihr Gehirn überhaupt nicht ab kann, benutzen Sie's um sich zum regelmäßigen Lernen zu zwingen.
Ich bin dann mal weg.... meinen Balken für Heute auffüllen....