Donnerstag, 28. Mai 2015

Verwaltungsherrschaft


Aus deutscher Sicht geht es hier eigentlich ganz normal zu. Was aber vielleicht eher ein Indiz dafür ist, dass es in Deutschland schon nicht ganz "normal" zugeht. Die meissten anderen Ausländer hier beschweren sich jedenfalls über die ausufernde Bürokratie. Naja, Ihnen kann ich da mit meinen Storys nix vormachen, ... aber ich probier's trotzdem...




Als ich mein Visum verlängern muss, brauche ich natürlich reichlich Unterlagen. Unter anderem ein Formblatt, auf dem ich beschreibe, an was ich überhaupt so forsche. Ich bezweifle, dass das jemals jemand lesen wird, geschweige denn jemand der versteht was ich da schreibe. Aber nachdem ich solche Beschreibungen öfter brauche, habe ich noch welche 'rum liegen.
Darunter dann ein Feld: wie viele Stunden ich in der Woche denn arbeite.
Ich verstehe nicht, was die meinen.
So etwas wie 'Unterricht geben' oder 'Klausuren korrigieren'? Das mache ich gar nicht. Die einzigen Arbeiten die ich außerhalb meiner Forschung mache sind:
(a) ab und zu unseren kratligen Webserver mit neuen Streifen Klebeband und Kaugummi am laufen halten,
(b) die Kaffee-Maschine putzen.
Das macht beides nicht soo viel her.
Ich beschließe einfach die gesamt-Zeit die ich jede Woche so im Labor zubringe zusammen zurechnen: 5x(8:00-18:00 minus Mittagspause) + 2x(8:00-12:00) - manchmal-füher-gehen = grob 50 Stunden.
Ich frage sicherheitshalber den Professor:
> "Da schrieben wir einfach ne Standard-Arbeitszeit rein: 40 Stunden."
Ich trage den Lappen ins International-Office und träume dabei von Wochenenden ohne Labor.
> "Warum steht da denn 40 Stunden?"
> "Hat mein Professor reingeschrieben...."
> "Doktoranden arbeiten 20 Stunden...."
> "Gut zu wissen."
> ".... na dann korrigiere ich das schnell."
Während die Dame also schnell den "Fehler" in ihrem Geordneten Ablauf korrigiert, überlege ich mir schonmal was ich die anderen zwei Drittel vom Jahr so mit meinem Resturlaub mache...




Als Informatiker bin ich ja Freund fester Abläufe (also: Algorithmen), und da sind die Japaner ganz große Meister. Besser noch als Computer. Computer haben manchmal "undefinierte Zustände". Solche Ausnahmen gibt es in der Japanischen Bürokratie nicht. Irgendein Standardfall muss immer zutreffen.
Um etwas mehr Freiheit zu haben will ich also meine eigene Firma gründen, und frage im Büro wie die Prozedur denn so aussehen würde.
> Also dafür müssten Sie erstmal Arbeiten: ohne (zu) der sie gehören geht da nix. Und dann brauchen Sie jemanden, der bereits für Sie arbeitet.
> Ich brauche einen Angestellten, um eine Firma gründen zu können?
> Ja.
> Bei welcher Firma soll der denn angestellt sein, wenn ich vorher keine Firma gründen kann?
> .... tja, äh, das steht hier nicht. Aber Sie können sich das in Ruhe durchlesen.

Ein bisschen lesen und es stellt sich heraus:
Der Prozess geht davon aus, dass man ein Investoren/Manager-Visum hat. Also hat man einfach den Prozess, ein solches Visum zu bekommen vorn dran gestellt. Macht ja algorithmisch Sinn. Wenn Sie also Manager einer Firma sind, können Sie diesem kombinierten Prozess folgen, um ein Manager-Visum zu bekommen, um damit Manager einer Firma zu werden...

Ein Computer erkennt die Rekursion (daran, dass der Speicher überläuft) und terminiert den Prozess. In meinem Fall terminiere ich also das Gespräch mit einem freundlichen SEGFAULT Lächeln und Bedanken und Verbeugen und gehe.

Unnötig zu erwähnen, dass sich kurz darauf herausstellt, dass das mitnichten der einzige noch der gängigste Weg ist als Ausländer in Japan eine Firma zu gründen.
Aber der algorithmisch schönste!



Die Ämter an sich sind gar nicht mal ineffizient (und obendrauf auch noch höflich), aber überall merkwürdig dezentral. Das musste ich feststellen, als ich meinen Führerschein haben wollte.
1. Akt:
Zum Deutschen Generalkonsulat nach Osaka, um meinen Führerschein übersetzen zu lassen.
Das muss ich natürlich bezahlen, was ich natürlich bei einer anderen Dame tun muss als bei der ersten. Dafür sind beide Damen direkt nebeneinander und sprechen fließend Deutsch.
2. Akt:
Nach Ikoma (das ist die Stadt zwischen Nara und Osaka, wo ich am nähesten dran Wohne) um eine Aufenthalts-Bestätigung zu kriegen. Einfach nur einen Ausweis zu haben reicht halt nicht.
Auch hier reicht ein Schalter allein nicht, also muss ich mehrfach Nummern ziehen.
3. Akt:
Zur JAF, dem Japanischen Pendant des ADAC, für... also das verstehe ich jetzt auch nicht mehr genau. Das Ding ist irgendwo im Süden von Nara, also brauche ich ein paar Stunden bis ich da bin. Es gibt nur einen Schalter, dafür versteht der Mann dahinter nicht so ganz was er tun muss. Oder ich verstehe nicht was er von mir will. Wir reden also noch etwas aneinander vorbei, dann gibt er mir einen Wisch und sagt, dass ich damit zur Führerschein-Zulassungsstelle muss. Der Schein ist bei genauerer Betrachtung wieder nur eine Übersetzung (oder Beglaubigung?) meines Deutschen Führerscheins.
4. Akt:
Die Führerschein-Zulassungsstelle ist so weit in der Pampa draußen, dass man ohne Auto fast nicht hinkommt. Macht irgendwie keinen Sinn, denke ich mir so, als ich die 30 Minuten Fußmarsch vom nähesten Bahnhof zurücklege.
Angekommen werde ich in einen Büro verfrachtet und einem freundlichen Verhör ausgesetzt:
Soso, einen Deutschen Führerschein habe ich also. Wie habe ich den denn so gekriegt? Wie viele Theorie-Stunden waren das denn? Wie lange war jede Stunde? Inhalt? Wo bin ich in den Praxis-Stunden so überall rumgefahren? Und wann? Und wer war dabei? Wie lange war der Test?
Es ist zu diesem Zeitpunkt ziemlich genau 10 Jahre her, dass ich den Führerschein gemacht habe, und dazwischen lagen reichlich Gelegenheiten den Kopf mit wichtigeren Dingen zu füllen, nicht zuletzt Alkohol. Also tue ich was ich immer tue wenn ich keine Ahnung habe. Blöd daherlabern. Lachen Sie nicht! Das hat mir einen Hochschulabschluss beschert!
Zu guter Letzt muss ich noch beim Sehtest vorbei schauen, bezahlen und meinen nagelneuen Führerschein entgegennehmen.

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