Montag, 26. April 2010

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Wir kommen zum Finale:
Berühmt ist die japanische Landschafts- und Tempel-Architektur ja für ihre "Torii"-Tore. Sie haben im Shintoismus religiöse Bedeutung und finden sich daher oft vor Schreinen, in Parks oder auch einfach mal mitten in der Stadt:



Das Torii wird daher auch als allgemeines Symbol für Shinto-Schreine und -Anglagen verwendet (etwa auf Landkarten). Nicht zu verwechseln mit dem Buddhistischen "Manji", das von Touristen immer wieder für ein Hakenkreuz gehalten wird. Dabei ist das (dt.) Hakenkreuz andersherum und schief (45°) und steht nicht für die Ewigkeit (eher so für 12 Jahre, Krieg und Kapitulation - nachweislich das schlechteste Regierungsmodell in der deutschen Geschichte).
Das Manji und Torii sind also die beiden religiösen Symbole hier im Land und - im Gegensatz zu Europa wo schon eine Reformation für Kriege sorgt - koexistieren seit Jahrhunderten Tür an Tür. Manchmal steht tatsächlich ein shintoistisches Gebäude auf buddhistischem Tempel-Grund. Und umgekehrt.
Ein japanisches Wort für Ökumene existiert übrigens nicht.

Unabhängig davon werde ich bei meinen Tempel- und Schrein-Besuchen immer sehr schnell selbst zum Zentrum des Besucher-Interesses. Das glauben sie nicht? Dann setzen sie sich mal mit einem Zeichenblock vor eine Kirche und skizzieren das Bauwerk. Da kann der Priester noch so sehr seinen Weihrauch schwenken...
Das selbe passiert in Parks und Tiergärten - kann mir jemand erklären woran das liegt?

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Und weiter geht es mit Sehenswürdigkeiten:


Hier sehen sie der sehenden Sehenswürdigkeit ins sehende Angesicht, und Füttern es mit Keksen: die zahmen Hirsche im Nara-Park.
(Haben sie sicherheitshalber immer Kekse dabei, sonst versuchen die Hirsche auch ihre gebratenden Nudeln, Skizzenbücher oder japanische Schulmädchen zu verspeisen!)

Dazu muss ich von einem vorangegangenen Blog-Eintrag nachtragen, dass ich wirklich überhaupt gar nichts gehen Sight-Seeing habe. Es ist viel mehr die Ignoranz gegenüber anders-Urlaubenden, die mich auf die Palme bringt.
Besonders meine Ausländer-Fraktion wird mir immer suspekter. Heute bei der Montags-Frage ("Was hast du so gemacht am Wochenende"): ich erzähle von meinem Besuch im Bunraku-Theater. Nachdem ich 20 Minuten lang befragt werde, warum und was denn das besondere an dem Puppen-Spiel gegenüber Marionetten-Shows sei geben sie schließlich zu Protokoll: sie waren hier noch nie in irgendeiner Form von Theater. Das sei langweilig.
SIE waren natürlich SHOPPING!
-_-

Beim Bunraku-Theater sind die die Puppenspieler in schwarzen Gewändern verhüllt, um die Aufmerksamkeit nicht von den Puppen abzulenken. (Nur berühmte Puppenspieler zeigen ihr Gesicht).
Das hat zweierlei Folgen: als ungeübter Zuschauer verpasst man die ersten 20 Minuten des Stücks, weil man sich zu sehr auf die unheimlichen, vermummten Gestalten konzentriert. Dagegen sind Ku-Klux-Klan Mitglieder und Darth Vader hübsche Faschingskostüme.
Und: man freut sich bei jedem Akt darüber, dass einem eine unheimliche vermummte Gestalt im gepressten Sprechgesang über den Fortgang des Stückes aufklärt. Darth Vader singt Kinderlieder mit seinem Ku Klux Klan-Ensemble.

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Ein Eintrag zählt für 3 -
drei Bilder, drei Kurz-Infos, drei kurze Geschichten.
Damit bin ich in meinem Blog-Count wieder auf der Spur!
Es folgt der erste Streich:


Ein Stückchen Landschaft im Nara-Park. Man sitzt am Wasserfall und isst seine gebratenen Nudeln bei schönstem Wetter...

Dazu etwas über Nudeln: in Japan gibt es drei Sorten sehr populärer Nudel(Suppe)n:
Ramen sind eigentlich chinesischen Ursprungs, aber vor allem bei der Jugend sehr beliebt. Dünn und lang und aus Weizenteig ohne Eier. Vergleiche: Spaghetti.
Soba sind das original-japanische Pendant. Sie sind aus Bauchweizen und daher gesund, grünlich und nicht so populär bei der Jugend. Vergleiche Vollkorn-Nudeln.
Udon sind dicke, weiche, weiße Weizennudeln, Ur-Japanisch, eine regionale Spezialität vor allem im Westen Japans. Vergleiche Spätzle.

In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass Mauern strukturelle Ähnlichkeit haben mit Brücken - solange man oben auf der Mauer geht. Diese Erkenntnis erstreckt sich über alle Dinge.
Letztens waren wir mit den neuen Studenten in unserem Labor beim Wilkommens-Party-Abendessen. Nach dem Essen unterhalten wir uns bei Bier und Sake; und einer der Studenten erzählt, was für ein großer Ramen-Fan er ist!
Er will meine Meinung zu Ramen wissen - gespannt wartet er ob meiner Antwort...
Eigentlich will ich ihm erklären, dass Udon den Ramen in jeder Hinsicht überlegen sind, doch ich verwende den Vergleichs-Partikel (~yori) genau verkeht herum... und habe sofort einen neuen Freund, der mich zum Ramen-Essen einläd.
Da gehe ich natürlich gleich mit - erstens ist es mir bis jetzt sprachlich unmöglich meinen Irrtum zu erklären und zweitens schmecken Ramen auch gut...

Dienstag, 20. April 2010

Mehr Bilder, weniger Worte

Hier im Blog hängen schon die Spinnenweben, so selten komme ich nur noch vorbei.
Aber es gibt halt nicht immer eine Ellen-Arm-Meilen-Lange Geschichte zu erzählen.
Oder ich bin zu müde vom Meilen-Arm-Ellen-Marsch um sie zu erzählen.
Daher neue Politik: mehr Photos, weniger Storys!


Wind-Fische in einem Schrein in Osaka (beachten sie die Bänke links zum Größenvergleich.


Kuchen-Imitate vor einer Konditorei. In Japan stehen oft "Speisekarten" aus Plastik vor den Restaurants. Die Suppen sind wirklich unheimlich. Wer das nächste mal eine Suppe in einem schräg stehenden Teller sieht, die NICHT HERAUS LÄUFT, der weiß was ich meine.


Ein einzelnes Haus irgendwo, wo, .. wo bin ich hier überhaupt?


Noch ein Photo von der Treppe in Ikoma mit den Kirschbäumen (siehe letzter Blog-Eintrag).


Das Urban-Ding heißt ja nicht umsonst Osaka! (Oo = groß, saka = "Hügel,Hang")


Stände vor der Osaka-Festung. Oktopus-Bällchen sind in Japan so ein Standard-Volksfest-Essen wie bei uns Zuckerwatte und Gebrannte Mandeln.


Noch mehr Krischblütenpracht. Ich hab früher nie verstanden, wieso die Leute Photos davon machen - ist halt ein blühender Obst-Baum. Jetzt weiß ich, dass die Faszination einfach nicht zu photographieren ist. Es ist wie eingefrorene, dicke Schneeflocken, und wenn der Wind geht, fallen sie wie in Zeitlupe herunter.
Und das ganz ohne Kälte!

Dienstag, 13. April 2010

Tor-ismus

Achtung: Nörgel- und Mecker- Text voraus!
In seinem Buch "Gebrauchsanweisung für Japan" führt der Autor Andreas Neuenkirchen eine starke Argumentation für den in Deutschland/Österreich so verachteten Touristen.
Man solle doch sein Interesse an dem Land wertschätzen anstatt seine mangelnde Individualität und Authentizität zu benörgeln.
Das fand ich durchaus überzeugend - und habe mir mehr Respekt vor dem gemeinen Touristen einreden lassen. Nicht dass das auf Gegenseitigkeit beruhen würde:


Da ich selbst wenig mit Sight-Seeing und Pauschalreisen anfangen kann, stehe ich jede Woche vor demselben Tribunal und der Frage: "Was hast du gemacht, dieses Wochenende?"
Am Anfang habe ich naiv geglaubt, die Frage sei wörtlich gemeint. Ich habe dann erzählt, wie Ausflüge in die Umgebung unternommen habe, über Bambus-überwuchterte Hügel und durch versteckte Täler, über Reisfelder und durch Dörfer. Ich habe erzählt, wie einen alten Mann getroffen habe der, als er erfuhr dass ich Deutscher sei mir ganz begeistert erzählt hat, dass er früher in der Druckerei an einer "Heidelberger" gearbeitet habe, und was für eine "gud maschin" das war. Von meinem Kampf mit den Bankautomaten und wie ich einen teilweise verlandeten Kanal entlang gewandert bin (was immer schwieriger wurde, weil immer weniger Land und immer mehr Wasser im Kanal war).
Diese Geschichten waren dann meist von einem mehr oder minder deutlichen "Also hast du nichts gemacht?" unterbrochen, gefolgt von der Richtigstellung: "welche SEHENSWÜRDIGKEITEN hast du besucht". "Keine." "Ohhhh...".


Wohlgemerkt: es handelt sich nicht um die japanischen Kollegen (da sind die Sprachbarrieren noch viel zu hoch), sondern um die anderen Ausländer. Da werden meine Versuche, Land und Leute kennenzulernen nicht für voll genommen - wenn die Gegend nicht im Reiseführer auftaucht gibt es dort nichts zu sehen. Punkt. Aus. Ende.
Dass es nicht akzeptiert wird, dass das Land nicht nur aus seinen Attraktionen besteht finde ich um so unverständlicher, da die Touristen-Fraktion keine Gelegenheit verpasst mir beste Munition in die Hand zu geben um sie zu demontieren (was ich mir jedes mal verkneife).
Das ist diese Fraktion die zum Mittagessen in der Mensa und im Restaurant meist pseudo-europäische Gerichte bestellt. Sie essen dann ihre Spaghetti mit ihren Stäbchen und schlecht gewürztes, überteuertes Brathändl mit Senf und erzählen mir was man hier so alles sehen kann.

Eine Philippina erzählt, wie sie letztens die Festung in Okasa besucht hat - "aber die war langweilig". Natürlich hat sie trotzdem Photos gemacht - wenn man schon eine langweilige Festung besucht, muss auch langweile Photos machen, sonst gilt der Besuch scheinbar nicht. Sie zeigt uns die langweiligen Bilder auch. Eines interessiert mich dann doch: es zeigt ein Modell einer Brücke (vermutlich in einem der umliegenden Museen) - sehr detailliert und liebevoll gestaltet. Da will ich mehr wissen: was ist die Geschichte dieser Brücke? Hatte sie einmal strategische Bedeutung oder warum haben sie das Modell aufgestellt? Aber das weiß die Dame natürlich nicht - wenn man schon eine langweilige Festung erträgt und eine langweilige Brücke photographiert braucht man nicht auch noch den Text daneben lesen.

Auch bei der näheren Umgebung wird mit feinster Ignoranz geglänzt. Ich erzähle wie sehr mir hier die Bambuswälder gefallen, und das Geräusch das sie machen, wenn der Wind hindurchfährt. Eine andere Frau aus der Touristen-Fraktion fragt mich dann, WO denn "diese Wälder" gewesen wären...
Zur Erklärung: Es ist in dieser Landschaft nicht möglich mehr als 100 Meter gerade aus zu gehen, ohne mitten im Bambus zu stehen. Scheinbar sind 100Meter schon zu weit für Sight-Seeing. Oder zu kurz. Denn für die bevorstehenden Feiertage ist der Flug nach Taiwan schon gebucht. Scheinbar hat man nach 1-2 Jahren schon alles alles alles von Japan gesehen. Alles außer Bambuswäldern oder dem Dorf hinter dem nächsten Hügel.

Den Vogel abgeschossen hat dann aber eine Einladung zum Hana-Mi.
Kurze Erklärung: Hana-Mi ist der japanische Brauch, zur Kirschblüten-Saison ein Picknick im Park zu machen. Es werden Snacks gegessen und Alkohol getrunken und irgendwann stellt sich dann eine typisch japanische Gemütlichkeit unterm Kirschbaum ein. Beachten sie gewisse Parallelen zum Biergartenbesuch.
Ich werde also von den Landes-kundigen Touristen - nicht von den Einheimischen - zum Hana-Mi eingeladen, und sage freudig zu! Doch schon bei den Vorbereitungen wird klar: es wird nichts zu trinken eingepackt. Noch kein Grund zur Panik - ich kann auch ohne Alkohol gemütlich sein. Wir fahren eine knappe Stunde in die Stadt hinein. Detail am Rande: die Züge fahren hier oft nicht unterirdisch, sondern auf Hoch-Terrassen, und bieten damit einen schönen Überblick über die Stadt. Die Touris starren deweil auf ihre Handys. Vielleicht haben sie darauf ja langweile Photos von berühmten Aussichtspunkten. Wir kommen also an, und brauchen eine weitere Halbe stunde, bis sich die Leute auf ein Restaurant geeinigt haben. Es wird also auch nichts zu Essen geben. Dafür gibt es jetzt Bürger aus einer Fast-Food kette. Das Essen wird erstmal photographiert. (Glaubt einem zuhause keiner, dass es hier Hamburger gibt!) Danach wollen sie wieder in den Zug steigen - ich ziehe die Notbremse (im übertragenen Sinn!) und frage wo sie denn eigentlich hin wollen. Die Antwort: etwa 2 Zug-Stunden entfernt gibt es einen ganz tollen Park für Hana-Mi.
Mir wirds zu blöd und ich fahre wieder zurück - was mir allgemein auf mein Stubenhocker-Image angerechnet wird.
Nochmal zur Zusammenfassung: diese Leute fahren insgesamt 3 Stunden mit dem Zug durch die Stadt, um zu einem ganz speziellen Park zu kommen. Dort haben sie nichts gegessen und nichts getrunken, kein Picknick und keine Fest gemacht. Und bezeichnen dass dann als "Hana-Mi"!
Nochmal auf deutsch (bayrisch): Sie sind von Starnberg zum Ostbahnhof gefahren um einen ganz speziellen Biergarten zu sehen, essen auf dem Weg bei McDonalds, trinken nichts und glauben dann typisch bayrische Gemütlichkeit kennen gelernt zu haben.
Und ich bin der Depp.
Naa, iss scho recht!

Zum Abschluss meines "Tourismus stinkt"-Textes noch der Photo-Vergleich. Hier der "musst du gesehen haben!"-Trip zum weltberühmten Festival eines weltberühmten Tempels im weltberühmten Nara, zu dem ich mich habe mitschleifen lassen:

Ahh, in einer halben Stunde gehts los - ich wünschte wir wären näher an den Tempel gekommen...

Ahh! Da ist einer von den Fackel-Trägern! Nein, das Linke!

Jetzt sind wir fast am Tempel! Natürlich ist das Festival schon lange vorbei...
Und nun mein Stubenhocker-Ausflug ist total langweilige da unbekannte Ikoma:

Ich glaube ich habe mich verlaufen - aber wo führt nur diese verschlungene, von Kirschblüten überwuchtere Treppe hin?
Nicht im Bild: ich treffe einen Kanadier, der schon seit Jahren hier wohnt und mich daher vor den heißen Sommern warnt. Ich frage japanische Besucher nach dem Weg (scheinbar ist die Treppe ein Geheimtipp der Anwohner und freue mich, dass mein Lehrbuch mir 10 Wörter für "wunderschön" und kein einziges für "hässlich" begebracht hat (hätte ich hier nicht gebrauchen können). Und: eine Frau mit einem Restaurant für Internationale Spezialitäten bittet mich, bei Zeiten vorbei zu schauen und etwas über die deutsche Küche zu erzählen.

Die Treppe führt zu einem Tempel, der zu allem Überfluss heute auch noch ein kleines Fest hat.
Nicht im Bild: ich esse Oktopus-Bällchen und kaufe Glücksbringer. Wie ich später sehe tragen viele Japaner dieselben Beutelchen an ihren Geldbörsen und Rucksäcken. Ob echte Religiosität dahinter steht oder nur Ästhetik habe ich noch nicht herausfinden können.

Der Tempel liegt wirklich direkt am Mount Ikoma und hat ein weit verzweigtes Netz von Kapellen und Statuen. Es ist also mehr eine Bergwanderung als ein Kirchenbesuch.
Nicht im Bild: ein freundlicher japanischer Herr rettet mein Seelenheil, indem er mich in die Verhaltensregeln beim Tempelbesuch einweiht. (Gleich der Tipp: Räucherstäbchen niemals anpusten, um sie zu entfachen).

Auf Ikoma-yama hätte es auch einen Vergnügungspark gegeben - den haben mir die Touristen empfohlen.
Was bin ich froh, dass ich mich verlaufen habe...

Donnerstag, 8. April 2010

Antischocken

Wenn man zu weit in eine Richtung geht - so wie Theorie der Krümmungen - kommt man irgendwann wieder an eben dem Punkt an, an dem man los gegangen ist.
Das wird natürlich dem Gefühl, weit gereist zu sein überhaupt nicht gerecht, und der Reisende erlebt infolge dessen einen sogenannten "Kultur-Anti-Schock", beginnt begeistert seine Heimatstadt zu photographieren (so etwas hat er wirklich noch nie gesehen) und versteht seine Nachbarn nicht, da sie keine fremde Sprache sprechen.

Doch selbst denen, die rechtzeitig in einem weit entfernten Land stehen bleiben droht das große Anti-Kulturschocken.
Keine Panik: hier ist durchaus fast alles anders als in Europa. Doch einen echten (positiven) Kulturschock zu erleben wäre auch etwas viel erwartet - schließlich habe ich nicht erst Gestern zum ersten mal von Japan gehört. Ich war also (zu) vorbereitet.

Um öfter haut es mich also auf's Maul, wenn die erwarteten Unterschiede ausbleiben. Das ging schon an dem Abend los, als ich hier ankam...

Da brachte mich ein Kollege zum nächstbesten Supermarkt um zumindest das nötigste fürs Tägliche Leben einzukaufen: Seife, Duschgel, Shampoo...
Das ist kein Problem, denn obwohl ich die Marken nicht kenne, ist die Produktgestaltung an Farben und Schriftarten international verständlich. Nur die Verpackung ist komisch: die Flüssigkeiten werden in einer Art Tüte verkauft.
Aber da ich durchaus auf schlimmeres Gefasst war, sind komische Verpackungen jetzt das mindeste, was ich erwarte. Bis der Kollege mich darauf hinweist, dass ich gerade versuche die NACHFÜLL-PACKUNGEN zu den Plastikflaschen am anderen Ende des Regals zu kaufen...
Um mein Gesicht zu wahren verrate ich ihm nicht, dass wir diese Nachfüll-Tüten in Europa auch haben.

Beim ersten Arbeitstag tritt dann ein "Assistant-Professor" an mich heran und will mich fragen, um ich zum Mittagessen mit in die Mensa kommen möchte.
Doch ich verstehe ihn nicht.
Selbst der zweite und dritte Versuch in seiner Sprache bekannte Worte zu finden scheitert.
Dabei weiß ich schon worauf er hinaus will (was soll er sonst um halb eins Vorschlagen wollen?) doch kein Wort in meinem Fremdwortschatz passt auf die Laute seiner Stimme.
Schließlich gibt er auf und sagt schlicht "Lunch?" - und ich sage "Yes."
Erst ein anderer Student (und stiller Beobachter der Szene) klärt mich schließlich auf: der Professor (der eine Zeit lang in Deutschland gelebt hat) hat versucht DEUTSCH mit mir zu reden.
Doch sein starker Akzent kombiniert mit meiner Fixierung auf Japanisch/Englisch hat diesen ehren Versuch der Gastfreundschaft zunichte gemacht.
Die Chance zur Völkerverständigung zerging in einem für alle Beteiligten sehr peinlichen Moment...

Da helfen auch die Reiseführer wirklich nicht weiter. Ganz im Gegenteil.
So zögere ich während einem Fest-Essen (zu ehren zweier Absolventen) den ganzen Abend damit mir selbst Nachzuschenken. (Angeblich tun dies in Japan stets die Sitznachbarn - selbst das Glas zu füllen schließt also die Aussage mit ein, man werde nachlässig behandelt) Daraufhin muss ich am Ende des Abends der Frage ins Gesicht sehen, warum ich als Deutscher so wenig Bier getrunken hätte.
Das Versagen, die Ehre meines Bier-Berühmten Vaterlandes zu verteidigen wäre nicht so schlimm gewesen, wenn mich mein Reiseführer dafür wenigstens davon abgehalten hätte, wie ein Trampel vor dem Anstoßen zum Wohle der Gefeierten alleine mit dem Saufen zu beginnen...
Wenigsten saß ich in einer dunklen Ecke - so blieb mein Affront von den meisten unbemerkt.

Schlimmer wenn man mitten im Mittelpunkt steht. Nachdem ich eine kurze Präsentation gehalten habe, versuche ich Nürnberger Lebkuchen an die Anwesenden zu verteilen. Doch auch der dritte Wink mit dem Zaunpfahl rettet mich nicht und ich steuere ins Verderben. Hätte ich nicht so viel Literatur über Höflichkeitsriten gewälzt hätte ich mir von selbst denken können, dass man auch im - ach-so-hierarchischen und frauenverachtenden Japan eben NICHT mit dem ranghöchsten Professor zu verteilen beginnt, sondern - Ladies first - zuerst den anwesenden Damen anbietet. Auf jede der drei Frauen muss ich also einzeln hingewiesen werden - was für jede folgende Dame natürlich um so peinlicher wird.
(Und natürlich reichen die Lebkuchen auch nicht für alle... ganz großes Kino).

Jetzt aber genug der Peinlichkeiten - zum Abschluss ein paar Bilder über das schöne Gefühl Zuhause zu sein - am anderen Ende der Welt...


Unweit des 7-11 Marktes, wo ich immer mein Geld hole befindet das Cafe "Alpenrose"...


In der Fassade meines Wohnhauses spiegelt sich ein Mosaik von Einstein. Man kann es sogar vom Satelliten aus sehen: (maps.google.co.jp). Rundherum: Antike-/Renaissance-Statuen und eine "Archimedes"-Pumpe.

Dieser fahrende Bäcker verkauft vor dem örtlichen Supermarkt ein Gebäck namens "Burettselu":
Jedes mal wenn ich jedoch danach Frage entschuldigt er sich: die Brezeln seien heute schon gar. Es weist aber jedes mal darauf hin, dass Brezeln besonders lecker seien und er selbst jeden Tag Brezeln esse - worauf hin ich ein Melonen-Brot kaufe.

Wenn ich in München jemals einen Bäcker Melonenbrot verkaufen sehe, erzähle ich ihm diese Geschichte; dass Melonenbrot sehr lecker sei; dann kaufe ich jedoch lieber eine Brezel.