Montag, 31. Dezember 2018

Boss (12)

Inzwischen tut sich was im Angestellten-Register.
Einige Studenten in der Gegend sind auf uns aufmerksam geworden und haben mich eingeladen unser System mal in ihrem Bastler-Club vorzustellen. Also nach Kyoto und mit dem ganzen VR-Geraffel in einen Bus voller Touristen (die Uni ist ausgerechnet in der Nähe des berühmten "Goldenen Pavillons"). Doch es lohnt sich: eine Studentin ist so begeistert, dass sie gleich ein Praktikum machen und bei der Entwicklung mithelfen will.
Das trifft sich zeitlich gut, weil ich bei einem anderen Bastler-Meeting gerade erst einen Programmierer kennen gelernt habe der auch in seiner Freizeit ein bißchen mithelfen will. So kann ich die Einführung gleich für beide Gleichzeitig machen.

Also: Vertrag aufgesetzt, Stempel drauf gedrückt.
Schon lustig - es ist nicht so lange her als ich Praktika gemacht habe und Sachen erklärt bekommen habe, jetzt sitze ich auf der anderen Seite des Tisches. Und natürlich werde ich alles besser machen als die Praktika, die ich selbst bekommen habe. Dachte ich. Da hatte ich noch den Luxus des "von der Realität ungestörten Denkens".


Dann kriege ich eine Email von einem alten Freund der Familie. Er ist ein echter Unternehmer - okay, jetzt muss ich wohl sagen: "er ist auch Unternehmer", aber seine Firma gibt es schon etwa so lange wie mich. Also: mich selbst, nicht meine Firma. Er ist also also ein echtes Vorbild.
Er arbeitet gerade daran eine Zweigstelle in Japan aufzubauen und hat dafür gerade den richtigen Mann gefunden: einen noch-Studenten-bald-Absolventen, einen Japaner der sich mit der Technik auskennt und auch begeistert ist die Japanische Zweigstelle eines Deutsches Unternehmens sein zu können.
Da gibt es nur ein Problem: die Zweigstelle gibt es bisher erst in den Köpfen aller beteiligten, nicht auf dem Papier und noch nicht auf dem Amt. Und jetzt soll der Japaner erstmal zur Weiterbildung nach Deutschland fliegen. Wie soll sich dass denn buchhaltungstechnisch ausgehen?
Naja, ich haette da ja eine Firma, die ganz ganz legal Leute einstellen...
Erstmal Beratung beim Anwalt geholt.
Darf ich ihn den Einstellen wenn er nicht mal in Osaka lebt? Klar, schreiben wir halt "arbeitet von Zuhause" in den Vertrag.
Und der Deutschland-Aufenthalt? Kommt auch mit in den Vertrag, kein Problem.
Und dass er gar nicht an unserem Produkt mitarbeiten wird? Naja, "IT-Dienstleistungen" sind unser Business. Er kann also ohne Probleme als "Berater" bei einem anderen Unternehmen aushelfen.
Mir kommt das gerade recht: je mehr Angestellte und je mehr Aufträge meine Firma hat, desto einfacher sollte es werden später ein ein "Manager"-Visum zu bekommen.

Also: Vertrag aufgesetzt, Stempel drauf gedrückt. (Langsam habe ich da Routine).
So wird mein erster Vollzeit-Angestellter ein Mann den ich gar nicht kenne. Ein Mann dessen Arbeit ich nicht sehe, nichtmal verstehen würde. Ein Mann den ich nie selbst treffen werde. Ein Japaner der in meiner Heimatstadt sein wird während ich versuche in Japan die Firma aufzubauen, bei der er offiziell angestellt ist. Eine Firma deren Büro er nie betreten wird.
Meine Situation wird echt immer verrückter.


Die nächste Email die ich kriege ist auch eine Überraschung - aber keine sehr nette.
Es ist die Investorin. Genau genommen ist es eine Antwort-Email. Eine Antwort auf eine Email die ich nie gesehen habe. Eine Email die unser Buchhalter ihr geschickt hat - hinter meinem Rücken.
Wie erwähnt hatten wir uns um Subventionen beworben.
Nun, damit sind wir gescheitert.
Das war soweit vorhersehbar, aber wie wir gescheitert sind war dann doch problematisch.
Als ich die Unterlagen am Amt aufgeben wollte wurden die schnell einmal auf Vollständigkeit und Korrektheit unüberprüft.
Sie waren: weder noch.
Also bin ich mit dem Fahrrad quer durch Osaka gerast um zwischen Office, dem Buchhalter, und dem Amt noch schnell eine korrigierte Version abgeben zu können. Am Ende saßen der Buchhalter und ich im Wartezimmer des Amtes wie Eltern im Krankenhaus. Der Beamte hat jetzt Zeit sich ihr Kind anzusehen. Ja, klarer Fall von "ist tot". Die Bewerbung war so grundlegend Falsch dass er uns da auch nicht helfen konnte. Und ich dachte der Buchhalter kennt sich mit sowas aus. Aber manche von den Fehlern waren sogar für mich offensichtlich. Naja, kann man nichts machen.
Jetzt aber sehe ich in der Antwort-Email der Investorin, dass er ihr die Story schon erzählt hat. Warum hat er mich da nicht in den CC gesetzt? Könnte damit zusammenhängen wie er unser Scheitern erklärt. "Mangel an Führung und überhaupt keine klare Vision für die Zukunft.". Das sei in der Firma überhaupt so ein Problem.
Kurz gesagt: ich soll schuld sein. Ach ja? Eine Skype-Aussprache später (in der er wenig Einsicht zeigt, dafür um so mehr zusammenhangslose Kritik an mir hervorblubbern lässt) ist klar: wir werden wohl getrennte Wege gehen. Also er geht. Ich gehe in den Keller der Buchhaltung und muss mir irgendwie beibringen zu verstehen was er da noch so an Zeug vergraben hat...


Freitag, 30. November 2018

Boss (11)

Was Leute dazu bringt in Start-Ups investieren ist mir immer noch nicht klar. Aber zumindest haben wir ja jetzt jemanden, nachdem uns A██s Berater-Team ja zuvor wieder rausgeschmissen hat.
A██ selbst hat nichtmal die Entscheidung getroffen. Seine Motivation scheint weniger die Geldanlage zu sein, als der Versuch Japan in ein Start-Up-Land zu verwandeln. Da hat er einiges vor sich, und gibt dazu auch vor allem Vorträgen und Coachings (also Beratung von angehenden Unternehmern).
Als er gerade mal wieder in Osaka ist, bekomme ich auch mal wieder die Chance mit ihm zu reden.
Er erklärt seine Verwunderung über die Entscheidung seiner Handlanger, zumal die stattdessen in ein anderes Venture investiert haben das er für weniger potent empfindet.
Aber was solls, jetzt habe ich ja einen Investor, und vielleicht kann er wenigstens ein paar Tips geben.
Also hört er sich an was in letzter Zeit so passiert und schaut sich auch das Produkt zum ersten mal selbst an.
Dafür dass er meinen Pitch schon zig mal gehört hat scheint er nun endlich zu verstehen was wir eigentlich machen (ich scheine wirklich miserabel im Erklären zu sein).
Er nennt ein paar Ideen wo das bestimmt auch ein hilfreiches Tool sein könnte. Wird dankbar notiert.
"Und wieviel wolltet ihr dafür nochmal?"
Er meint den Betrag den wir von Investoren wollten.
"Hunderttausend, für 10% Anteil"
Es sind seine Zahlen die er vor Monaten vorgeschlagen hat, nicht meine.
Er streckt mir die Hand entgegen.
Aus bloßem Reflex (!) erwidere ich die Geste.
"Done!" grinst er mich an.
Sein Händedruck ist fest und... MOMENT MAL?!?!?!
Er packt seine Sachen und macht sich ans gehen.
Habe ich eben Hunderttausend in die Hand gedrückt bekommen?
Ich habe eben Hunderttausend in die Hand gedrückt bekommen.




Jetzt müssen sich seine Handlanger wieder mit mir Beschäftigen, was ein bißchen peinlich ist.
Mir wird erstmal erklärt dass ich meine Firma um-gründen muss.
Aus einer "GK" (Japanisches Äquivalent zur GmbH) kann man keine Aktien ausgeben.
Also muss aus der "GK" eine "KK" (Aktiengesellschaft) werden.
Ich kontaktiere meinen Anwalt.
Damit ist das auf den Weg gebracht und ich kann mich auf die Entwicklung konzentrieren.
Oh, und auf meinen Doktortitel. Da war ja noch was.
Ich fetze schnell einen ersten Entwurf zusammen und schicke ihn an meine Professoren.
Es ist nie gut wenn der erste Entwurf perfekt ist. Professoren müssen IMMER irgendwas kritisieren.
Besser sie kritisieren etwas dass man eh noch ändern wollte, als eine fertige Arbeit nochmal umschreiben zu müssen.
Doch die Kritik bleibt aus.
Das ist erstmals nicht schlecht - so bleibt mehr Zeit zum Arbeiten.
Aber der Abgabetermin rückt langsam näher.
Haben die überhaupt gelesen was ich geschickt habe?

Ein paar Wochen vor der Deadline schicke ich dann eine "finale" Version. "Zwinker zwinker"!
Keinen Tag zu früh. "Final" ist ein Wort das Professoren hassen.  Der Professor entscheidet was "final" ist, und solange auch noch nur eine Minute vor der Abgabe Zeit ist muss da noch was verbessert werden.
Also ackere ich durch meine To-Do-Liste.
Mittlerweile habe ich es im Studentenwohnheim nicht mehr ausgehalten und bin nach Osaka gezogen. Das macht jedes Meeting extrem umständlich. Aber ich tippe einfach die geforderten Veränderungen im Zug zur Uni... und dann wieder die neuen Verbesserungswünsche im Zug weg von der Uni.
Ein letztes Mal noch die kleine Weltreise: Abgabe! Mann bin ich froh das Ding im Kasten zu haben.




Oh, vom Anwalt habe ich schon lange nichts mehr gehört.
Mal nachfragen.
"Achso, dass, aeh, ja, richtig, da mache ich mich bald dran".
ER HAT NOCH NICHTMAL ANGEFANGEN?!
Jetzt stecke ich richtig im Schlamassel. Bis zu meinem Abschluß ist nicht mehr genug Zeit den Papierkram zu machen.
Ohne KK kein Investment.
Ohne Investment kein Visum.
Ohne Visum kann ich die Firma in Japan nicht weiterführen.
Ohne Firma in Japan kein Investment, ohne Ersparnisse auch keine neue Firma mehr.
Aus der Traum.
...
Naja, so kann ich ja den kleinen Rest Firmengeld in Japan noch verprassen bevor ich abgeschoben werde - so habe ich wenigstens noch etwas von meiner Zeit hier gehabt. Muss einiges an Freizeit nachholen.
Bis wann habe ich denn noch auf dem Visum?
Drei Monate?
Achja, ich habe ja den "Vorgezogener Abschluss" Joker gezogen: nicht nur dass ich ein halbes Jahr zu schnell mit dem Master fertig war, ich wollte auch drei Monate schneller mit dem PhD fertig sein.
Ich kriege sogar einen Rueckflug nach Deutschland spendiert - den aber jetzt (zum Abschluss) und nicht erst in drei Monaten.
Mhmm... da kommt mir so eine Idee...
Dann... dann hätte ich ja noch drei Monate... um das Investment an Land zu ziehen...
Mit Studenten-Visum ohne Studium zurück ins Land schleichen, als Vollzeit-Geschäftsführer die Firma leiten ohne Vollzeit-Arbeitserlaubnis, schnell das Geld einsacken, dann Visum ändern bevor jemand was merkt.
Riskant... sehr riskant...
Google: Flüge, Deutschland → Japan


Mittwoch, 31. Oktober 2018

Boss (10)

Natürlich würde dass nicht so einfach werden das Geld zu kriegen.
Unsere frischgebackene Investorin scheint dann doch zögerlicher.
Das ist schlecht denn die Verkaufszahlen wachsen deutlich langsamer als gehofft. So machen wir keinen guten Eindruck.
Sie schlägt vor dass wir uns mal für öffentliche Gelder bewerben - sie kennt da so ein Subventionsprogramm der Stadt Osaka. Eigentlich ist mir das gar nicht recht dass ich jetzt auch noch Staatliche Hilfeleistungen in Anspruch nehmen soll, aber nein sagen ist gerade schwierig. Und, hey, die großen Konzerne kriegen auch Subventionen und Steuererleichterungen.


Das Problem ist nur dass der Bewerbungsprozess 100% auf Japanisch und extrem kompliziert ist.
Nein, das ist noch nicht dass Problem - wir haben ja jetzt einen Buchhalter der sich mit solchen Dingen auskennt en sollte. Das Problem ist der Buchhalter.
Der verhält sich in letzter Zeit verdächtig. Scheint mich überreden zu wollen dass ich einen Kredit aufnehme.
Das habe ich immer abgelehnt. Wenn ich alles verliere was ich besitze, dann ist das Okay. Dann fange ich halt wieder bei Null an. Bei einer schwarzen Null. Aber Schulden machen? Nein. "Gar nichts" sollte immer die untere Grenze meines Reichtums sein.
"Aber Geld von Investoren anzunehmen ist doch auch eine Art von Schulden aufnehmen", schreibt er mir im Team-Chat.
"Nein, dass ist dann ja Eigenkapital der Firma", schreibe ich zurück.

"Eigenkapital sind auch Fremdkapital (also Schulden)"
Was? Also so viel verstehe dann sogar ich über Geschäftsfinanzen, dass ich weiss dass das nicht stimmen kann.
"Und wenn du Investoren Aktien gibts, dann würde das Geld ja als Schenkung an dich gewertet und hoch besteuert!"
Moment! Wenn Investoren investieren, dann ist das Geld Eigentum der Firma und nicht mein privates Vermögen. Dafür werden Aktien ja extra ausgegeben.
Das sieht er anders.
Also entweder hat er keine Ahnung, oder er lügt mich an um mich dazu zu überreden einen Kredit aufzunehmen. Beides ist unakzeptabel.


Das wars. Aus. Ist vorbei. Ich kann der einzigen Person die versteht wie der Papierkram funktioniert nicht vertrauen. Und wer weiss was der sonst noch alles für Leichen in unserer Buchführung vergraben hat.
Ich stehe vom Rechner auf und lege mich auf mein Bett.
Es ist aus. Ich kann das nicht weiter machen.
Ein schöner Frühlingstag. Mitte Mai. Warm und sonnig.
Vorbei. Es ist vorbei.
Die Wolken aus Blei stürzen aus dem Himmel und geben den Blick frei auf den Horizont.
Es ist vorbei - und ich habe noch ein paar Monate Zeit in Japan!
Ich kann reisen! Ich kann ausgehen! Ich kann faul sein (abgesehen von der Doktorarbeit)!
Versagen hat sich noch nie so gut angefühlt.
Ich hab's vergeigt. Gottseidank!

Gleich am nächsten Tag treffe ich unsere Möchtegern-Investorin. Nachdem sie sich schon so geziert hat mir ihr Geld anzuvertrauen ist sie bestimmt froh zu hören, dass ich es gar nicht mehr will.
Dachte ich - so sieht sie aber gar nicht aus.
Vielleicht stelle ich mich auch nicht gut genug an die Aussichtslosigkeit der Lage zu schildern.
Sie fragt was ich machen werde.
Heim gehen, Arbeit suchen.
Und mein Traum mein Projekt weiter zu treiben und meine eigene Firma zu Leiten?
Ich kanns ja später nochmal probieren.
Später? Nachdem ich jetzt schon Unterstützer und Investoren gefunden habe? So weit wie jetzt komme ich so schnell nicht wieder.
Da hat sie recht.
Warum dann jetzt aufgeben?
Weil ich auf die Null zugehe - finanziell und nervlich. Ich werde mir nicht den Rest meines Lebens ruinieren für eine fixe Idee.
Dass sieht sie ein. Aber die Null ist ja ein ein Stückchen entfernt.
Ja, aber...
...
"Na, dann gehen Sie erstmal zu einem Tempel und meditieren - das reinigt den Kopf. Und in der Zwischenzeit arbeiten wir mal weiter darauf hin Subvention und Investment auf den Weg zu bringen".
...
Hat mich die Frau gerade wieder dazu überredet ihr Geld zu nehmen?


Samstag, 29. September 2018

Boss (9)

Also Team-Mitglieder suchen. An der eigenen Uni? Das ist vorher schonmal schlecht ausgegangen. Bei Start-Up Treffen? War auch nix: Begeisterung ja, Durchhaltevermögen nein.
Aber hey, dafür gibt's ja das Internet! Start-up-Mitglieder- Partnerbörse!
Ich brauche einen Marketing-Typen der weiß wie man meine Software verkaufen kann!
Finde auch gleich einen der einen guten Eindruck macht. Der sitzt zwar in Tokyo, aber das ist kein Problem. Der "Bär" hat mich nämlich nach Tokyo eingeladen! Ich soll da einen Vortrag halten. So ein freundlicher Bär!
In einem Café treffe ich ihn (den Marketing-Jungen, nicht den Bären). Wir verstehen uns auf Anhieb. Willkommen an Bord! Ich muss dann auch weiter, den Bären glücklich machen.


Zweites Problem: ich brauche Geld!
Der Ideale Event um Investoren zu finden ist auch schon im Kalender: einmal im Jahr findet in Osaka ein großer Start-Up Event statt, mit Pitch-Contest. "Pitch", so nennt man wenn man versucht in möglichst kurzer Zeit seine Geschäftsidee reichen Investoren vorzustellen. Weil: die können es sich leisten eine Aufmerksamkeitsspanne wie ein 5-Jähriger zu haben.
Ich trete also an gegen Leute die eine echte Firma haben, so mit Angestellten und Gewinn.
Trotzdem gewinne ich den dritten Preis. Wahrscheinlich weil ich der einzige Bewerber aus Osaka bin. Der Lokalpatriotismus mach auch vor meinem kaukasischen Erscheinungsbild nicht halt. Ich gewinne: ein Flugticket nach überallhin. Solange es außerhalb Japans ist. Mir gefällt der Unterton nicht, dass ich das Ticket doch bitte verwenden möge um Japan zu verlassen.
Aber viel Zeit darüber zu grübeln habe ich eh nicht. Neben der Bühne stehen schon Leute Schlange die meine Bekanntschaft machen wollen. "Bekanntschaft" ist etwas übertrieben, sie wollen mal Visitenkarten austauschen, oft ohne konkreten Plan worüber wir je reden sollten. Banker mit einem vagen Gedanken von "wenn ihr mal euren Eintritt in den Aktienmarkt macht, da haben wir tolle Dienstleistungen". Krönender Abschluß ist eine Dame von D█████ - Schwerindustrie. Viel weiter kann man kaum daneben liegen. Echte Venture-Investoren sind nicht dabei. Dieses "in-Startups-investieren" ist in Japan irgendwie noch nicht so richtig angekommen.

Aber einen Kontakt habe ich ja noch: A██. (Alle anderen Investoren die ich kenne haben schon aufgehört auf meine E-Mails zu antworten). Natürlich ist er Amerikaner, wie sollte es auch sonst sein. Im Gespräch erzählt er, dass er gerade erst einen Erfolgreichen "Exit" hatte. So nennt man das wenn StartUps erfolgreich sind, von Mega-Konzernen aufgekauft werden und die Investoren dann reich sind. Also noch reicher. Und jetzt sucht er wieder nach neuen Start-Ups zum investieren. Da bin ich doch dabei! Er delegiert mich an seine Handlanger damit wir bald einen privaten Pitch machen können.



Der Handlanger erklärt mir kurz den Prozeß, und sagt mir dass ich auf jeden Fall einen Buchhalter brauche. Trifft sich gut, weil: es ist bald Zeit die Steuer zu machen. Meine Versuche selbst zu verstehen wie man in Japan auf Japanisch Unternehmenssteuern zu fertigen hat sind gescheitert.
Also wieder ins Internet. Da findet sich auch wieder gleich jemand. Scheint ein recht netter Kerl zu sein, und Dankbarerweise will er erstmal weder Geld noch Arbeitsvertrag weil er noch bei einer anderen Firma arbeitet.
Also auch das Abgehakt, und der Tag des Pitches ist da. Mein neuer Marketing Manager wird extra aus Tokyo eingeflogen, ein neuer high-end Laptop für eine Live-Demo gekauft. Wir sind bereit!

A███ selbst ist nicht da. Nur sein Investment-Team. Und davon zwei auch nur über Skype.
Wir erklären also was wir vorhaben und wie wir uns die Zukunft so vorstellen.
Danke, sie werden darüber beraten.
Bis zum Abend.
Dann kommt die Email: nee, also sie glauben nicht dass das was wird.
...Fuck.

Das heißt dass ich wohl aus Japan abgeschoben werde. Die Voraussetzung hier als Unternehmer ein Visum zu kriegen sind mindestens 50.000$ Stammkapital. Selbst wenn ich all meine Ersparnisse zusammenkratze packe ich das nicht. Soll ich die Firma auflösen und woanders neu gründen?
Als letzten Strohhalm nochmal alle Kontakte abgeklappert. Sogar die Dame von D████ Schwerindustrie. Die ist immerhin bereit mal mit uns Essen zu gehen. Ich habe kein Geld und keine Zeit mit Damen aus der Schwerindustrie zu dinieren. Aber ich gehe trotzdem. Und, es gibt.. Smalltalk, ... yay! Ich will nur noch Heim.
Sie erzählt von ihrer Arbeit. Ich gebe mein bestes der Unterhaltung (natürlich Japanisch) zu folgen, aber als sie kurz auf Toilette ist muss ich doch kurz den Buchhalter fragen.
"Hat sie gesagt dass sie die "Yome" des Geschäftsführers ist?"
"Ja, genau."
"... heißt "yome" nicht eigentlich Braut oder Ehefrau?"
"Ja, dass ist es was sie meinte."
... ist das jetzt gut dass sie so nah an dem hohen Tier dran ist oder schlecht dass sie selbst in der Firma wohl nicht die Karriereleiter geklettert ist?
Sie kommt zurück und irgendwann kommt das Gespräch dann doch auf die Firma und meine Situation. Dass ich nicht das Geld habe auch nur in Japan zu bleiben.
"Na das kriegen wir schon hin." sagt sie.
Ich bin da nicht so positiv das "wir" irgendwas hinkriegen.
"Viel zu sagen habe ich in der Firma ja nicht, aber was ich kann das kann ich!" sagt sie.
Ja toll, kann's kaum erwarten dass sie in einem Schwerindustrie-Konzern Werbung für mich macht.
Der Buchhalter merkt dass ich auf dem Japanischen Schlauch stehe.
"Sie meint, dass das sie dir notfalls selbst das Geld gibt damit du in Japan bleiben und die Firma weiter betreiben kannst."
Was? Ich schaue sie ungläubig an.
"Ja", sagt sie, als sie dann auch merkt dass man bei mir etwas deutlicher werden muß.
... was...?
... wie...?
... warum...?
Aber hey, Fragen machen nur den Moment kaputt! Da trinken wir lieber noch einen! Kampai!


Donnerstag, 30. August 2018

Boss (8)

Der Verkauf ging schleppend los... und blieb dann auch schleppend liegen. Das hab ich mir irgendwie einfacher vorgestellt mit dem Software verkaufen.
Das Jahresende rückt näher und ich fliege erstmal Heim zur Familie: Weihnachten...



Erster Weihnachtsfeiertag. Ich sitze im Keller mit meinen Kumpels - wie jedes Jahr zu Weihnachten.
Natürlich wird das Status-Update eingefordert. Ich war ja blöd genug auf Facebook bekannt zu geben dass ich eine Firma gegründet habe.
Wieviel verdienst du denn jetzt so damit?
Es tut weh antworten zu müssen. Vielleicht so 100~200 Euro im Monat...
Er guckt mich etwas despektierlich an.
"... davon kann man aber nicht leben."
Nee, kann man nicht.
Meine Freunde haben ihre Ingenieurs-Studiengänge längst abgeschlossen und beschäftigen sich jetzt mit Fragen wie: welche Couch passt am besten ins neue Wohnzimmer.
Ich bin Student mit einer im-Scheitern-begriffenen Firma. Ich habe kein Wohnzimmer, nur ein Wohnheims-Zimmer. Kein Platz für eine Couch zu haben kaschiert das Problem sich keine Couch leisten zu können.
Denken wir nicht drüber nach. Machen wir ein Bier auf und zocken ein paar Computerspiele.
Eine Email flattert herein - jemand hat gekauft.
Naja, auch nur 17 Euro...
Dann noch einer.
Noch einer.
Was ist denn los? Ist es plötzlich Weihnachten? Achja, es ist ja tatsächlich Weihnachten... sacht wie Schnee rieselt Geld auf mein Konto...

Ich erlebe zum ersten mal die Zweischneidigkeit des Unternehmers:
Auch wenn du noch so hart arbeitest, eine Bezahlung ist nicht garantiert am ende des Tages.
Andererseits kann es auch sein dass man bezahlt wird wenn man gerade gar nicht arbeitet, sondern im Keller hockt und mit seinem Kumpels Bier trinkt und Games zockt.



Ueber das folgende Jahr werde ich daran jeden monat erinnert werden, wenn am 25. PayPal mir in schneller abfolge mehrere Emails schickt - und sie zahlen immer noch.


Und weiter jetzt?
Ich treffe einen alten bekannten der in der Filmindustrie arbeitet und zeige ihm mein momentanes Produkt.
Er ist recht beeindruckt. Auch wenn das fuer ihn noch etwas jenseits des Horizontes liegt, das kommt bestimmt!
Ich sollte da von ein paar reichen Leuten Investitions-Geld annehmen und das gescheit vorantreiben.
Skype call mit einem Business Mentor. Etwa 100k fuer 10% der Firma sind ueblich in Startup kreisen.
Ich frage mich wer so bescheuert sein koennte zu glauben, dass 10% der Firma 100k wert sein könnte. Dass hieße ja die ganze Firma ist ne Million wert?!
Ich setze mich mal an Excel. Bei den momentanen Verkaufszahlen... extrapoliert auf das Marktwachstum (VR ist ja im kommen)...
Hey das könnte sogar klappen! Muss nur ein bisschen mehr Zeit überbrücken als ich selbst Geld auf dem Konto habe.
Ich gehe also etwas tiefer und stecke mir das als ziel: 50k für 10%! Das sollte es wert sein!

Ich bin voller Begeisterung fuer 2017: die verkaufszahlen steigen langsam, und vielleicht... ja...
Auf auf, zurück nach Japan, Studium abschließen und Investoren angeln!

FinAir's finnisches Airplain Bier - macht Mut!

Dienstag, 31. Juli 2018

Boss (7)

Wie im letzten Eintrag geschrieben lag meine Software für die ersten Monate kostenlos auf dem Server zum Download bereit. Der erste Grund war, dass ich erstmal den Markt testen wollte. Der zweite Grund war dass der erste Grund eine schlechte Ausrede dafür war dass ich keine Ahnung hatte. Wie setzt man denn ein Bezahl-System im Internet auf? Lass ich Leute ihre Kreditkartennummer eintippen? Wenn ja, was mache ich mit der Nummer? Und was wenn mein Server gehackt wird? Mit dem ganzen Papierkram und - achja ich muss ja auch noch ein Studium fertig kriegen - da habe ich keine Zeit fuer solche Dinge. Solange die Download-Zahlen gut sind und ich positive Kommentare kriege bin ich auf dem richtigen Weg.
Dann bekomme ich eine Email - von A████.
A████ ist die Firma die die Software Entwickelt auf der meine Software aufbaut.
"Firma" ist nicht das richtige Wort... "Konglomerat"...? "Mega-Konzern"...? ... "Imperium"!
Ja, das Imperium schreibt mir. Sie wollen mit mir sprechen.
Ich bin entweder reich oder tot.

Aus der Gründungsgeschichte von Microsoft gibt es die Anekdote über ihr Verhältnis zu IBM.
IBM war damals der Quasi-Monopolist in Computertechnik - außer PCs halt - und Microsofts Betriebssystem lief eben auf deren neuen PCs.
IBM hätte das Betriebssystem auch selbst entwickeln können. Haben sie aber nicht. Das haben sie Microsoft überlassen.
Für Microsoft war IBM "der Bär".
"Du musst den Bären reiten! Wenn du nicht auf dem Rücken des Bären sitzt, wirst du vom Bären gefressen."

A████ ist mein Bär.
Reite den Bären! Bloß nicht fressen lassen!

Runde 1...




Ich sitze in einem der vielen Büro-Hochhäuser von Osaka drei freundlichen be-anzugten Japanern gegenüber.
Die zeigen sich beeindruckt von meiner Software und fragen allerhand - über meine Firmengründung, mein Studium und vor allem was ich so in der Zukunft vorhabe.
... ähhh... Geld verdienen?
Soso, nicht schlecht. Und wann?
... ähhh... so. ab. nnnächsten Monat... vielleicht?
Ja, prima! Da werden sie mich doch mal in ihrem Online-Video-Channel erwähnen, damit ich etwas mehr Bekanntheit erlange. Außerdem, habe ich im Januar Zeit? Da soll ich einen Vortrag halten.
... ähhh... ja klar!
So ein freundlicher Bär...

Zeit ein Preisschild an meine Software zu pappen!


Zu dieser Zeit habe ich die Versionsnummer schon bis 1.4.6 gezählt.
(v1.0.0 war die Version die ich zum ersten mal auf einer Konferenz live vorgeführt habe - die erste Version die ich ins Internet gestellt habe war 1.3.0).
Also: für die große Dramatik wage ich den Sprung auf...  v1.5!
Nein, zu diesem Zeitpunkt verstehe ich noch nicht viel von Marketing.
Jedenfalls Entscheide ich mich PayPal als Bezahl-System aufzusetzen und lege einen Preis von 2,000 Yen (etwa 15 EUR) pro Monat fest, weil ich denke: wenn auch nur 10% von den 1000 Downloadern mir jeden Monat 15EUR zahlen, dann ist das etwa so viel wie mein Stipendium, und davon weiß ich das ich irgendwie leben kann.


Die technische Seite ist bald aufgesetzt: alles voll automatisiert! Die Leute drücken einen Knopf und PayPal tauscht ihr Geld gegen einen Lizenz-Schlüssel, der jeden Monat automatisch erneuert wird, bis sie ihr Abonnement kündigen.
Ich habe Bauchschmerzen. Was wenn irgendwas nicht klappt? Immerhin ist das echtes Geld.
Einer meiner User kontaktiert mich - ein Brasilianer der ein echter Fan geworden ist.
Ich verabrede mit ihm dass er der erste Kunde wird und mir sofort Bescheid sagt wenn etwas nicht klappt. (Natürlich habe ich erstmal selbst von meinem eigen privaten PayPal Account getestet - war also schon selbst mein erster Kunde - aber das zählt nicht).
Der Tag kommt - alles klappt! Das Geld erscheint auf meinem PayPal Konto und er hat als erster eine Version von der neuen v1.5!
Es ist das erste Geld dass ich mit meiner Software einnehme.
2,000 Yen.
Wenn man die Jahre der Entwicklung, der Wochenend-Extra-Stunden, der Tage des Papiere Ausfüllens rechnet...
Oh - und natürlich habe ich einiges ausgeben müssen für Gerätschaft, Anwälte, usw.
.... ja das war echt ein schlechtes Geschäft.
Aber von jetzt an geht's steil Bergauf!
... dachte ich...


Freitag, 29. Juni 2018

Boss (6)

Keine echte Firma ohne echten Papierkrieg. Die dicken Umschläge mit den vielen Registrierungsformularen lassen nicht lange auf sich warten.
Ich habe keine Ahnung was ich da tue. Nicht nur ist mir der Vorgang komplett unbekannt, die beiliegenden Erklärungsbücher (ja: Bücher!) sind in schönstem Beamten-Japanisch.
Gottseidank bin ich in ein Shared-Office gegangen und kann Leute fragen die das schonmal gemacht haben.
Irgendwie kriege ich die Dinger ausgefüllt und abgeschickt. Ich sehe mich schon in Handschellen für irgendwelche versehentlichen Betrügereien.
Dauert auch nicht lange bevor ein wütender Schrieb von der Steuerbehörde kommt.
Steuern? Ist doch noch gar nicht März? Und "Vom Gehalt abzuführende Einkommensteuer"? Für welche Angestellten?
Ich entscheide einfach mal aufs Steueramt zu fahren.
Ich halte das fuer die dümmste Idee die ich je hatte. Als würde sich da jemand vom Amt mit mir hinsetzen und mir das erklären.
Zu meiner Überraschung setzt sich jemand vom Amt mit mir hin und erklärt mir das:
Ich muß jeden Monat angeben wieviel Gehalt ich meinen Angestellten gezahlt habe und das sofort abführen.
Aber ich habe keine Angestellten.
Für mich als Geschäftsführer gilt dasselbe.
Aber ich zahle mir selbst kein Gehalt.
Dann schreibt man da 0 Yen rein. Das macht dann 0 Yen Steuern, zu zahlen per Banküberweisung oder an der Kasse.
Steve Jobs hat ja bekannterweise für einen Dollar Gehalt gearbeitet. Wieviel Cent Steuern das wohl waren?
Also habe ich ein neues Hobby: jeden Monat gehe ich zum Steueramt, mache ein paar Kringel auf Papier, zahle nix, gehe wieder.
Hoffentlich werde ich mir bald mal echtes Geld zahlen, und bis dahin lernen wie man den Steuersatz berechnet.

In diesem Photo: die Firmenzentralen von etwa zehn verschiedenen Firmen (genaue Zahl unbekannt).


Aber dafür muß ich erst ein Firmenkonto auf der Bank eröffnen, damit da bald das Geld herein prasseln kann!
Also zu Mitsubishi gehatscht. Ja, Mitsubishi ist hier auch eine Bank - vielleicht sogar die größte.
Ich lege der Dame meine Gesammelten Unterlagen auf den Tresen und lächle.
Sie beäugt mich skeptisch. Firmenkonto? Ja, Firmenkonto, bitte.
Sie beäugt meine Ausländer-Registrierung. Student? Ja, Student, leider. Aber ich darf arbeiten - steht auf der Rückseite! 28 Stunden die Woche.
Einen Moment bitte. Sie verschwindet kurz, kommt wieder. Da kann sie mir leider nicht helfen. Studenten können kein Firmenkonto eröffnen.
Aber... ich habe eine Firma! Schauen sie mal! Papiere! Firma!
Ahh, soso. Sie tut so als würde sie irgendwas recherchieren. Ja, tut ihr Leid, da kann sie nichts machen.
Ich packe meinen Papierwust wieder in mein Köfferchen und wanke zurück ins Büro.
Dort merken die Leute dass das wohl nicht so gelaufen ist wie geplant.
Ich klage mein Leid.
"In letzter Zeit sind Banken sehr vorsichtig geworden Firmenkonten heraus zu geben - selbst gegenüber Japanern." Da gab es scheinbar ein paar Mißbrauchsfälle.
Also was tun?
"Einfach bei 'ner anderen Bank probieren. So lange bis eine Ja sagt".
Die zweite Bank sagt auch Nein.
Die dritte Bank sagt auch Nein.
Mir fällt ein, dass ich mich statt mit meiner Ausländer-Registrierungs-Karte auch mir meinem Führerschein ausweisen könnte. Da steht mein Visums-Status nicht drauf!
Die vierte Bank sagt trotzdem Nein. Keine Erklärung warum.
Die fünfte Bank sagt Ja. Keine Erklärung warum.

In diesem Photo: vier CEO's - die Anderen sind damit schon lange nicht mehr zu beeindrucken.

So lange sich das hinzieht liegt die Beta-Version meiner Software also noch für kostenlos auf meinem Server rum - mittlerweile geht die Zahl der Downloads gegen 1000.
Nicht schlecht für Nischen-Software (2016 hat noch kaum jemand eine VR Brille) die ich nirgendwo aktiv bewerbe.
Einer der tausend kontaktiert mich schließlich, beeindruckt von meiner Arbeit.
Er will mich anheuern, also als externen Entwickler haben. Und ich dachte immer Amerikanische Jobs wandern nach Indien oder China, nicht nach Japan.
Aber ich finde das gut. So kann ich schonmal ein Netzwerk aufbauen und etwas Industrieerfahrung sammeln. Also sage ich zu.
Das Problem: ich muß für mein Studium an einer Konferenz in Mexiko teilnehmen. Aber hey, dann bin ich ja fast in der gleichen Zeitzone wie mein neuer Klient! So wandert der Amerikanische Job also nach Mexiko - da habe ich Trump bei seinem Wahlkampf ja gut in die Karten gespielt.
Also sitze ich abends in einem Hotel in Merida und Skypophoniere mit Seattle.
Der Auftrag ist klar und mein Stolz als Deutscher (Software-)Ingenieur steht auf dem Spiel. Und 200 Dollar.
Also wird zwischen den Vorträgen der Konferenz immer wieder der Laptop ausgepackt. Catering ist ja auch da. Zwischen Kaffee und belegten Häppchen und Forschern die über ihren Emails und PowerPoint Slides brüten falle ich gar nicht auf.
Ergebnis: vier Tage Schnitten mampfen, einen Tagesausflug zu Maya Pyramiden, nichts gelernt. (Zumindest nichts akademisches).
Oh, und 200 Dollar. Ich buche daß als das erste Einkommen meiner Firma. Für "Beratertätigkeiten". Mein erster Profit. Nicht Gehalt, Profit.
...wow!
Wo war ich? Achja: mit meiner eigenen Software schnell reich werden!
Zurück nach Japan.

In diesem Photo: vier Forscher, zwei Angestellte bei einem Großkonzern, ein CEO

Montag, 28. Mai 2018

Boss (5)

In der Start-Up Welt gibt es eigentlich nur zwei mögliche Ergebnisse für neue Firmen und ihre neuen Produkte:
(A) niemand will das - irgendsowas entfernt vergleichbares gibt's schon, und das was daran neu ist wird niemand je benutzen wollen.
(B) das ist so offensichtlich der nächste logische Schritt, dass Tech-Giganten wie Google das selber machen. Gegen deren Milliarden-Budgets kommst du nicht an.
Beides wird einem so oft ins Gesicht geworfen dass man irgendwann beides gleichzeitig glaubt. (Double-Think.)
Warum gebe ich nicht einfach auf?
Weil ich gesagt habe, dass ich es tun werde. Jedem habe ich es gesagt. Vor allem mir selbst habe ich es gesagt.
Nicht irgendwann mal sagen zu müssen: "Ich hätte fast mal eine Firma gegründet!" ist mir schon das Geld Wert.
Also, bringen wir's hinter uns!

Der Anwalt:
Keine Ahnung wie man eine Firma gründet (also rechtlich jetzt). Dafür gibt es hier in Japan eine spezielle Form von Anwalt: Gyosei-Shoshi.
Keine Ahnung wo ich einen Gyosei-Shoshi finden soll. Ich frage mal das Deutsche Konsulat in Osaka ob sie Empfehlungen haben.
Email kommt prompt: Empfehlungen haben sie keine, aber sie haben mal schnell recherchiert und senden ein paar die einen guten Eindruck machen.
Gezeichnet: der Generalkonsul.
Man scheint reichlich Freizeit zu haben als Konsul. Vielleicht sollte ich meine Karriere überdenken.
Ich suche einen raus der gerade hinter den Bergen in Osaka arbeitet.
Eine knappe Stunde Fahrzeit durch eine enge gewundene Bergstraße.
Erste Beratung kostenlos.
Erste Erkenntnis: ich brauche eine Firmenadresse.



Das Bureau:
Es ist eher schwierig Bureauräume zu mieten - viel Geld habe ich nicht, dafür ein Studenten-Visum.
Auf einem Start-Up Event treffe ich Leute von Hankyu, einer großen Eisenbahngesellschaft. Die haben ein "Start-Up Office" aufgemacht und vermieten da Tische.
Lage ist super. Atmosphäre auch. Bin sofort dabei.
Die Andere Seite läßt sich Zeit. Zögert. Kann das Legal sein? Als Student ne Firma gründen?
Ich bettle ein bißchen und sende den Schrieb von meinem Anwalt der glaubt dass das Okay geht.
Schließlich lassen sie sich zu einem Meeting mit ihrem Anwalt breitschlagen, der glaubt dass ich das ganz bestimmt nicht darf.
Das muß ich irgendwie gemeistert kriegen - doch wie soll ich einen Japanischen Anwalt dazu überreden dass er vor allen Leuten seine Meinung ändert, weil ein Student und Ausländer das so will?
Ich breite mich vor, drucke meine gesammelten Schriebe aus, und bin extra-früh da.
Ihr Anwalt ist auch zu früh da.
Wir machen Small-Talk. Er mag Deutschen Fußball. Pluspunkt. Dann zum Punkt:
"Ich habe ja keine Ahnung davon, aber mein Anwalt hat mich da beraten und mir diese Unterlagen gegeben..."
Er schaut sich die ausgedruckten Email an. Hmm...
Die Leute von der Eisenbahn kommen schließlich und das Meeting beginnt.
Es ist ein kurzes Meeting.
Der Anwalt erläutert dass das Okay sein sollte, solange ich in der Woche nicht mehr als 28 Stunden  arbeite (28h/W ist die Obergrenze für's Studenten-Visum).
Also soll ich von jetzt an buchführen wann ich etwas für die Firma arbeite.
Gern!
Verbeugen, verbeugen, Stempel drauf.
Zurück zu meinem Anwalt.



Die Firma:
Da liegt es nun vor mir. Gesellschaftsvertrag. Dazu der Siegel-Stempel. "合同会社M█████" (GmbH).
Es ist echt und offiziell und wirklich eine Firma.
Meine erste (und vielleicht letzte?) Firma.
Ich wollte unbedingt ein Photo machen, vergesse es aber in der Aufregung.
Der Anwalt der wohl jeden Monat Hebamme für ein Dutzend Unternehmer spielt hat die Unterlagen gleich wieder verpackt um sie ans Amt zu schicken.
Ich fahre die enge Bergstraße zurück zu meiner Uni.
Ich habe eine Firma gegründet.
Ich habe eine echte Firma gegründet.
Ich bin Eigentümer und Geschäftsführer eine japanischen GmbH.
Ich bin ...
...
Egal wie lange man auf etwas hingearbeitet hat, wenn der Tag dann kommt fühlt man sich als ob man das gar nicht so ernst gemeint hätte.
Als ob das nur so eine fixe Idee war, mit der jeder mal spielt aber die niemand wirklich umsetzt.
Aber ich werde ewig sagen können: ich hab's wirklich getan!
Ob für ein Jahr oder einen Tag, die Firma hat existiert! Schwarz auf Weiß!
Wofür sonst hätte ich das Geld auch ausgeben wollen?


Sonntag, 29. April 2018

Boss (4)

Ein Team ohne Mitglieder ist kein Team.
Ein Team ohne Konkurrenten ist wohl noch nicht mal auf dem Spielfeld angekommen.
Also: Wer steht auf deiner Seite? Wer steht auf der anderen Seite?

Die andere Seite ist leicht auszumachen. So ein Ungetüm weit weg im Nebel, so groß daß ich es über den ganzen Pazifik in Seattle sehen kann. Microsoft.
Die haben ein Video auf YouTube hochgeladen, wo sie gerade diese Idee die ich Umsetzen will bewerben. Eins-zu-eins. Zu kaufen gibt's noch nix, aber die Tech-Demo sieht schonmal toll aus und bekommt nen Haufen Aufmerksamkeit.
Ich weiß nicht recht wie ich damit umgehen soll. Ich lese in einem Buch für angehende Unternehmer, dass Konkurrenz normal und kein Problem ist. Man muss sich halt nur Differenzieren.
Also suche ich mir eine Ausrede "was die alles falsch machen", und ignoriere sie. Keine Ahnung wo ich plötzlich den Mut
die Überheblichkeit
die Ignoranz her habe. Hab' ich aber.

Microsoft hat das Produkt immer noch nicht auf dem Markt. Letztens habe ich von einem Insider gehört dass das Video 100% Fake war. So etwas war nie in Entwicklung. Sie wollten nur den Eindruck erwecken dass es für ihre "Hololens" Hardware ganz viele tolle Anwendungen gibt.




Ich gehe auf Start-Up Events in der Hoffnung begeisterungsfähige Junggesellen (das heißt: Leute die noch nicht mit ihrer Arbeit verheiratet sind) zu treffen.
Treffe ich auch. Sein Name ist P████.
Er findet die Idee toll und möchte mitarbeiten. Programmiererfahrung hat er auch. Halt auf dem Mac, aber das passt ja nicht schlecht. Dann kann er an der Mac-Version arbeiten. Ich kaufe ein neues VR-Headset für ihn und gebe ihm eine Einführung ins Projekt.
Da wir kein Office haben arbeitet er.... keine Ahnung wo immer er gerade ist. In unserer Projekt-Management Software taucht hier und da seine Tüfteleien auf. Nicht viel, aber braucht halt auch immer Zeit sich einzuarbeiten. Nach ein paar Wochen will er sich wieder unterhalten.
Wir treffen uns auf einer Brücke, Downtown Osaka.
Zu meiner Überraschung drückt er mir das VR-Headset in die Hand.
Er geht nach Tokyo, sagt er. Um an einem anderen StartUp mitzuarbeiten.
Er schüttelt mir die Hand, wünscht mir Glück, und verschwindet.
Die Packung für das VR-Dingen ist noch originalverschweißt...

Das "Andere StartUp" hat wohl nie auch nur eine Website online bekommen. P████ arbeitet jetzt bei einer sehr großen Firma.
Sich "auf der Brücke zu treffen" ist in Osaka normal, einfach weil die eine Orientierungshilfe ist. Rückblickend aber auch schön für die Dramatik des Augenblicks.


Andere Teams kriegen da mehr hin.
Auf Deutsche ist da immer Verlass.
Natürlich ist das erste Konkurrenz-Produkt dass auf den Markt kommt aus Deutschland.
Berliner.
Aber hey, nur weil's Sau-Preissen san müssen's ja noch keine schlechten Leute sein.
Ihr Produkt ist technisch unterlegen, bekommt dafür aber offizielles Sponsoring von Autodesk.
Ich schlucke meinen Neid und kontaktiere sie einfach mal.
"Moshi moshi, hier spricht Japan!".
Sie Antworten sogar und beglückwünschen mich zu meinem Projekt. Dann verweisen sie mich weiter an einen Professor an einer Deutschen Hochschule der bestimmt Interesse hat.
Ich bin verwirrt.
Aeh, wollt ihr nicht euer Produkt auch weiterentwickeln? Wir hätten hier Kapazitäten...
Weiterentwickeln? Ne, wer sollte sowas wollen?
Kapiere nicht was sie meinen. Wollen die das Produkt so wie's ist liegenlassen?
Ich kriege keine Antwort mehr.
Naja, wenn ich Microsoft ignorieren konnte, dann kommt's auf zwei Berliner mehr oder weniger auch nicht an.

Über die Jahre entwickeln sie ihr Produkt nur noch minimalst weiter. Bekommen aber trotzdem fleißig Unterstützung von verschiedenen Seiten. Es wird still.
Mittlerweile haben sie auf ihrer Website neben ihrem "Kauf unser tolles Produkt für teuer Geld!"-Butten einen "Bitte spende Geld damit wir unser Produkt weiterentwickeln können"-Button.




Ich probiere das mit dem "neue Teammitglieder finden" nochmal.
Kratze meine Ersparnisse zusammen und offeriere eine Entschädigungszahlung. (Gehalt zahlen kann ich offiziell noch nicht).
Finde auch jemanden namens C███. Ich kaufe ihm einen neuen Rechner (aua, sagte der Geldbeutel) und gebe ihm wieder die Einführung.
Diesmal kommt tatsächlich nützliches dabei heraus! Brauchbare Funktionen, und auch an der Website arbeitet er fleißig mit. Ab und zu liegen wir etwas im Clinch - er nimmt das ganze ein bißchen zu locker für meinen Geschmack. Immerhin versuche ich einen professionellen Eindruck zu machen und Qualitätsware zu entwickeln. Da stört es mich doch sehr wenn er aus Unachtsamkeit oder Faulheit kaputte Versionen veröffentlicht. Bin ich zu pedantisch? Wir bügeln dass schon aus.
Ich gucke mal wieder was die Konkurrenz so macht. Auf ihrer Website haben sie 1:1 denselben Slogan wie C███ auf unserer Website veröffentlicht hat.
Ich bin... irritiert... wer war jetzt zuerst?
Warum sollten die unseren Slogan klauen?
Warum sollte C███ deren Slogan klauen?
Ich frage mal C███. Der droht sofort das Team zu verlassen. Meine Verwirrung und Irritation steigt.
Er sagt er kann es nicht ab, so einer Sache verdächtigt zu werde. Ich beruhige ihn. Dann frage ich mal die Konkurrenz-Firma. Keine Antwort.
Ich würde C███ ja glauben, wenn es nicht so perfekt ins Bild passen würde...
Ich lösche einfach unseren Slogan. So toll war der eh net. Ist es nicht wert darüber zu Streiten.
Danach ist die Team-Einigkeit merklich angeschlagen. Geht im VR-Markt eh nicht viel voran und ich muss mich auf meine Uni-Arbeit konzentrieren.
Irgendwann hole ich den Rechner von ihm ab. Wir plaudern noch etwas, er drückt mir die Hand und wünscht mir viel Glück. Er will bei irgend einem BitCoin start-up mitarbeiten.
...keine Ahnung was da je draus geworden ist.

Freitag, 30. März 2018

Boss (3)


Von da an beginnt die Doppel-Belastung Begeisterung: nicht nur muss ich mich ranhalten meine Forschungsarbeit voran zu bekommen, auch um den Prototypen bis zur Marktreife zu bringen bedarf extra Anstrengungen. Jede Design-Entscheidung wird nun mit der Frage unterlegt: "wenn andere Leute (mögliche Kunden) das Ding nutzen würden, wie müsste das dann gemacht werden?"
Dass macht alles etwas schwieriger. Leute außerhalb der Uni haben ja den ganzen Kruscht nicht, auf den ich hier Zugriff habe - und auch nicht die Geduld sich damit auseinanderzusetzen. Es muss also alles trotzdem funktionieren - ohne extra Hardware. Also keine speziellen Eingabegeräte. Muss auch mit der Maus funktionieren. Muss mit einem einzigen Mausclick zu installieren und zu starten sein. Muss auch auf allen anderen Versionen der benötigten Hardware und Software laufen. Koste es mich auch meine Wochenenden - ich muss es zum Laufen bringen...
Mehr als einmal will ich aufgeben: das kann einfach nicht gehen. Keine Chance. Game over. Diesmal gibt es keine Lösung. 
Jedes mal komme ich nochmal mit einer neuen Idee zurück. Jedes mal findet sich dann doch ein Weg. Nicht weil ein Wille da ist, sondern weil es keine Alternativen gibt.

Ironischerweise werde ich nie von einem User hören, der das Ding mit der Maus verwendet. Stattdessen werde ich den Maus-Modus für eine Studie verwenden, die mir den Doktortitel einbringt.




Sonntag, und ich gehe trotzdem ins Labor (da steht der ganze Kram ja rum den ich brauche).
Der Aufzug geht nicht.
Achja, da war ja was:
zweimal im Jahr wird bei uns am Campus alles abgestellt. Routineuntersuchungen.
Dann halt die Treppe in den 8tn Stock. Dabei fällt mir auf, dass es im Treppenhaus gar keine Notbeleuchtung gibt. Gut zu wissen, sowas, falls wirklich mal was passieren sollte.
Allein im Labor.
Ich setzte mich an die Arbeit.
Die Stunden vergehen.
Ich habe Durst.
Leitungswasser ist abgestellt.
Ich saufe den Wassertank aus der Kaffeemaschine leer.
Schmeckt etwas abgestanden.
Zurück an die Arbeit.
Stunden vergehen.
Der Notbook-Bildschirm dimmt sich - Strom ist weg.
Noch zwei Stunden Akkulaufzeit.
Ich arbeite weiter.
Dann sagt der Laptop lebewohl.
Weiter auf Schmierpapier.
Die müssen sich schon was besseres ausdenken als mir den Saft abzudrehen...



Die dritte Front ist Japanisch - also die Sprache.
Um den anstehenden Papierkrieg mit dem Japanischen Beamtenapparat zu bestehen muss ich aufrüsten.
Es gibt kaum Bücher für "Rechts-Japanisch", und selbst wenn liegen die wohl weit entfernt von meinem Anwendungsfall.
Besser ist: Lernen von der Originalquelle. Also suche ich im Internet nach Beispiel-Verträgen und Gesetzestexten.
Vorteil: man lernt auch gleich die Rechtslage mit.
Nachteil: Kopfschmerzen. Was zur Hölle soll dieser Satz jetzt aussagen?!
Mühsame Analysearbeit resultiert schließlich in einem neuen Satz der zur fortgehenden Wiederholung in meiner Lern-App gespeichert wird.
Sollst du durch ewige Wiederholung in mein Gehirn gebrannt zu werden.
Eine Stunde jeden Tag büffeln mit der App - das ist die Regel.
Ausnahmen zur Regel sind nicht vorgesehen.
Auf der Konferenz suche ich mir ein ruhiges Eck, packe meine Verträge aus und pauke.
Plötzlich steht der Professor hinter mir.
Ein Moment angespanntes Schweigen wahrend ich mich frage ob solche Fremdbeschäftigung einer Genehmigung bedurft hätte.
Er guckt.
Dann lacht er.
Dann geht er.
Ich lerne weiter.
Im Steinbruch der Vertragsvorlagen haue ich die Ziegel für meinen Justizpalast...

Der Nebeneffekt ist dass ich jetzt eine Form von Japanisch verstehe die Japaner nicht mehr verstehen, dafür aber keinen Schritt weiter bin die Japaner zu verstehen.
Das macht Parties gleich noch mal lustiger...

Dienstag, 27. Februar 2018

Boss (2)

Das Konzept für die Firma ist bald gefunden. Nach der Lektüre eines Buches für Angehende  Unternehmer Millionäre und durcharbeiten der Check-Liste für geniale Geschäftsideen ist klar:
ich muss einfach den Prototypen den ich für meine Forschung baue bis zur Marktreife voran bringen. So kann ich meine Zeit in der Uni auch gleich doppelt produktiv nutzen, und Interesse an der Materie ist auch genug vorhanden.
Doch das bringt ein neues Problem auf den Plan:
Um auf diesem Wege zum Boss zu werden muss ich erstmal mit dem Boss sprechen.
In diesem Fall ist Boss der Professor. Wenn der nicht will, kann der ganze Plan im Rohr krepieren. Dann muss ich die Uni verlassen bevor ich überhaupt eine Firma Gründen kann - was heisst dass ich wieder arbeiten müsste um mich über Wasser zu halten. Was heißt dass ich keine Zeit mehr hätte eine Firma zu Gründen...
Also muss der Professor zustimmen!




Drei Tage lange gehe ich das Gespräch in meinem Kopf durch. Ich reserviere mir dafür jeden Tag eine Stunde Zeit. Immer wieder sehe ich mich in sein Buro gehen, mich hinsetzen, meine Rede halten. Es ist vermutlich das Gespräch dass ich am häufigsten in meinem Leben geführt habe - noch bevor ich es je wirklich geführt habe. Der Professor in meinem Kopf kommt mit allen Einsprüchen die ich mir vorstellen kann. Drei Tage lang finde ich die besten Antworten. Verwerfe Argumente, finde neue Wege meinen Standpunkt zu vermitteln. Dann fühle ich mich bereit, mich der Realität zu stellen!


Ich weiß nicht zum wievielten mal ich das Gespräch führe, aber es das Beste dass ich je geführt habe. Der Professor hat keine wirklichen Einsprüche. Von meinen cleveren Gegenargumenten und verbalem Kung-Fu brauche ich, genau gar nichts. Ihm gefällt die Idee auch so. Ich hätte fast enttäuscht sein können, aber dafür bin ich happy und aufgeregt. Bleibt noch der zentrale Knackpunkt: wem gehört das Zeug, dass ich während meiner Studienzeit tippe? Mir? Der Uni? Dem Lab? Halbe-halbe? Bei meinen Nachforschungen hatte sich ein gemischtes Bild ergeben, indem ich mit der Uni über die Auslöse verhandeln muss.
"Das gilt für Angestellte der Uni. Du bist kein Angestellter. Du bist Kunde der Uni", erklärt er mir lächelnd.
Will er denn gar kein Stuck vom Küchen?
"Wenn du eine Millionen machst, dann will ich nichts. Wenn du 10 Millionen machst, dann will ich was!", sagt er und lacht.
Und damit war alles geklärt und die Bahn frei.
Er warnt mich nur, dass es sehr sehr sehr viel Arbeit sein wird.
Kein Problem. Lieber hart arbeiten als wieder Arbeiten.
...dachte ich...

Mittwoch, 31. Januar 2018

Boss (1)

Ich habe einen kleinen Aktenkoffer. Voller Geld. Deswegen habe ich ihn auch mit Handschellen am Arm festgekettet. Dazu wachsen mir kleine Hörner aus dem Schädel.
Es ist Halloween 2013, und ich versuche ich als Teufel auf Seelen-Kauftour. (Oder Banker. 2013 kann man beide Begriffe synonym verwenden.) Den Japanern ist nicht wirklich klar was das Böse und Geld miteinander zu tun haben - ist wohl einer dieser kulturellen Unterschiede. Doch davon lasse ich mir den Abend auf den Straßen von Osaka nicht verderben.


Es wird spät.
Es wird feucht.
Es passiert so allerhand.
Irgendwann wache ich auf.

Ich bin irre sauer.
Ich koche vor Wut.
Ich schreibe einem Freund eine lange haßerfüllte SMS darüber was alles falsch ist mit dieser Welt. Dann gehe ich Heim.

Langsam beruhige ich mich und frage mich, warum ich überhaupt so wütend war.
Es ist nichts schlimmes passiert. Eigentlich ist sogar recht viel Gutes.
Und überhaupt, noch zwei Jahre zuvor wäre ich überglücklich gewesen überhaupt in Japan sein zu können und dort Halloween zu feiern.
Warum also?
Weil es einfach nicht genug war.
Es ist nie genug.
Es ist nicht die Gier nach immer mehr, sondern weil mein Leben ein Ablaufdatum hat: Regelstudienzeit.
Ich habe nur noch ein weiteres Jahr. Da kann man gar nicht genug erleben. Und dann?
Ich habe keinen Plan, was ich danach machen soll. Das hatte ich schonmal. Damals habe mir ein Diploma in die Hand drücken lassen und bin Heim gegangen; habe mir einen Job gesucht; und zum ersten mal seit dem Abitur wieder darüber nachgedacht, dass das Leben nicht so lebenswert ist dass man sich das unbedingt bis zum Ende anschauen muss. Dass das echte Leben jetzt vorbei ist, und ich jetzt nur noch den Rest absitzen muss. Der Teil in dem nichts mehr passiert.
Nicht das die Arbeit schlecht gewesen wäre. Hab halt Computerprogramme geschrieben. Nicht weil ich wollte, sondern weil ich konnte. Ich kann sonst nichts und sonst kann's keiner. Solche Leute nennen wir "Code Monkey". Programmier-aeffchen schreibt fleissig Code für Boss. Boss trotzdem sauer weil... weiß nicht. Also schreibt Code Monkey mehr Code. Wochenende. Montag. Code Monkey write happy code. Code no good. Boss happy. Code Monkey sad. Dienstag. Code hilft dabei Filme zu machen. Code Monkey mag die Filme nicht sehen, die Code macht. Mittwoch. Wüsste auch gar nicht mit wem ich gehen sollte. Wenn Code Monkey nicht vor dem Computer sitzt, dann sitzt Code Monkey vor dem Computer. Donnerstag. Anderen Leuten scheint das nichts auszumachen dass sie nichts Neues erleben, niemand neues kennenlernen, keine Herausforderungen im Leben haben. Freitag. Sie wollen nichmal mich kennen lernen. Kennen schon genug. Wochenende. Nichts passiert. Montag...




Noch einmal habe ich mich ins Student-sein zurück gerettet. Aber für wie lang? Der Druck die Zeit bestmöglich zu genießen wird so groß, dass ich die Zeit nicht mehr genießen kann.
Es bleibt der einzig logische Ausweg:
Ich schaffe die Deadline ab!
Ich gehe einfach nie mehr zurück in das Leben des kleinen Code-Monkey.

Ich beschließe drei Vorsätze:
1: Ich werde endlich lernen meine Gehirn und meine Emotionen unter Kontrolle zu bringen, positiver sein, dankbar für alles was ich habe und erlebe.
2: █████ ████████, ███████ ████ ████.
3: Ich werde meine eigene Firma gründen.
Ja, ich nehme mein Leben selbst in die Hand.
Werde mein eigener Boss.
Gestalte mein Leben wie's mir gefällt.

Und um mich immer daran zu erinnern, schreibe ich meinem Freund gleich nochmal.
Und dann allen Freunden auf Facebook.

So beginnt die lange Reise zu einem neuen Ich...