Sonntag, 8. Februar 2015

Sauber

Deutschen wird da oft ein Reinlichkeitsfimmel vorgeworfen, und die Japaner als die "Deutschen Asiens" bezeichnet. Brüderlichkeit am Staubsauger also. Daher bitte nicht wundern wenn die folgende Geschichte mal ganz ohne Sarkasmus sondern mit aufrichtiger Bewunderung daher kommt.




Nachts im Zug. Mir gegenüber sitzt eine Frau mittleren Alters und trinkt ihr Feierabend Bier. (Asahi natürlich). In einem unachtsamen Moment stößt sie die Dose um und etwas Bier ergießt sich über den Boden. Der Kontrast mit dem Bier verdeutlicht wie sauber der Boden vorher war, ohne dass es jemand wahrgenommen hätte. Die Frau entschuldigt sich bei den anderen Fahrgästen - außer mir sind dass nur ein paar Schulbuben. Anders als die Gymnasiasten die Sie sonst so in der S-Bahn sehen tragen diese hier Schuluniformen und machen wirklich einen so sauberen Eindruck, dass man sich bei ihnen für verschüttetes Bier entschuldigen muss. (Nicht umgekehrt!)

Die Frau hat keine Taschentücher dabei um der kleinen Bier-Flut Herr zu werden. Aber das braucht es auch gar nicht. Binnen einer Minute ist ein Schaffner zur Stelle: adrette blaue Uniform, weiße Stoffhandschuhe, einen weißen Lappen. Unter gegenseitigen Entschuldigungen versucht der die Lache aufzutupfen. Allerdings ist das Bier mittlerweile so trocken wie der Lappen, und der gute Mann kommt nicht recht voran.

Beim nächsten Bahnhof springen dann zwei neue Männer auf den Zug auf: selbe blaue Uniform, die selben weißen Handschuhe, diesmal mit Wischmop und Eimer bewaffnet. Die müssen also vorab verständigt worden sein. Blitzschnell machen sie sich an die Arbeit. Unter reichlichen Entschuldigungen von allen Seiten wischen sie den Bier-Fleck weg und eilen sofort wieder zur nächsten Tür heraus, damit der Zug ja keine Verspätung kriegt.

Nachts im Zug. Für nicht mal 5 Minuten war der Zug mal nicht ganz sauber. Aber davon merkt man jetzt nix mehr...




Einmal im Jahr müssen wir den Campus putzen. Also wirklich putzen tun wir eigentlich nicht. Das hat mehr zeremonielle Gründe. Wir kratzen zwei Stunden lang Moos zwischen den Pflastersteinen raus und kehren etwas Laub weg. Danach gibt es immer eine kleine Grillparty, bei der mehr Dreck gemacht wird als wir vorher sauber gemacht haben.

Aber daum gehts auch gar nicht.Es geht darum den Geist wach zuhalten. Wissen schon: "Speerspitze der Forschung"... ach, das Andere:
Japanische Schulkinder müssen bereits durch putzen ihrer Schule lernen Verantwortung für ihre Umgebung zu übernehmen. Und im Gegensatz zum "Tafeldienst" (hat uns ja größte Probleme bereitet, damals, 'mal die 6m² Tafel zu wischen) kommt das sogar ziemlich gut an.

So gut dass ich vor einiger Zeit mal bei einer "Clean-Up-Party". Da sind wir also durch einen eher unansehnlichen Stadtteil gelaufen und haben dort Müll aufgesammelt. Da haben überraschend viele Leute teilgenommen. Obwohl es geregnet hat und man "Eintritt" zahlen musste (Unkosten für bereitgestellte Getränke etc.). Das ganze war als "International Exchange Event" aufgezogen, also sehen die Japaner "putzen" durchaus als ein Kulturgut, dass sie gerne vorzeigen und exportieren würden.




Neben meiner Tätigkeit als Code-Monkey Forscher Laborausstattung bin ich auch im Kaffee-Dienst. Sprich: ich warte und reinige die neue Kaffee-Maschine die die Professoren für viel Geld angeschafft haben. Wie das so bei teuren Kaffee-Vollautomaten ist, hängt da ein ganzes Buch an Reinigungs-Anweisungen dran. Bei uns sogar zwei: einmal auf Englisch und einmal auf Japanisch. Der Clue: in der Japanischen Version sind für dieselben Arbeiten alle Zeitabstände stark verkürzt: was man im original monatlich machen soll, wollen die Japaner wöchentlich gereinigt wissen, wöchentliche Arbeiten sollen täglich verrichtet werden.

Okay: wir haben auch den verdacht, dass sich die Japanische Version an der gewerblichen Verwendung der Maschine orientiert. (Weil: wer kauft sich hier schon einen Kaffee-Vollautomaten für Zuhause?). Andererseits haben sie sogar das Intervall für die Entkalkung stark beschleunigt. Dabei sind die Berge hier nicht aus Kalk und das Wasser so weich dass nach drei Jahren Tee kochen mein Wasserkocher immer noch wie neu aussieht.

Wir konnten den Professor dann davon überzeugen, die Englische Anleitung zu verwenden. Nicht zuletzt weil die Reinigungsutensilien nicht gerade billig sind. Wundert mich gar nicht: wer in Japan Entkalkungsmittel verkauft, scheut vor nichts mehr zurück!

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