Samstag, 28. Februar 2015

5 Jahre

Vor genau 5 Jahren bin ich hier angekommen und habe angefangen diesen Blog zu schreiben.
Fast 100 Einträge sind mittlerweile zusammen gekommen.
Mittlerweile muss ich oft die Suchfunktion verwenden, weil ich nicht mehr weiß ob ich eine Anekdote schon geschrieben habe oder nicht. Manchmal muss ich mehrfach suchen: "Das habe ich doch bestimmt schon erzählt!?". Habe ich aber nicht. Oder doch.

Jedenfalls nehme ich mir jetzt vor ab und zu mal die alten Einträge wieder zu lesen und Ergänzungen zu schreiben. Nach 5 Jahren weiß man immer mehr.... oder auch nicht.



Das älteste Photo das ich in meinem Ordner finden konnte:
Campus spiegelt sich in der Glas-Fassade meines Wohnhauses.
2 1/2 Jahre später werde ich mal wieder in eines der Wohnheime ziehen, die sich da oben spiegeln.


Mein erstes Treffen in Japan war mit einem Drogen-Spürhund, mein zweites mit einem Zollbeamten.
Seit dem wurde mir kein zweites Mal das Gepäck gefilzt - egal wie oft ich aus welchem Land (zurück) kam. Scheinbar ist das also doch eher die Ausnahme. Einmal habe ich beim Zoll sogar wahrheitsgemäß angegeben zu viel Bier dabei zu haben. Also: mehr Bier als erlaubt, meine ich. Zu viel Bier kann man gar nicht haben. Jedenfalls hat die Dame vom Zoll nur gelächelt, gefragt wie viel zu viel, und dann gesagt, dass das schon in Ordnung sei. Das ist das einzige mal, dass hier mal jemand in Uniform Fünfe gerade hat sein lassen.

Import bleibt aber weiter ein Problem, vor allem von Fleisch- und Wurstwaren. Da drücken sie nämlich kein Auge zu. Einmal kam ein Brief an, der sagte, dass er eigentlich ein Päckchen hätte sein sollen. Aber das Päckchen enthielt eine Debreziner [sic!], und wurde deswegen vom Zoll als Geisel genommen bis die Wurst-Situation geklärt war. Der Brief sollte mich nun fragen ob ich Wurstwarenfachverkäuferin Fleischwaren-Importeur wäre und entsprechende Dokumente ob der Unbedenklichkeit der Wurst vorweisen könnte. Das konnte ich nicht. Also fragte mich der Brief weiter was mir lieber wäre: dass das Päckchen zurück zum Absender geschickt wird, oder das die Wurst herausgenommen und vernichtet wird. Ich entschied mich für letzteres und hoffte insgeheim, dass die Herren Zollbeamten die Debreziner selber gegessen haben statt sie zu verbrennen. Im Japanischen: "mottainai", was eine Kombination aus "Verschwendung" und "schade d'rum" ist.


Der selbe Campus fast fünf Jahre später - nicht viel anders, dafür kalt.

Samstag, 21. Februar 2015

Mein Leben als Ausländer

Ziemlich genau zwei Jahre hatte es gedauert. Ziemlich genau zwei Jahre nachdem ich Deutschland verlassen hatte wurde ich endlich zum ersten mal diskriminiert. Also so richtig schön als Ausländer diskriminiert. So wie ich in Deutschland auch diskriminiert wurde. Und das kam so:
Das Blutspende-Mobil (ja, das gibt's hier auch) kam zum Campus.
Super, da geh ich doch gleich zum Aderlass!
Der nette Mann vom Blutspendedienst fragt mich woher ich komme. Deutschland, sage ich wahrheitsgemäß, weil: naja, lügen bringt bei meiner Nase nix mehr.
Es kommt wie's kommen muss: der arme Kerl ist ganz peinlich berührt, muss mir aber sagen, dass sie kein Deutsches Blut nehmen (wenn dass der Adi wüsste!).
Ich bin nicht überrascht, sage das sei schon so okay und mache mich ans gehen.
Dem ist das aber so peinlich, dass er mir nachläuft und mir zum Trost wenigstens eine Limonade geben will (die Limos sind für die Spender als Stärkung gedacht). Ich lehne ab, versichere ihm, dass das schon in Ordnung ist und Entschuldige mich für die peinliche Situation.
War ja schließlich nicht das erste mal, dass der Blutspendedienst mich weg geschickt hat. Ist mir in Deutschland auch schon passiert. Damals war die Begründung, dass meine (damalige) Freundin Chinesin war. Warum das schlecht für mein Blut ist, haben sie mir nicht gesagt. Ich glaube der Medizinische Fachausdruck ist "Rassenschande". Oder vielleicht haben die befürchtet, dass ich "Gelbfieber" habe. Könnte ja ansteckend sein: der arme Kerl kriegt nach 'nem Unfall ne Transfusion, wacht auf und bucht sofort seinen nächsten Urlaub in Thailand...




Jedenfalls höre ich immer viel mehr über die Diskriminierung von Ausländern in Japan als ich sehe. Vor allem viele Weiße sind regelrecht besessen davon, diskriminiert zu werden. Okay, ist ja auch voll die seltene Gelegenheit als Weißer. Manche gehen so weit und definieren "angesprochen werden" als "Belästigung" um mehr abzubekommen.
Das Schlagwort ist "Hero-Hara" - der unerträgliche Zustand von Japanern auf Englisch angesprochen zu werden, meist weil die ihr Englisch üben wollen. Der Begriff setzt sich zusammen aus "Hello" (wir erinnern uns, Japaner haben's nicht so mit dem R/L) und "Harassment", was im Japanischen für alle Arten von unschönen Drangsalierereien verwendet wird. (Allen voran "Seku-Hara", die sexuelle Belästigung).
Jetzt muss ich sagen, dass das durchaus nervig sein kann, vor allem wenn die Japaner schon angetrunken sind. Andererseits fällt es mir schwer mich belästigt zu fühlen davon, dass jemand nett zu mir ist. Und ganz unrecht hat er ja nicht: 90% der Weißen hier würden ihn auf Japanisch ohnehin nicht verstehen.
Eine Freundin schwört auch, dass sich Leute im Zug nicht gerne neben sie setzen. Wie man sich über mehr Platz im Zug aufregen kann verstehe ich auch nicht.
Überhaupt finde ich es schön zu sehen über welche Kleinigkeiten sich Leute aufregen können, in deren Heimatland Leute für ihre Hautfarbe verprügelt werden.



Die U-Bahnen in Osaka zeigen Infos nicht nur auf Japanisch an, sondern auch auf English, Chinesisch und Koreanisch. Chinesen und Koreaner sind die größten Einwanderer-Gruppen. Quiz: In welcher Deutschen Stadt spricht die U-Bahn Türkisch und Polnisch?


Natürlich gibt es aber auch richtige Diskriminierung. In manche Etablissements kommt man wohl als Ausländer nicht oder nur schwer rein. Ich habe aber länger als 2 Jahre gebraucht sowas zu finden. Dann, auf Okinawa, fanden wir tatsächlich einen Nachtclub der keine Ausländer wollte. Den haben wir auch nur gefunden, weil unser Taxifahrer den empfohlen hat (Scherzkeks, was?), sonst hätten wir die Tür in der Hintergasse auch gar nicht gefunden. Wir sind dann zu einem anderen Club gegangen, der uns auch gleich rein gelassen hat. Dort ist uns dann auch aufgefallen warum wohl manche Etablissements auf Okinawa vorsichtig sind. Wir erinnern uns: auf Okinawa ist diese große US-Militärbasis. Sie können sich vorstellen wie's da zuging - so ganz ohne Vorurteile jetzt.




In Osaka haben wir das Problem nicht. Im Gegenteil: ich kenne sogar zwei Clubs wo man als Ausländer kostenlos rein kommt.Nochmal zum mitschreiben: diese Clubs werben explizit damit damit, dass Ausländer keinen Eintritt zahlen müssen. Solche Anti-Diskriminierung macht andere Kleinigkeiten dann auch wieder wett, oder?

Ich will jetzt nicht behaupten hier gäbe es gar keinen Fremdenhass, keine Vorurteile, keine unterschwelligen Diskriminierungen. Aber im Internationalen Vergleich schneidet Japan doch recht gut ab.
Okay, Ich bin ja auch voreingenommen, weil die mich dafür bezahlen dass ich hier kostenlos studieren darf... ähm...

Sonntag, 8. Februar 2015

Sauber

Deutschen wird da oft ein Reinlichkeitsfimmel vorgeworfen, und die Japaner als die "Deutschen Asiens" bezeichnet. Brüderlichkeit am Staubsauger also. Daher bitte nicht wundern wenn die folgende Geschichte mal ganz ohne Sarkasmus sondern mit aufrichtiger Bewunderung daher kommt.




Nachts im Zug. Mir gegenüber sitzt eine Frau mittleren Alters und trinkt ihr Feierabend Bier. (Asahi natürlich). In einem unachtsamen Moment stößt sie die Dose um und etwas Bier ergießt sich über den Boden. Der Kontrast mit dem Bier verdeutlicht wie sauber der Boden vorher war, ohne dass es jemand wahrgenommen hätte. Die Frau entschuldigt sich bei den anderen Fahrgästen - außer mir sind dass nur ein paar Schulbuben. Anders als die Gymnasiasten die Sie sonst so in der S-Bahn sehen tragen diese hier Schuluniformen und machen wirklich einen so sauberen Eindruck, dass man sich bei ihnen für verschüttetes Bier entschuldigen muss. (Nicht umgekehrt!)

Die Frau hat keine Taschentücher dabei um der kleinen Bier-Flut Herr zu werden. Aber das braucht es auch gar nicht. Binnen einer Minute ist ein Schaffner zur Stelle: adrette blaue Uniform, weiße Stoffhandschuhe, einen weißen Lappen. Unter gegenseitigen Entschuldigungen versucht der die Lache aufzutupfen. Allerdings ist das Bier mittlerweile so trocken wie der Lappen, und der gute Mann kommt nicht recht voran.

Beim nächsten Bahnhof springen dann zwei neue Männer auf den Zug auf: selbe blaue Uniform, die selben weißen Handschuhe, diesmal mit Wischmop und Eimer bewaffnet. Die müssen also vorab verständigt worden sein. Blitzschnell machen sie sich an die Arbeit. Unter reichlichen Entschuldigungen von allen Seiten wischen sie den Bier-Fleck weg und eilen sofort wieder zur nächsten Tür heraus, damit der Zug ja keine Verspätung kriegt.

Nachts im Zug. Für nicht mal 5 Minuten war der Zug mal nicht ganz sauber. Aber davon merkt man jetzt nix mehr...




Einmal im Jahr müssen wir den Campus putzen. Also wirklich putzen tun wir eigentlich nicht. Das hat mehr zeremonielle Gründe. Wir kratzen zwei Stunden lang Moos zwischen den Pflastersteinen raus und kehren etwas Laub weg. Danach gibt es immer eine kleine Grillparty, bei der mehr Dreck gemacht wird als wir vorher sauber gemacht haben.

Aber daum gehts auch gar nicht.Es geht darum den Geist wach zuhalten. Wissen schon: "Speerspitze der Forschung"... ach, das Andere:
Japanische Schulkinder müssen bereits durch putzen ihrer Schule lernen Verantwortung für ihre Umgebung zu übernehmen. Und im Gegensatz zum "Tafeldienst" (hat uns ja größte Probleme bereitet, damals, 'mal die 6m² Tafel zu wischen) kommt das sogar ziemlich gut an.

So gut dass ich vor einiger Zeit mal bei einer "Clean-Up-Party". Da sind wir also durch einen eher unansehnlichen Stadtteil gelaufen und haben dort Müll aufgesammelt. Da haben überraschend viele Leute teilgenommen. Obwohl es geregnet hat und man "Eintritt" zahlen musste (Unkosten für bereitgestellte Getränke etc.). Das ganze war als "International Exchange Event" aufgezogen, also sehen die Japaner "putzen" durchaus als ein Kulturgut, dass sie gerne vorzeigen und exportieren würden.




Neben meiner Tätigkeit als Code-Monkey Forscher Laborausstattung bin ich auch im Kaffee-Dienst. Sprich: ich warte und reinige die neue Kaffee-Maschine die die Professoren für viel Geld angeschafft haben. Wie das so bei teuren Kaffee-Vollautomaten ist, hängt da ein ganzes Buch an Reinigungs-Anweisungen dran. Bei uns sogar zwei: einmal auf Englisch und einmal auf Japanisch. Der Clue: in der Japanischen Version sind für dieselben Arbeiten alle Zeitabstände stark verkürzt: was man im original monatlich machen soll, wollen die Japaner wöchentlich gereinigt wissen, wöchentliche Arbeiten sollen täglich verrichtet werden.

Okay: wir haben auch den verdacht, dass sich die Japanische Version an der gewerblichen Verwendung der Maschine orientiert. (Weil: wer kauft sich hier schon einen Kaffee-Vollautomaten für Zuhause?). Andererseits haben sie sogar das Intervall für die Entkalkung stark beschleunigt. Dabei sind die Berge hier nicht aus Kalk und das Wasser so weich dass nach drei Jahren Tee kochen mein Wasserkocher immer noch wie neu aussieht.

Wir konnten den Professor dann davon überzeugen, die Englische Anleitung zu verwenden. Nicht zuletzt weil die Reinigungsutensilien nicht gerade billig sind. Wundert mich gar nicht: wer in Japan Entkalkungsmittel verkauft, scheut vor nichts mehr zurück!