Mittwoch, 17. September 2014

Jungfern-Arbeit

"Sie haben Glück!", sagte er zu mir. "Nächstes Jahr ist da diese in München! Da können sie einreichen."
Die genannte Konferenz ist die renommierteste in meinem Gebiet. Also: Top-Liga.

Wahrscheinlich hat er selber einfach nicht geglaubt, dass das klappen kann.
So nach dem Motto: wenn Studenten nach den Sternen greifen, erreichen sie vielleicht wenigstens Mutters Rockzipfel.
Und mit "Mutter" meine ich "Professor".
Und mit "Rockzipfel" meine ich "Hochschulabschluss".

Aber ich wusste da ja noch nicht worauf ich mich Einlasse.



Ich Acker also wie ein blöder.
Gott sei Dank ist Co-Autor #4 (stehen insgesamt 5 Personen als "Autor" auf meiner Arbeit"), also der ist ein Profi! Was Verbesserungsvorschläge angeht.
Man kann jedes Meeting so zusammenfassen:
"Das Paper ist zu lang, aber es muss noch viel mehr Zeug rein!"
Ich schreibe das Paper noch ein paar mal um.

Wochenende, Nachts im Labor. Wenigstens bin ich nicht der einzige der sich so einen Stuss zumutet.
Nachricht von Freundin: "Oh, du arbeitest so hart! Mach mal ne Pause! Ich komm' rüber und geb' dir ne Nacken-Massage."
"Hey, dass ist voll Lieb von dir, aber das brauchts echt net. Sind nur noch wenige Tage bis zur Deadline. Da muss ich jetzt durch"!
Um Mitternacht machen wir dann kurz Pause, hohlen wir dann den Finnischen Schnaps aus dem Kühlschrank.
Hat mir wirklich gerade ein Mädchen angeboten, eine Stunde mit dem Zug in die Pampa zu fahren, um mir den Rücken zu massieren?
Habe ich das wirklich abgelehnt?
Ich nehme noch einen Tiefen Schluck vom Schnaps! Dann arbeite ich weiter....


Co-Autor #2 meines Papers ist eigentlich nicht direkt in den Schreibprozess involviert. Das er überhaupt "Autor" ist, hat Labor-Politische Gründe. Anders gesagt: er braucht den Ruhm.
Dafür ist er Ansprechpartner wenn ich Hardware für den Prototypen brauche.
Das hat einen Haken: er ist (a) Japaner und (b) ...ähm... kein besonders ... "organisierter Arbeiter". (Sagen wirs mal so).
Ja solche Leute gibts.
Leider.
Denn (a) neigen Japaner dazu, zu allem erstmal "Ja" zu sagen um Konflikte zu vermeiden, und später einfach höflich so zu tun als hätten sie nichts gehört, und (b) verschludert er auch einfach oft Dinge.
Wenn man bei ihm etwas anfordert, weiß man also nie ob man es auch irgendwann bekommt. Und wenn man es nicht bekommt, weiß man nicht ob es abgelehnt oder einfach vergessen wurde.

Ich will also Micro-Controller haben. Die kommen.
Dann will ich leitfähigen Faden haben. Der kommt.
Dann will ich LEDs haben.... die kommen nicht.
Ich will sie nochmal haben, weil: sind echt wichtig. Kommen immer noch nicht.
20cent LEDs?! Das kann doch nicht so schwer sein? Doch sie kommen immer noch nicht.

Ich gehe nach Osaka, in einen Club zum, ...ähh... entspannen.
Da geben sie so Blinke-Blinke Spielzeug an die Kunden aus. Das sind einfach Schaumstoff-Röhren, die in verschiedenen Farben leuchten. Die kann man zum Takt Beat Lärm in der Luft wedeln oder andere Gäste damit hauen um ein Gespräch anzufangen. Naja, das Gespräch besteht dann darin sich mit Schaumstoff-Röhren zu hauen, aber man kann so ganz gut Leute kennen lernen.
Also, ich schnapp mir so ein Teil von einem Mädel das so aussieht als würde sie nicht dringend LEDs für ihre Forschung brauchen. Ich tanze noch kurz mit ihr, und verschwinde dann auf der Herrentoilette. Paranoid schaue ich mich nochmal um - ignoriere dann aber einfach dass Leute da sind - rupfe die Elektronik aus dem Schaumstoff, stopfe sie in die Hosentasche und entsorge die Überreste Schaumstoff-Leiche im Müll.
Das Spiel wiederhole ich vier, fünf mal, bis ich fürchten muss, dass jemand mitkriegt was ich da tue.

Ich komme Heim, mache mich fertig fürs Bett, ziehe die Hose aus - da Blinkt es mir aus den Hosentaschen entgegen.... endlich!

Monate später erkläre ich Leuten auf der Konferenz wie das Ding funktioniert.
Lauter renommierte Leute mit hohen Forschungs-Budgets.
Ich will ihnen fast sagen wo die LEDs her sind.
Nach der Konferenz kommt der Co-Autor #4 zu mir: "Gute Arbeit! Dein Prototyp war sogar für den Best Demo Award nominiert".
Ich hätte die Leute im Club in meiner Master-Thesis in den Acknowledgements unterbringen sollen...
"ich Danke der mit dem Halstuch für das BlinkeBlinke Spielzeug...".



Auf der Konferenz treffe ich dann endlich auch Co-Autor #3 meines Papers. Mir fällt auf, dass ich ihn nicht mehr gesehen habe seit bevor ich überhaupt mit dem schreiben angefangen habe. Auch meine emails hat er immer mit Nachdruck ignoriert (so dermaßen lautes Schweigen, da verstehen sie ihre eigene Wortlosigkeit nicht mehr). Ich gehe davon aus, dass er auch gar nicht weiß was drin steht. Aber hey! Jetzt ist er ja da um sich wenigstens die Präsentation anzuhören!
...
Na gut, im Publikum sehe ich ihn dann nicht mehr...

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