Sonntag, 30. Juni 2013

Fight!

Man kennt das ja: einmal in der Höflichkeits-Form vergriffen, wird man hier gleich zum Duell mit dem Schwert gefordert. Ham's kein's? Gut, dann Halt die Fäuste und Füße geschwungen! Die Japaner haben ihr Karate und Judo und Sumo schließlich nicht zum Spaß erfunden! Hiyaaaa!

Glauben Sie nicht?

Haben Sie recht!
Leider.

Wenn ich hier anfange mich über Sport zu unterhalten, kommt das begeisterte Leuchten in die Augen: Fußball, Baseball, Basketball, Tennis! Hauptsache westliche Ballsportarten.
Ich würde ihnen ja gerne vorhalten, dass sie ihre eigene Kultur vernachlässigen, nur hab ich leider selbst auch keine Ahnung von Fußball... oder Fingerhakeln...
... ja, ja, ich schäme mich ja schon! Aber zurück zum Thema!

Natürlich ist der Kampfsport hier NICHT vom Aussterben bedroht. Dafür sogen schon die quasi-verpflichtenden Schulsport-Vereine. Da haben zwar auch Baseball und Co die Nase vorn, aber es bleibt genug Platz für Schwert und Bogen.
Und so sieht man hier am Wochenende oft die Schulmädchen in ihren Uniformen in der UBahn mit langen Taschen. Nein, sie tragen ihre Waffen (leider?) nicht offen herum, aber jeder weiß was da drin ist. (Die Taschen mit dem Knick am Ende sind Naginata-Hellebarden...)



Allerdings haben die bewaffneten Sportarten vor allem auch kulturellen Charakter: man zieht sich traditionell fein an, verbringt reichlich Zeit mit Grüßen und Ehr-Bekundungen und trainiert seine Form. Der eigentliche Kampfgedanke tritt in den Hintergrund.
Die unbewaffneten Hand-Und-Fuß Sportarten, sind schon etwas seltener.
Wie selten? Nun, als der Sohn meiner Gastfamilie (so um die 5 Jahre) zum ersten mal hört, dass ich Kampfsport mache, fragt er ganz begeistert ob ich ein Superheld sei - so wie die aus dem Fernsehen, die immer böse Jungs verkloppen.
Ähh, klar Kleiner, aber meist finde ich keine bösen Jungs und kloppe mich mit meinen Freunden...


Jaja, die Begeisterung japanischer Jungs für den Kampf Mann gegen -ähm, wasauchimmer - beschränkt sich auf Digitale Medien.
Dort ist er dafür absolute Pflicht: in der Streetfighter-Nation gibt es so viele Prügel-Spiel-Automaten in den Spielhallen wie sonst was. Und die Dinger ziehen einem genau so schnell das Geld aus den Taschen wie eine Yakuza-Bande, wenn man nicht verdammt aufpasst. Whuuuuaaaa!




Schließlich finde ich dann doch noch eine Kampfsport-Schule bei der ich glücklich werde: Nihon-Kempo (übersetzt etwa: "Japanisch-Boxen") heißt der Spaß. Nach ein paar Monaten Formen lernen gehts los: Man bekommt einen Tiefschutz, Brustpanzer und Eisen-Maske... und dann so richtig auf die Nuss!
Ernsthafte Verletzungen sind Dank der Panzerung sehr Unwahrscheinlich, aber trotzdem spürt man jeden Treffer. Kein Abend an dem ich nicht mit blauen Flecken und schmerzendem Kinn nach Hause wanke! Ja, sie erraten es schon: ein riesiger Spaß!

Hier die Highlights:
a) Japanischer Opa etwa so groß wie alt (cm = Jahre), und absolut unbesiegbar. So schnelle Konter dass man sich Fragt ob sie Gesetze der Physik das noch freiwillig mit sich machen lassen, oder ob er die auch regelmäßig verdrischt. Natürlich hat er den Erfahrungs-Bonus, aber könnte er sich nicht ein bisschen an seiner Altersgruppe orientieren? Aber da wirbelt er schon wieder unter meiner Deckung durch klatscht mir eine und grinst dabei freundlich.

b) Endlich schaffe ich es mal einen (anderen) Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen. Er stürzt und - wie ich das im Taekwondo gelernt habe - gebe ich ihm noch einen sauberen Finishing-Hit auf den schwergepanzerten Brustkorb. (Zitat: "Der steht ja sonst gleich wieder auf!"). Voller Stolz gehe ich in meine Ecke zurück. Doch der Meister ist nicht ganz zufrieden. Hätte ich mir denken können, dass das in Japan als Unehrenhaft gilt...
> "Also, der Wurf war gut, aber du darfst nicht gleich aufhören! Immer feste druff, links, rechts, zack! Der Schiedsrichter sagt dir schon wenn du aufhören sollst!"
Von da an gebe ich mir nochmal extra Mühe mich nicht selbst umwerfen zu lassen!

c) Mit mir zusammen trainiert noch ein anderer Austausch-Student: ein zwei Meter großer Holländer.
Irgendwann kommen die Japaner auf die lustige Idee uns mal gegeneinander Kämpfen zu lassen.
"Oh, prima! Nachdem er auch Anfänger ist, brauchen wir uns ja nicht so anstrengen", dachte ich mir so.
10 Sekunden und 5 rechte Gerade später denke ich eher so "DU VERDAMMTER BASTARD! DIR WERD ICH GLEICH....!"
Aber leichter gesagt als getan: seine Arme und Beine sind gut 15cm länger als meine. Ein Unterschied der mir schwer zu schaffen macht. Eben waren seine Fäuste noch so weit weg, und plötzlich sind sie in meinem Gesicht! Unfair, das!
Es dämmert mir langsam, dass das derselbe Größenvorteil ist, den ich gegenüber den Japanern genieße... so fühlt sich das also an gegen mich zu kämpfen...? Zack, hab ich schon wieder dieses Bein im Bauch.

Als er nach dem Kampf seine Maske abnimmt und ich sehe wie ausgelaugt auch er ist, bin ich vollends im Nirvana.
Hände schütteln und ein Bier trinken gehen!



Tja, und jetzt:
am neuen Campus gibts keinen Kampfsport mehr, und auch der Holländer ist wieder nach Hause gefahren.
Muss ich halt selber anfangen: einmal die Woche wird der Allzweckraum gebucht, und dann bringe ich den Leuten mal etwas Taekwondo bei! Kihap!


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