Montag, 2. Dezember 2013

Einen im Tee

In zwei Jahren Palavern seriöser Berichterstattung über Japan immer noch kein einziges mal über Tee geredet? 
Das muss ich doch gleich mal ändern!

Da muss man allerdings etwas vorsichtig sein, denn die Bedeutung des Wortes "Tee" ist nicht ganz einheitlich.
In Deutsch benennen wir alles "Tee" wo man heißes Wasser drüber kippen kann, und das Wasser danach noch trinkbar ist. Gerne auch Obst oder Unkraut (Brennnessel-Tee? Wirklich?).
Einzige Außnahme: wenn Fett drin ist, nennen wir das Wasser danach "Suppe"; oder "Brühe" wenn wir uns noch nicht ganz sicher sind was es ist. Kann man das Wasser nicht mehr trinken, nennen wir es "Abwasser" oder "Rooibos".

Japaner sind da wesentlich spezifischer. Das Wort "Tee" ist für richtigen, echten Tee reserviert - also: die Tee-Pflanze. Das heißt aber nicht, dass Tee hier ein einseitiges Erlebnis wäre!
Ein kurzer Tee-Führer durchs Land der aufgehenden Teekanne....

Eine wichtige Information voraus: die silbe "Cha" ("Tee") wird "Tscha" ausgesprochen. Wie "Checker". Also bitte das Reichs-CH in Deutschland lassen.



お茶 O-Cha:
Der einzige Tee der so sehr Tee ist, dass er keine Zu-Silbe braucht und einfach nur das Ehrenhafte-"O" bekommt: der Grüne Tee. Der ist so ursprünglich, frisch und unverdorben, da schmecken sie das Tee-Feld noch. Im Klartext: er schmeckt ziemlich nach Gras. (Manche sagen gar "Alge"). Das fällt um so mehr auf, als dass er pur, ohne Zucker oder Zitrone getrunken wird.
Und es ist ein absolutes Standard-Getränk. Also ohne "Tea-Time" und Zeremoniell. Wie "Standard"? Also bei uns in der Uni-Kantine kriegt man das Zeug umsonst.
Also nicht: zum Essen dazu - Sie brauchen dafür nicht extra Essen zu kaufen. Sie kriegen auch einfach so Tee.
Wenn sie wollen.
Wenn nicht gibt's Wasser.


抹茶 Maccha:
Wenn man grünen Tee aufkocht, dann eindickt, das übrig gebliebene Pulver aufhebt und später wieder in heißem Wasser auflöst... hat das Zeug eigentlich nicht mehr viel Ähnlichkeit mit Tee.
Zumindest erzählt man sich, dass die grüne Brühe "Maccha"(könnte man grob mit "Reibe-Tee" übersetzen) so hergestellt wird. Kenner werfen dann ein, dass man für den "echten" Maccha auch eine ganz besondere Tee-Sorte braucht, und das Pulver dass man so zu seinem Sushi bekommt gar kein Maccha ist. Wie dem auch sei: es ist der traditionelle Tee für die japanische Tee-Zeremonie. Und so bitter, dass die Japaner für die Tee Zeremonie extra Süßigkeiten erfunden haben um das Erlebnis etwas positiver zu gestalten. Man könnte es also als den "Espresso" des Tees bezeichnen (tatsächlich habe ich mal ein Getränk namens "Green-Presso" gefunden, dass starke ähnlichkeit mit Maccha hatte).
Und was macht man mit Espresso?
Richtig: dicke Milch und Zucker rein und als "Latte Macchiato" verkaufen! Und so finden sie auch "Maccha-Latte" in jedem Supermarkt. Und das schmeckt gar nicht mal schlecht. Wenn sie sich nicht daran stören, dass ihr "Latte" grün ist und nach Tee schmeckt...


ほうじ茶 HōjiCha:
Eine andere Alternative dem grünen Tee das Grasen auszutreiben ist: ihn zu rösten! Dann schmeckt er sehr viel angenehmer. Auch ist er sehr viel angehemer zuzubereiten: sie werfen einen Beutel in einen großen Pott kaltes Wasser uns stellen das für ein paar Stunden in den Kühlschrank, und schon haben Sie reichlich kalten, leckeren Tee. Vor allem im Sommer also eine tolle Sache!
Sie sollten den Beutel allerdings nicht vergessen, sonst schmeckt ihr Tee irgendwann wieder unabsichtlich nach Alge...


紅茶 KōCha:
Denn wenn man sich das was wir so als "schwarzen Tee" bezeichnen genau anschaut, dann ist der eigentlich gar nicht schwarz! Sondern Karmesinrot!
Ähm, vielleicht auch nicht. Die Japaner sagen trotzdem "roter Tee" dazu.
Pur ist das Zeug auch nicht besonders beliebt, auch wenn man ihn immer wieder sieht.
Aber mit kräftig Zucker und Milch (oder alternativ Zitrone) wird er zum Verkaufsschlager: 午後の紅茶 (Gogo-no-Kōcha) - "Afternoon Tea" gibts an fast jedem Getränkeautomaten (also: überall) und versucht an Englische-Kolonialzeit-Tea-Time-Gefühle anzuknüpfen. Nachdem die Japaner das Ende der Kolonialzeit auf der richtigen (also falschen) Seite verbracht haben, fühlen sie sich von solchem Marketing auch nicht abgeschreckt.


烏龍茶 Ūlong-Cha:
Der "Raben-Drachen-Tee" ist ein Kulturimport aus China. Dort lässt man den Tee etwas zu lang in der brütenden Sonne stehen, dann schmeckt er sehr sanft, ohne eine Spur von grasigkeit. Das gefällt den Japanern. So gut, dass der Tee ein Standard-Geränk ist für, wenn man ausgeht aber keinen Alkohol trinken will. Also sowas wie Apfelschorle ohne Frucht oder Kohlensäure. Und weil die Alkoholiker Alkohol-Trinker da neidisch werden, haben sie mit dem Zeug auch gleich allerhand Alkohol-Mix-Getränke erfunden. Ich glaube mich erinnern zu können in einer sehr abgestürtzen Nacht einmal "Jägermeister-Ūlong" getrunken zu haben. Allerdings sind Nächte in denen man "Jägermeister-Ūlong" trinkt genau diese Art von Nächten bei denen man am nächsten Morgen nicht sicher ist ob sie überhaupt stattgefunden haben.
...stattgefunden haben sollen.
...man öffentlich zugeben möchte, dass sie stattgefunden haben.
Vergessen Sie den letzten Abschnitt einfach wieder. Es gibt keinen "Jägermeister-Ūlong".


麦茶 Mugi-Cha:
Hab ich vorhin behauptet, Japaner sagen "Tee" nur zu echtem Tee? Haha, voll angeschmiert!
Sie können auch einfach ihre Gerste rösten und dann in heißes Wasser werfen. Dann heißt das Mugi-Cha oder "Gersten-Tee". Das klingt ein bisschen kratzig und so schmeckt es auch. Das Getränk ist vor allem im Sommer beliebt (als Kaltgetränk) und lässt sich ähnlich leicht herstellen wie HōjiCha. Allerdings ist die zeitliche Toleranz sehr viel geringer: eine Stunde zu lang den Beutel drin gelassen, und ihr Tee verwandelt sich in eine schwarzbraune Brühe von unvergleichbarer Bitterkeit. Also schütten Sie's weg und versuchen das ganze nochmal. Kann gerne auch mehrfach wiederholt werden wenn man etwas vergesslich ist. Dann steigt man irgendwann auf HōjiCha um, der schmeckt besser, hat Koffein und ist pflegeleichter.



Und wer schon immer mal die andere Seite des belieben Kultur-Schockings sehen wollte, hatte dazu letztens Gelegenheit:
ein Doctor-Student kommt aus seinem Austausch-Aufenthalt aus Hongkong  zurück.
"Und, war was?"
"Die tun da Zucker in den (grünen) Tee!"
Angewiederte Gesichter.
"Zucker?!"
"Zucker."
"... ist ja ekelhaft!"

Sonntag, 10. November 2013

Familiensache

Und jetzt stellen wir uns mal vor: Sie werden in eine Japanische Familie hinein-geboren.
Das macht den ganzen Text so schön subjektiv. Da muss ich mich dann auch nicht schämen aus meinem begrenzten Wissensschatz zu sprechen.

Sie werden also geboren und sind vermutlich nicht der/die Erste (oder Letzte):
trotz Rekord-tiefer Geburtenrate kenne ich kaum Einzelkinder.
Es gibt zum Ausgleich einfach eine große Zahl Leute die das mit dem Kinder-kriegen ganz lassen.
Aber da wurden Sie nicht geboren.


Also irgendein Brüderchen oder Schwesterchen werden sie schon haben.
Eines scheint der häufigste Fall zu sein, zwei Geschwister zu haben ist eher selten.
Es kommt also vermutlich niemand mehr nach.
Auch weil Japaner - vor allem die Herren - nach dem Kinder kriegen gerne mit dem Sex haben aufhören. Warum ist nicht so leicht zu verstehen - kann man ja nicht so direkt Fragen (also: ich kann nicht fragen, ohne in Schwierigkeiten zu kommen). Manche Behaupten dass die Frau in der "Mutter"-Rolle vom Mann auch als seine neue Mutter angesehen wird, und er dann seine Mutter einfach nicht mehr sexy finden kann. "Sexy" wird dann ein Fall für "Out-Sourcing".

Aber egal: ein Geschwisterchen reicht Ihnen schon. Das wird dann netterweise auch gleich auf seine neue Identität als "Geschwisterchen" eingeschworen. Denn Kinder werden immer nach dem Familienstand angesprochen: "großer Bruder" oder "große Schwester" - und zwar immer aus Sicht des kleinsten Kindes, dass dann automatisch das "kleine Brüderchen/Schwesterchen" wird.
Für sie ist das also normal, wenn Ihre Mutter das andere Kind mit "große Schwester" anspricht. Sie verstehen also gar nicht, warum sich dieser Ausländer da verwundert am Kopf kratzt, wenn eine Erwachsene Frau ein Kleines Kind als "große Schwester" bezeichnet.

Im Übrigen bleibt noch zu erwähnen, dass sie den besonderen Titel "End-Kind" tragen dürfen, bis doch noch Nachwuchs nachkommt. Kommt aber nicht - bleibt ihnen also erhalten.

Das in China übliche "Cousins werden auch als Geschwister gesehen" gibts hier nicht. Aber vielleicht kommt das noch in Mode wenn mehr Einzelkinder geboren werden.




Sie wachsen also auf ohne Vater, weil: der ist auf der Arbeit. Oder mit dem Boss einen trinken. Nach wie vor kommen viele Männer nur zum schlafen nach Hause, wenn überhaupt.
Können einem Leid tun, die armen Kerle, immer so viel Druck... hab ich gedacht. Bis dann unser Hilfs-Professor nach dem verpflichtenden Teil der Party (ja, das haben sie richtig gelesen: die brauchen ein Attest um nicht mit dem Professor zu trinken) lieber doch noch mit uns in eine andere Bar geht als zu Frau und Kindern nach Hause. Ohne den Professor - der geht nach Hause zu Frau und Kindern. Also denke ich jetzt das viele Männer sich auf der Arbeit vor ihrer Familie verstecken.

Ihre Mutter würde auch lieber weiter Arbeiten, aber hat Angst als Rabenmutter zu gelten und würde ihre alte Stelle eh net mehr kriegen.

Also gehen sie in die Schule und verbringen dort den Großteil ihrer Zeit - gerne auch Samstag und Sonntag. Sie büffeln gewaltig, weil: die Landesweiten Aufnahmeprüfungen für die Unis sind hart! Wer hier nicht Top in Mathe ist, darf sein Philosophie-Studium nur nur an einer Wald-Und-Wiesen-Uni abhalten! Fragen sie mich nicht wo da der Zusammenhang besteht, aber darüber haben sie auch gar keine Zeit nachzudenken.

Kaum haben sie es in die Uni geschafft fragen sie sich auch schon warum sie überhaupt dafür gelernt haben: das Bachelor-Studium ist so lax, dass Sie eigentlich auch gleich mal ein Semester Deutsch lernen können, weil: war halt sonst nicht so viel zu tun.

Dann kommt die große Entscheidung auf sie zu: Arbeiten bis zum umfallen oder den Master machen... und lernen bis zum Umfallen. Denn hier ist der Spaß des Lebens vorbei!



Bis sie in den Ruhestand kommen - dann geht's wieder so richtig los!
Sie gehen Joggen im Park, geben kostenlose Sprachkurse für Ausländer, klettern auf Berge und machen auch sonst allerhand Zeug das man im Ausland lieber der jüngeren Generation überlässt.
Angst ins Altersheim abgeschoben zu werden müssen sie nicht haben - solange Sie zeitig in Kinder investiert haben, haben sie ihren eigenen Heim-Pflegedienst. Selbst Bettlägerige Senioren werden Zuhause behalten und von Töchtern oder Schwiegertöchtern (schon vergessen: Sohnemann muss arbeiten!) gepflegt.
Außerdem gehen sie jetzt vermehrt in Tempel und auf Pilger-Wanderungen. Man muss ja schon bei Zeiten fürs Leben danach gewappnet sein... falls da der gleiche Spaß nochmal auf sie warten solle...


Samstag, 2. November 2013

Aufwärts!


Als ich zum ersten mal nach Japan kam, wollte ich wirklich das ganze Japan kennen zu lernen, und nicht nur die Touristen Hochburgen. Also auch die Vororte: das war leicht. Die Industrie-Anlagen: das war schon ein bisschen abenteuerlicher. Und die Berge...
Das war schwierig! So ohne Japanischkenntnisse.
Also: das Englische Internet gefragt.
Dort fand ich dann ein Forum wo jemand ähnliches Interesse gezeigt hat.
Antwort, genau eine, "gibt's nicht; ist ja alles mit Städten zugebaut; und selbst wenn, Berge sehen eh überall gleich aus".
Da musste ich erstmal schlucken.
Wer 5 Minuten Zeit hat auf Google Earth zu schauen wird sehen, dass Japan eigentlich fast ausschließlich aus Bergen besteht. Die 120Millionen Japaner drängen sich alle in Ballungszentren entlang der Küste.
Also ignoriert man von jetzt an gute Ratschläge und geht einfach los, wohin immer man eine Spitze am Horizont sieht.
Dann geht es Bergauf...


Mt. Aso:
Auf einem Abstecher nach Kyushu (der südlichen Insel) will ich auf den berühmten heiligen Berg Mt. Aso - einem immernoch aktiven Vulkan.
Also packe ich extra meine Bundeswehr Stiefel ein (damals waren die noch heil), damit ich da auch anständig hoch komme.
Nach einer schier endlosen Bahnfahrt durch die Pampa komme ich am Fuß des Berges an.
Der "Fuß" ist aber erstaunlich weit weg vom Berg.
Kein Problem: gibt einen Bus.
Nach einer schier endlosen Busfahrt durch die Pampa.... MOMENT MAL! Hält der Bus nicht irgendwann an um die Leute auf den Berg steigen zu lassen?
Nein, tut er nicht. Er fährt selbst auf den Berg. Bis zur Bergstation, unmittelbar unter dem Kraterrand.
Wer die letzten 10 Minuten auch nicht mehr laufen möchte, kein Problem, gibt eine Seilbahn.
Ja, eine Seilbahn für etwa 800 Meter Strecke und 50 Meter Höhenunterschied.
Ich gehe lieber hinten rum zu Fuß. Vorn geht heute nicht, weil der Aso, der gerne noch giftige Dämpfe spuckt, heute die Vorderseite gesperrt hat.
Auf der Rückseite wander ich dann die Straße hoch.
Ja, es gibt eine Straße hier hoch. Sie können mit dem Auto bis zum Kraterrand fahren, aus dem Fenster photographieren und wieder herunter fahren ohne auszusteigen - wenn sie wollen.
Will ich nicht.
Weiß auch nicht warum das jemand wollen würde.
Kein Wunder, dass der Berg nicht so berühmt wird wie der Fuji, wenn er es seinen Besuchern so einfach macht. Gas und Steine spucken hilft da auch nicht - sind ja alle 10 Meter Schutzbunker.
Mäßig enttäuscht wandere ich zurück zum Bus.
Im Zug lerne ich wenigstens noch ein paar Junge Leute kennen. (Damals war ich auch noch jung, das hat gut gepasst).
Eine davon, mit der ich mich besonders gut verstehe, erzählt mir von ihrer Jugendherberge, die sie in Seoul (Korea) mit leitet. Sie schenkt mir einen Anstecker und läd mich ein mal vorbei zu schauen. Ich wollte ja immer schonmal nach Korea...
Hey, Moment: jetzt wo ich das schreibe... verdammt, letzte Woche war ich doch ein Seoul!
Gnaa, hätt ich den Blog halt ein paar Wochen früher geschrieben...


Mt. Hira:
Ich werde eingeladen auf einen Berg in der Nähe von Kyoto zu steigen.
Der Clou: man steigt entlang eine Gebirgsbaches auf, der auch mehrere Wasserfälle zu bieten hat.
Man ist also doch ganz schön am Klettern.
Die andere Gruppe die wir sehen - Schulkinder mit zwei Bergführern - kommt gleich in Neoprenanzug. Sie gehen also - zumindest zeitweise - im Bach.
Befürchtungen, wir könnten auch gezwungen sein Nass zu werden, bestätigen sich nicht.
Was aber auch eigener Verdienst ist, denn wo immer man den Bach wieder überquert, muss man über mehrere Felsen balancieren. Teilweise nicht weit von einem Wasserfall entfernt. Wer also hier ins Wasser fällt, fällt gleich zwei mal, und das zweite Mal ganz schon tief.
Wir entscheiden uns für "überleben und trocken bleiben".
Meine Freundin (die mich eingeladen hat) wendet sich einem kleinen Zufluss zu, streckt ihre Hand hinein, und trinkt genüsslich.
"Kann man das trinken?"
"Kann man."
Ich schaue ihr noch ein bisschen nach, ob sie das Wasser nicht doch wieder Ausspuckt.
Tut sie nicht.
Ich trinke auch.
Es gibt hier eine Gletscher und die Berge sind auch nicht aus Kalk.
Ich trinke also stilles Mineralwasser direkt aus dem Berg...



Mt. Ikoma:
Auf einer Party lerne ich zwei Japanerinnen kennen. Ihre Hobbies sind: Photographieren und Bergsteigen.
Super, da kommt ja alles zusammen wofür ich mich auch Interessiere: Bergsteigen, Photos, Japan und Mädchen!
Also lade ich sie ein, zu mir in die Provinz zu kommen, auf einen Berg zu steigen und viele Photos zu machen.
Ich habe keine Ahnung von diesem Berg. Okay, ich war einmal oben.... halb.
Hab' auch keine Karte.
Aber der Wunsch, japanisch zu Üben während ich mit Mädchen Bergphotos mache ist stärker als die Angst sich zu blamieren.
Ich drucke mich aus Google Maps screenshots aus. Da sind Wanderwege jetzt nicht wirklich gut verzeichnet.
Aber ich finde einen Blog Eintrag von jemandem, der da auch schonmal hoch ist.
Ich versuche verzweifelt seine Route auf meiner Google-Maps Karte zu rekonstruieren. Tolle Photos hatte er ja, aber lausige Wegbeschreibungen.
Aber irgendwie wir's wohl gut gehen, denk ich mir.
Wir steigen also auf den Berg. Wie gesagt: die erste Hälfte kenne ich.
Dann kenne ich mich nicht mehr aus, lass es mir aber nicht anmerken.
Am Gipfel kommen wir an einem Vergnügungspark vorbei.
Was zu Hölle haben die Japaner mit ihren Bergen?! Können sie die nicht einfach Berg sein lassen?!
Wir gehen nicht rein, sondern laufen die Bergschulter Entlang. Immer wieder haben wir tolle Aussicht über Osaka.
Wir kommen in ein winziges Bergdorf - so klein, dass auf die einzige Straße hier hoch nur ein Auto passt. Wie ich später lerne ist dies nicht nur eine der ältesten Straßen Japans (existent seit Nara-Periode) sondern auch die steilste.
Glücklicherweise haben sie gerade Heute ein kleines Fest.
Wir bekommen in Soja gekochen Rettich und Ruhen uns etwas aus.
Ich lasse mir nicht anmerken dass ich nichtmal wusste, dass es hier ein Dorf gibt.
Dann steigen wir auf der Rückseite wieder herunter. Irgendwo werden wir schon raus kommen. Alle Wege führen nach Osaka... hoffentlich....
Wir kommen an eine Brücke.
Ich lasse mir nicht anmerken, wie froh ich bin die Brücke aus dem Blog-Eintrag auch wirklich gefunden zu haben!
Damit bin ich - im Wahrsten Sinne des Wortes - über den Berg.
Ich kassiere Lob und Anerkennung für meine Fähigkeiten als Bergführer und denke mir: Jap, das machst du bald mal wieder!


Wo ich gerade dabei bin: am Montag gehe ich wieder in die Berge.
Diesmal haben sich schon etwa 8 Leute angeschlossen.
Wieder habe ich keine Ahnung von dem Berg, den ich sie hochtreibe.
Es bleibt also spannend und geht aufwärts.

Mittwoch, 23. Oktober 2013

Seoul, Korea

"Hey Leute! Diese Billig-Airline hat ein Sonderangebot! Da kommen wir Spottbillig nach Seoul! Wer ist dabei?"
"Ich!"
"Hier!"
"Ich auch!"
"GEBUCHT! Das wird bestimmt lustig wenn wir zusammen..."
"Ich hab' familiäre Probleme!"
"Ich bin krank."
"Ich hab Stress im Labor!"
"Ähh, was?!"
Und so flog ich allein mit 4 Sitzen nach Korea.
Abenteuer müssen immer so anfangen!


Angekommen, verwandle ich mich spontan in einen Touristen.
Ich verstehe kein Wort Koreanisch und kann auch nichts mehr lesen.
Das Geld, sobald ich es denn aus dem nächstbesten Automaten ziehe, sieht merkwürdig nach Monopoly aus und bewegt sich in einem mir unbekannten Wertebereich. (10.000 Won - ist das jetzt viel oder was?)
Ich habe keine Ahnung wie das Zug-System funktioniert. So komme ich zwar in den Start-Bahnhof rein, aber aus dem Ziel-Bahnhof nicht mehr raus. Keine Ahnung was das Ticket-Gate von mir will. Gottseidank sind Koreaner ähnlich Hilfsbereit zu Ausländern wie die Japaner. Aber deutlich ruppiger und nehmen es auch mit den Regeln nicht so genau. Eine Passantin drückt mir einfach das Türchen neben dem Ticket-Gate aus und murrt etwas das wohl "da geh raus!" heißen soll.
Leider fehlt ihnen auch die Japanische Angewohnheit, Modelle und Photos ihrer Speisen vor's Lokal zu stellen. Ich verirre mich eine dreiviertel Stunde lang, bis ich eine Nudelsuppenküche finde die ich mit Zeigefinger und "that! one! please!" bedienen kann.
Hab ich schon erwähnt, dass hier niemand Englisch spricht?
Aber das Essen ist gut!
Anti-England sozusagen...



Generell scheinen die Koreaner noch nicht so ganz an Touristen gewohnt zu sein.
Beim Sight-Seeing kommen die ganze Zeit Leute auf mich zu und wollen ein Photo.
Nein, sie wollen nicht, dass ich ein Photo von ihnen mache, sie wollen ein Photo mit mir machen.
Außerdem wollen sie ihr begrenztes Englisch an mir ausprobieren.
Ich mache das gerne mit.
Wenn ich das nächste mal in Deutschland bin versuche ich das mal bei einem Koreanischen Touristen und schaue wie der reagiert.

Ich muss dazu sagen, dass das nur die jüngere Generation macht.
Die älteren Koreaner drücken ihr Interesse anders aus.
Auf der Toilette stelle ich mich irgendwo an die lange Reihe an Pissoirs - eigentlich ein sehr langes durchgängiges Pissoir wenn man so will.
Ein Mann im mittleren Alter stellt sich direkt neben mich, obwohl alles frei ist.
Vielleicht pinkelt er nicht gern allein...
Dann guckt er aber doch recht auffällig zu mir 'rüber...
Guckt wieder weg.
Guckt nochmal sehr auffällig 'rüber...
Ich glaube Sie haben schon erraten, dass er mir nicht aufs Gesicht schaut.
Er guckt wieder weg, guckt ein bisschen in der Gegend herum.
Dann guckt er aber doch nochmal ganz genau....!
Wollen Sie nachmessen?! Hab das Lineal gerade nicht da...




Korea ist ja für seine Küche berühmt.
Also lass ich mir keine Gelegenheit entgehen in einem traditionellen Restaurant einzukehren und irgendetwas zu bestellen von dem ich keine Ahnung habe was es ist.
Ich deute also auf etwas in angemessener Preislage und - wenn vorhanden - ansehnlichem Photo. Englische Untertitel sind eher rar.
Heute aber steht etwas besonderes auf dem Plan: Koreanisches Barbecue!
Weltberühmt, wurde mir gesagt. Da hat man den Holzkohlengrill im Tisch eingebaut und bekommt Fleisch, Zutaten, Soßen und Beilagen extra angeliefert.
Die Beilagen waren nicht abgebildet, also mache ich den Fehler mir eine Nudelsuppe dazu zu bestellen. Obwohl ich alleine sitze ist der Tisch voll: Salate, Eingelegtes, Zwiebeln, noch ein Salat, ein Teller mit roter Paste, ein Teller mit Salatblättern die nicht angemacht sind, Soßen.
Ich habe keine Ahnung wie man das Zeug bedient.
Die Bedienung spricht weder Englisch noch Japanisch.
Sie ist Chinesin.
Das erweitert mein Vokabular auf: "Schön sie kennen zu lernen" und "Ich spreche kein Chinesisch".
Ich gucke beträufelt.
Sie hat Mitleid und versucht mir mit Handzeichen zu erklären, was ich machen soll.
Wir einigen uns also irgendwie darauf, dass die Zwiebeln in die Soße kommen, und man das Fleisch in die rote Tunke tippt.
Während es brutzelt esse ich schonmal einen der Salate. Ich esse ihn auf weil: Deutsch!
Das war ein Fehler! Ehe ich gucken kann steht derselbe Salat wieder auf dem Tisch.
Nachdem die Bedienung vergebens versucht hat mir zu erklären, dass man das Fleisch in ein ungarniertes Salatblatt wickelt, überwindet sie sich und macht es selbst.
Scheu schaut sie mich an als sie mir das gewickelte Ding in die Hand gibt.
Ich stecke es mir in den Mund.
Es schmeckt köstlich!
Ich sage laut "Mhhmm!" und mache eine Kombination aus Nicken und Verbeugen.
Wir lachen beide.
Gott sei Dank ist sie Chinesin: so kann ich wenigstes "Danke" sagen.

Ich kann mich nicht überwinden den Salat NICHT aufzuessen. Diesmal aber bin ich vorbereitet und kann sie rechtzeitig davon abhalten mir noch einmal einen Salat zu bringen.


So bekomme ich dann irgendwann auch den Tisch leer.
Ich bedanke mich nochmals, sie lächelt und sagt etwas dass ich nicht verstehe, ich sage ihr, dass es nett war sie kennen zu lernen, dann gehe ich.

Auf der Straße fange ich laut das Lachen an und wandere glücklich nach Hause.




An einem verkaterten Morgen entscheide ich mich, die Koreanischen Schriftzeichen zu lernen.
Die haben nämlich ihre eigenen Schriftzeichen erfunden.
Die sehen von weitem zwar genau so abschreckend komplex aus wie das Chinesische / Japanische Pendant, aber - so wurde mir gesagt - folgen sie einer inneren Logik und sind daher sehr leicht zu verstehen.
Also Spiel ich mir entsprechende Materialien aufs Handy und mache mich auf den Weg zum Taekwondo Welt-Zentrum Kukkiwon. 
Ich verfahre mich mit der U-Bahn, so fokussiert bin ich aufs Lernen.
Ein Taekwondo-Turnier und ein Mittagessen später gehe ich mir erstmal einen Kaffee kaufen.
Zumindest hoffe ich, dass es Kaffee ist - der Plastikbecher sah irgendwie danach aus.
Hey! Gute Gelegenheit meine neuen Koreanisch-Kenntnisse zu testen!

바닐라라떼, steht da...


b... ba n..ni..nir r..a ra tt...tte
 

Vanilla Latte?!
 

Ich öffne den Deckel und trinke einen Schluck.
Yap: Vanilla Latte!



Erster Gedanke: Hey, mein erstes koreanisches Wort!
Zweiter Gedanke: Mist, falschen Kaffee gekauft!




Montag, 30. September 2013

Ausländer

HINWEIS: Hier beginnt der ironisch gemeinte Teil des Textes, und er hört auch bis zum Ende nicht mehr auf!

Einer gängigen Logik folgend dürfen Angehörige einer Minderheit über eben diese Minderheit selbst nörgeln und sich lustig machen.
Keine Ahnung wer sich das ausgedacht hat, aber es gibt mir die einmalige Gelegenheit meinem Fremdenhass mal freien Lauf zu lassen: auf michselbst und meinesgleichen.
Also Obacht: die drei Typen Ausländer die man gängigerweise Trifft.



Englischlehrer
Ein gehöriger Batzen Ausland, meist aus den USA, manchmal auch aus Kanada oder Australien, schlägt sich hier als Sprachlehrer durch.
Das können sie, weil: sie können Englisch.
Also nicht das sie Zuhause Literatur oder Englische Dichtkunst studiert hätten. Ist halt ihre Muttersprache. Pädagogik oder Lehramt auch nicht.
Also Zuhause würden sie sich vielleicht etwas schwer tun.
Aber hey, sie sind in Japan! Da ist "Englisch können" schon eine Qualifikation in sich.
Also tun sie sich in Japan etwas schwer.
Einerseits weil ihre Motivation Japanisch zu lernen oft auch nicht beeindruckt. Eine Bekannte konnte trotz ihrer 4+ Jahre in Japan noch nicht genug Schriftzeichen um meine SMS mit Japanischer Begrüßung zu verstehen. Also: nur die Grußformel war Japanisch...
Andererseits haben sie es aber auch nicht so leicht in Japan weil der Beruf nicht gerade ein Freifahrtschein nach Disneyland (Tokyo) ist.
Nachfrage gibt es zwar genug - so viel dass ich selbst auch schon öfter gefragt wurde ob ich nicht unterrichten will - aber die Bezahlung ist mäßig und Aufstiegschancen, äh, ja, wohin? Von "Lehrer ohne Erfahrung" zu "Lehrer mit Erfahrung"?
So zieht der Job natürlich auch eher fragwürdige Gestalten an. Einer davon beschwerte sich kürzlich, dass er seine Schüler nicht motivierend unterrichten will: die sollen gefälligst schon motiviert zu ihm kommen!


Ob's auch Lehrer für andere Sprachen gibt als Englisch?!
Vielleicht ein oder zwei. In ganz Japan.
Ernsthaft: die Japaner sind schon mit Englisch lernen genug gefordert, da haben sie kein Geld und keine Zeit mehr für eine zweite Fremdsprache, außer an der Uni...



Austauschstudenten
An anderer Stelle in diesem Blog habe ich ja schonmal über den "Studenten Jet-Set" geschrieben.
Damals nicht erwähnt habe ich, dass die Austauschstudenten tatsächlich eine recht große, representative Minderheit hier sind. Wenn ich irgendwo Ausländer treffe, sind sie (wenn denn nicht Englischlehrer) meist Studenten.
Gut, ich treibe mich halt auch in den entsprechenden Gegenden und Etablissements herum, aber das tue ich als Student ja schon per definition.
Japan versucht tatsächlich aktiv Fremd-Studenten anzuziehen - die Politiker denken sich da wie Politiker das immer gerne tun eine Zahl aus, und so viele Studenten möchte man dann gerne anlocken.
Meist mit Publicity, Networking und finanziellen Anreizen wie Stipendien.
Was die Leute aber eher abschreckt sind Bürokratie und, naja: die Sprache.
Englische Studiengänge sind eher selten, und technisches Japanisch kein Spaß. (Stellen sie sich vor, ihren Gesamten Wortschatz seit der 6 Klasse neu lernen zu müssen, und für jedes Wort noch ein nettes Schriftzeichen dazu).
Doch dafür dürfen sie sich über gesenkte Hürden freuen: die Professoren und Prüfungsgremien sind deutlich netter zu "Internationals" als zu Japanern. Einerseits haben sie wohl Mitleid mit den armen Irren, andererseits wollen sie niemanden vergraulen der mal ihr internationales Netzwerk ausbauen könnte. Kurz: wir genügen eigentlich Japanischen Qualitätsansprüchen nicht, werden aber trotzdem geduldet.

Und so wagen sich jedes Jahr wieder viele Leute aus aller Herren Länder her.
Auch solche Länder, von denen man keinen regen Austausch erwartet hätte, wie Afghanistan, Iran oder der Schweiz. Nur Nordkoreaner habe ich noch nicht getroffen.

Und wenn sie fertig sind mit ihrem Semester oder Abschluss?
Nun, die meisten gehen wieder heim, doch einige bleiben und suchen sich Jobs.
Oft sind das die Asiaten unter den Studenten...



Immigranten
Leute die zum Arbeiten und Leben kommen und bleiben sind in der mehrheit Chinesischen (inkl. Taiwan) und Koreaner (exkl. Nordkorea). Die stellen dann auch den größten Ausländeranteil.
Für mich ist das oft nicht sofort erkennbar, ob jemand Japaner oder Chinese ist, aber laut Wikipedia ist das so.
Diejenigen die ich selbst kennen gelernt habe, haben sich aber auch schon so gut eingelebt, dass wohl selbst für die Japaner kaum "fremd" sein dürften.
Jedenfalls konnte ich, anders als oft erzählt wird, nie offenen Rassismus oder Ausgrenzung erkennen.
Zwar sagen mir die Immigranten, dass in den Feinheiten der Sprache doch gelegentlich ein bisschen Abneigung mitschwingt, aber hey, ich hab in Österreich studiert. Da muss man nicht erst die Feinheiten der Deutschen Sprache ergründen um die Beleidigung zu verstehen.
Aber ein Schmäh hier und da macht die Österreicher doch net zu Rassisten.
 Moment, ich kriege hier gerade aktuelle Wahlergebnisse rein...
FPÖ 21%?!
Gut das ich rechtzeitig nach Japan evakuiert habe!

Samstag, 21. September 2013

Photographia Exotica

Schlechte Nachricht: Kann gerade nicht aus Japan berichten.
Gute Nachricht: Als Wiedergutmachung gibt's ein paar Photos aus meinem Urlaub.
In welches exotische Land hat es mich da wohl verschlagen?















Donnerstag, 29. August 2013

Heißa

Es ist heißer hier.
Nicht einfach nur heiß, sondern heißer!
Also egal wo sie jetzt gerade sind und wie sie auch schwitzen, in Osaka (oder der Kansai-Region im allgemeinen) ist es immer noch heißer!
Woher ich das weiß?
Weil International-Students von überall auf der Welt dasselbe erzählen: hier ist es heißer als Zuhause.
Und so blieb Stück für Stück immer weniger von der Welt übrig, wo es denn noch heißer sein könnte.
China? Taiwan? Also wenn sie sich auf eines einigen können, dann das es dort unten viel angenehmer ist.
Puerto-Rica? Die Arme muss sich schon Spezial-Deo importieren um den Sommer ohne Stilbruch zu überstehen.
Tailand? Da Lachen sie nur freundlich im Chor.
Saudi-Arabien? Der arme Kerl kann sich gar nicht schnell genug den Schweiß von der Stirn wischen um zu erklären wie viel schlimmer Osaka ist.

Und die Japaner? Die nögeln eh immer übers Wetter. Von Mai bis September ist es viel zu heiß, von November bis März viel zu kalt. Nur im April und Oktober finden sie es kurz mal ganz nett, warnen aber Gleichzeit davor, dass es jetzt ganz schnell heiß (oder kalt) werden wird.

Nur eine Japanerin outete sich schließlich als Sommer-Liebhaberin:
der Strand macht's wieder wett!
Und im Wasser stört's auch keinen wenn man schwitzt...



Wenn man denn seinen Strandaufenthalt auch ungestört genießen kann!
Denn obwohl wir beide denselben Wunsch nach planschen und schwimmen haben, konkurrieren wir doch um das Vorrecht das auch machen zu können. Wir, dass sind wir Menschen und... Quallen.
Die Quallen waren zugegebenermaßen zuerst da, könnten aber auch weiter draußen ihren Spaß haben. Aber das wollen sie nicht. Sie wollen auch an den Strand.
Also kämpfen wir darum. Ihre Hauptwaffen sind: stechen (aber das können nicht alle) und: sich voll ekelig anfühlen!
Das ist effektiver als man denkt! Ich wäre bald ertrunken. Vor Lachen. Weil mein Freund jedes mal kreischt wie ein kleines Mädchen wenn er wieder eine Qualle berührt. Also durchgehend, weil: so dicht wie die Quallen hier schwimmen berühren die sich ja schon gegenseitig.
Unsere Waffe: die von ihnen die nicht stechen können auf Leute schleudern, die dann kreischen wie kleine Mädchen.
Man kann sie sich auch auf den Kopf setzen. Sieht sehr lustig aus: Gelatine-Mütze! Blöd nur wenn die dann doch irgendwie stechen konnte. Aua, aua, aua, Quallen-kuss!




Zurück in der Zivilisation tobt der nächste Kampf. Der Kampf um die Klimaanlage.
Verbündete in meinem Kampf keine Erkältung zu kriegen und Strom zu sparen habe ich noch nicht ausmachen können. Den Feind zwar auch nicht, aber jedes mal wenn ich wieder zum Bedien-Panel schaue (weil mir die arktische Brise fies ins Genick bläst) hat jemand wieder auf Winter geschaltet.
Ich schalte wieder auf Frühling und das Spiel beginnt von vorn...

Doch zumindest eine gewisse Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern gibt es dann doch:
Betritt man die belebten Fußgängerzonen im Zentrum von Osaka stehen dort die Hübschen und ganz besonders Hübschen: Hosts und Hostessen. Die machen Werbung für ihre Clubs wo man für ein paar (sehr viel) Yen mehr als üblich sein Bier in Anwesenheit schöner Damen oder Herren (je nach eigenem Geschlecht) genießen kann.
Und weil gut aussehen hier Trumpf ist haben sie das ganze Jahr über praktisch die gleiche Kleidung an: Herren in Anzug mit Weste und Krawatte, Damen im kurzen Kleid.
Also je nachdem in welchem Monat man sie sieht tun einem entweder die Mädels Leid ("Geh 'rein! Du holst dir doch den Tod bei der Kälte!") oder die Jungs ("Du kriegst noch an Hitzschlag! Zieh wenigstens die Krawatte aus!").
Ob das Teil der Strategie der Betreiber ist, dadurch gute Samariter als Kunden zu Angeln ("Ich zahl dir deinen Club, Hauptsache du kommst von der Straße runter!") ....
Auch interessant wäre ob sie für ihre ganz-jährig über-stylischen Frisuren wohl 3-Wetter-Taft verwenden.

Montag, 19. August 2013

Fuji

Die fantastoide Geschichte der Erstbesteigung des Mount Fuji!
Ohne Sauerstoffflasche!

Okay, zugegeben, ich war nicht der Erste, aber zumindest der Erste aus unserer Gruppe.
Und wir hatten doch Sauerstoffflaschen dabei. Aber ich hab nur aus Spaß mal daran gezogen, um High zu werden und dazu zu gehören zu den coolen Kindern, und auch nicht auf Lunge, wirklich!!

Also: die nicht ganz so fantastoide Geschichte...


Vortag:
Wir haben uns etwas mehr Zeit genommen, um auch noch das Umland sehen zu können.
Umland heißt halt: weitere Berge.
Nachdem wir uns erst mit der Entfernung verschätzen (das waren vielleicht doch "Auto-Minuten"), und dann verfahren (das dauert jetzt aber auch mit dem Auto schon zu lange), finden wir doch noch wonach wir suchen. Ein versteckt gelegenen Wasserfall!
Die anderen photographieren und zögern, aber ich zieh mich gleich aus! Wie oft hat man schon die Chance unter einem Wasserfall zu baden!?
Das Wasser ist kalt. Also so richtig, richtig bitter kalt! Ich brauche ein paar Augenblicke um ganz einzutauchen. Unter den Wasserfall zu kommen ist gar nicht so einfach. Zwar ist er nur ein paar Meter hoch, aber die Strömung zieht einem Beine und Unterhose weg und die kalten dicken Wassertropfen schlagen einem wie Hagel auf Kopf und Schulter. Bei jedem Versuch schaffe ich es nur für ein paar Sekunden dem Wasser standzuhalten bevor ich den Halt verliere und wieder weg gespült werde. Ein riesiger Spaß, den sich dann auch die anderen nicht entgehen lassen wollen.
Und so sind wir abgehärtet für den Berg!



Abend:
Wir nehmen den Bus zur Basis-Station - die ist etwa auf halber Berg-Höhe. Der Rest vom Berg hat nochmal so viele Höhenmeter wie die Zugspitze vom Fuß zum Gipfel. Wir, das sind 10 Studenten, ein bunter Haufen aus Taiwanesen, Finnen, Philipinos, Deutschen und einem Chinesen. Auch das Fitness-Niveau schwankt stark, von Mukibuden-Macho bis Couch-Kartoffel. Wie lange wir brauchen werden wissen wir nicht. Manche behaupten 10 Stunden, andere 5. Wir rechnen also mit 8 plus eine Stunde Sicherheit falls wir im Stau stehen. Also: am Berg, nicht auf der Straße, denn es ist Hochsaison.
Wir fahren Abends denn wir wollen rechtzeitig da sein: zum Sonnenaufgang.
Über uns thront gewaltig der Gipfel. Wir steigen in den Berg und in die Dämmerung hinein auf noch sehr gemächlichen Pfaden. Noch sind alle da, und alle fröhlich.
Manchmal kommen uns Leute entgegen, doch die meisten anderen Wandern auch in unsere Richtung.




Nacht:
Mit der Dämmerung verändert sich die Wahrnehmung. Man sieht plötzlich ganz andere Dinge. Man sieht die Sterne, viel heller und deutlicher als gewohnt. Man sieht die Lichter der Städte weit unter sich. Man sieht die Hälfte seiner Wandergruppe nicht mehr, weil sie etwas zurück fällt. Man sieht nicht mehr so genau wo man hin Tritt, also holt man seine Stirnlampe heraus und leuchtet sich den Weg. Stirnlampe ist eine gute Idee gewesen, den stellenweise braucht man doch beide Hände um voran zu kommen. Immer enger und steiler werden die Serpentinen. Zwar ist der Weg gesäumt von Laternen, aber die dienen eher der Wegweisung als der Erleuchtung. Naja, ein bisschen helfen sie doch.
Und alle 10 Wendungen kommt man wieder an einer Berghütte vorbei. Also wartet man mal wieder auf einige Nachzügler, trinkt einen Schluck Tee und isst einen Keks. Einkehren ist nicht: die Hütten sind alle ausgebucht mit Japanern, die den Bergaufstieg nicht auf einmal machen wollten.



Spätnacht:
Wir stehen im Stau. Musste ja so kommen.Zwischen zwei Berghütten hat sich die eine oder andere Reisegruppe dazwischen gedrängelt. Meist Japaner im fortgeschrittenen Alter. Von diesen Power-Senioren gibt es hier reichlich: man sieht sie joggend im Park oder besonders gerne auf Wanderwegen, wo sie ihren PlayStation-Kindern die Show stehlen.
Der Grund für den Stau ist also nicht die Trägheit der Leute sondern die Trägheit der Masse: der Pfad ist schlicht voll und zum Überholen zu schmal.
Alle paar Minuten geht es mal wieder ein Stück weiter.
Einer unserer Finnen wird von einem Kameramann interviewt. Wie er das fände von hier oben aus ein Feuerwerk zu sehen. Fänd' er schon toll, glaubt er aber nicht das so etwas passiert. 10 Meter weiter (für die wir etwa 20 Minuten gebraucht haben) sehen wir dann das Feuerwerk - winzig klein über der Stadt am Fuß des Berges. Sieht nicht so beeindruckend aus.
Die Schlange bewegt sich wieder ein paar Meter weiter...



Mitternacht:
Die meisten Leute sind wohl eingekehrt, oder rastieren noch an einer der Hütten. Hier Oben ist jedenfalls kaum noch jemand. Ich mache aber auch nur immer kürzer Halt um auf die anderen zu warten. Durch die häufigen Hütten und zahlreichen Wanderer sind Unfälle recht unwahrscheinlich.
Und mir ist kalt! Es hat zwischendurch mal geregnet und meine Jacke hat sich als weniger Wasserdicht erwiesen als mit Lieb wäre. Dazu der Schweiß und die sogar die Handschuhe sind nass von den Steinen die ich hoch steige.
Die Schilder am Wegessrand verspotten uns: sind doch nur noch ein, zwei Kilometer (Strecke, nicht Höhe)! Kann doch so lang nicht dauern! Doch nach einer weiteren halben Stunde kraxeln dreht einem das nächste Schild eine lange Nase: das waren doch wieder nur 100 Meter, und jeder einzelne hart erkämpft. Das wir Tagsüber kaum geschlafen haben hilft auch überhaupt nicht...
Also weiter. Sind ja nur noch 1200 Meter...

Nach Mitternacht:
Die Landschaft wird immer unwirklicher. Das Vulkangestein mit düsteren, schroffen Formen verschwindet außerhalb des Lichtkegels meiner Stirnlampe. Laternen gibt es hier schon lange nicht mehr. Wanderer auch kaum noch. Ich bin allein. Der Wind pfeift mir kalt um die Ohren. Immer wieder klettere ich halb-blind in die schwere Kette die den Wegrand markiert. Dann blicke ich mich wieder um. Meine Stirnlampe reicht nur einige Meter voraus, gerade genug um zu erkennen wo der Weg weiter geht. Dann bin ich wieder gefangen in dem kleinen Flecken Licht vor meinen Füßen...

Ein Shinto-Tor steht plötzlich quer über den Weg, das Holz weiß von der Witterung und unzählige Münzen in die knorrigen Ritzen gesteckt.
Inmitten der zerklüfteten Finsternis...  wäre es nicht hoch am Berg es müsste die Unterwelt sein in der ich hier gelandet bin.
Weiter, noch eine Hand, noch einen Fuß in den Schein meiner Lampe, wieder auf geschaut wo's weiter geht... da seh ich über mir ein blasses Licht. Das muss es sein!! Nur noch ein paar Meter...

???:
Ich trete aus der Finsternis in das Licht! Es ist tatsächlich der Kraterrand!
Doch das Licht ist nicht etwa die Bergstation.
Es sind Getränkeautomaten.
Etwas dermaßen Japanisches hätte ich nicht ausdenken können! Die höchsten Getränkeautomaten Japans (habe ich schon erwähnt, dass "hoch" im Japanischen dasselbe Wort ist wie "teuer").
Ich bin überglücklich, re-organisiere meine Kleidung (ein bisschen was zum wechseln habe ich mitgenommen) und warte auf die Anderen die nach und nach eintrudeln.


Das mit der Glückseligkeit hält nicht lange. Es ist kalt. Die Müdigkeit und die nasse Jacke machen das ganze nicht besser. Wie lange müssen wir denn auf den Sonnenaufgang warten? Wir waren viel zu schnell hier oben!
Das Gipfel-Bier lasse ich im Rucksack - zu kalt - nebst der 2Liter Flasche Wasser die ich natürlich zu viel kalkuliert habe.
Immer wieder fange ich einfach an herum zu laufen um nicht fest-zufrieren. Mein Blick fällt über den Rand auf den Weg zurück den wir gekommen sind. Der ist voller wuselnder Lichter, hunderte und tausende, wie blinkende Ameisen bahnen sie sich in Schlangenlinien den Weg zu uns. Mir schießt es durch den Kopf: DIE WOLLEN ALLE HIER RAUF?!

Sonnenaufgang:
So schlecht gelaunt war ich seit langem nicht mehr. Mir ist so kalt dass ich die Lungenentzündung schon spüren kann. Ich habe in schneller Folge drei Kaffee getrunken um mich wach und warm zu halten. Jetzt ist mir schlecht und kalt. Der Himmel wird hell doch von der Sonne ist noch nichts zu sehen. Das Gedränge um die guten Photo-Pätze habe ich schon lange verloren. Oder aufgegeben. Die Massen an japanischen Opas entwerten nicht nur meine bergsteigerische Leistung, sie nerven auch mit ihrer guten Laune.
Jetzt beeil' dich du verdammte Sonne, damit ich mein Photo kriege und hier wieder runter kann.
Natürlich ist es nebelig ohne Ende. Oder Wolkig. Ist ja auch dasselbe hier. Musste ja so kommen.
Aber dann reißt doch noch kurz die Nebelwand und wir sehen unseren Sonnenaufgang über den Wolken.
Ja! Danke!


 Ich gehe die anderen suchen - was in dem Gedränge aus Mänteln und Kapuzen gar nicht so einfach ist.



Morgen:
Wir hatschen endlose Serpentinen herab. Links, rechts, links, rechts. Andere als wir hochgekommen sind. Dieser Weg ist flacher, breiter. Grober Kies aus Vulkanstein knirscht unter meinen Stiefeln als wir uns zwischen den Leuten durchmogeln (hier ist genug Platz für alle).
Vor allem wird es wärmer. Schicht um Schicht kann ich wieder in den Rucksack verstauen.
Das hebt meine Stimmung aber nur minimal. Die Knie knirschen lauter als der Kies und mit jeder Kehre dreht sich auch mein Magen nochmal um. Doch Stück für Stück kommen wir bergab, hinab zum Meer aus Wolken tief unter uns.


Kurz vor der Basisstation salutieren mir meine treuen Armee-Stiefel noch ein letztes Mal Lebwohl, dann verabschiedet sich die Sohle...
9 Jahre! Vor genau 9 Jahren, August 2004, hat man mir die Füße gemessen und in diese Stiefel gesteckt, auf das ich tapfer marschiere, marschiere, bergauf und bergab. Mir wird etwas wehmütig, aber ein besseres Ende hätte ich mir auch nicht wünschen können. Danke für all die vielen Meilen!
Ich sinke auf einer Bank zusammen und trinke mein Gipfel-Bier (Hey! Ich bin immernoch höher als die Zugspitze!). Wir warten noch etwas auf die Nachzügler, aber am Ende haben es alle geschafft!

Wir fahren zurück ins Hostel und dann gleich weiter zur heißen Quelle zum baden und entspannen....

Montag, 29. Juli 2013

Arbeitsjagd

Sie schauen ihn alle etwas komisch an. Nicht so herabblickend, sondern einfach verwundert... oder verwirrt...
Also alle: sowohl die Internationals als auch die Japaner - aber aus ganz unterschiedlichen Gründen.
Nur weil er einen Anzug anzieht - oder besser versucht anzuziehen.
Anzüge sind so gar nicht sein Ding. Das mit der Kravatte gleich zweimal nicht.
Aber ich weiß warum er's trotzdem probiert - probieren muss:
er will einen Job!
In Japan!
Da geht ohne Anzug und Kravatte gar nichts - selbst in kleinen, jungen, dynamischen IT Firmen nicht.
Wir Ausländer wundern uns also warum er so ein Geschiss macht: als Informatiker kann er doch kommen wie er will.
Die Japaner dagegen wundern sich, warum er jetzt erst damit anfängt, wo er doch schon in drei Monaten graduiert. Viel zu spät meinen sie, und wundern sich wie er all die Jahre ohne Anzug ausgekommen ist.




In Japan läuft das mit der Arbeitssuche etwas anders als im Westen. Hier ist Job-Hunting ein Lebensstil. Shūshoku-Katsudo (就職活動) nennen sie das, und es kann gerne mal ein halbes oder ganzes Jahr des Lebens verschlingen, bevorzugterweise während man noch Student ist, damit man nicht als NEET (Not in Employment, Education or Training) abgestempelt wird.
Und so entstehen zwei Pfade durch Japanische Masterkurse: der Weg der Ausländer ist geprägt von mäßigem Stress, akzeptabler Freizeit, stetem Sammeln von Credits und was man sonst so von unseren Unis kennt.
Aber nicht für die Japaner: die versuchen verzweifelt alle Credits schon im ersten Jahr zusammenzukratzen, damit sich sich danach ganz aufs Jobsuchen konzentrieren können. Also schieben sie Doppelschichten im Labor und den Vorlesungssälen. Die Uni sah sich gezwungen den Wahnsinn etwas einzudämmen und verfügte, dass man keine Credits von zwei Kursen bekommen kann, die zur selben Zeit stattfinden. Scheinbar haben zu viele Leute versucht die Grenzen der Physik zu dehnen um in zwei Vorlesungen mit Anwesenheitspflicht gleichzeitig anwesend zu sein. Alles nur um ihre Credits schneller voll zu kriegen.




Im zweiten Jahr sind die Studenten dann nämlich weg. Man trifft sie kaum noch im Labor, und die Email von ihnen sind immer dieselben: "Es ist unentschuldbar, aber ich kann diese Woche nicht am Meeting teilnehmen, weil ich ein Vorstellungsgespräch habe."
Der Professor hat sie verdonnert immer dazu schreiben zu müssen, welche Firma, wann und wo das wievielte Vorstellungsgespräch für welche Stelle das ist. Um Missbrauch vorzubeugen.
Ist aber kein Versuch zu Schwänzen. Sie fahren wirklich für eine gute Stelle bis zu 5 mal nach Tokyo. Ich hab ja im Leben noch nie ein zweites Vorstellungsgespräch für irgendwas gehabt. Ich bin ja nicht bei "FirmaX sucht den Super-Programmierer" und lass' mich zum "Recall" einladen. Aber für die Japaner ist das normal. Immerhin - für die späteren Interviews übernehmen die Unternehmen manchmal die Reisekosten.
Also wieder rein in den Anzug und zum Bahnhof.
Was Japaner nicht alles über sich ergehen lassen für eine gute Stelle.
Japanisch lernen zum Beispiel:
Die höheren Sphären der Höflichkeit - Keigo (敬語) - das man im Alltag vor allem als "das komisch Zeug das Verkäufer reden" kennt.
Japaner verstehen zwar meist was gemeint ist wenn sie es hören, aber richtig verwenden können sie es nicht. Da muss man nämlich genau darauf Achten welcher Gruppe man angehört, wer der Gesprächspartner ist und wie die Beziehung zum Gesprächsobjekt ist. Also kein Pappenstil. Da müssen manche nochmal einen Sprachkurs belegen.




Wir reden übrigens immer noch von Hochschulabsolventen in Boom-Branchen von einer respektablen Uni die erst letztens sogar einen Nobelpreisträger produziert hat.
Was ist da schief gelaufen?
Absolventen sind Massenware hier. Nicht nur ist die Quote an Hochschulabsolventen deutlich höher als im Westen, es macht auch gar keinen Unterschied was man Studiert hat: man ist einfach Human Resource. Der Abschluss ist nicht die Vorbereitung und Spezialisierung auf einen bestimmten Beruf, sondern einfach eine Bewährungsprobe, dass man kompliziertes Zeug lernen kann.
Das ist den Leuten aber auch schon bei der Wahl der Studiums klar. Nicht wenige Informatik-Studenten geben offen zu nie als Informatiker arbeiten zu wollen.
Und eine Freundin aus der Bio-Fakultät hat letztens endlich einen guten Job gelandet. Bei Bandai.
Bandai? Der Spiele-Firma?!
Ja.
Sie hat einen Doktor in Biologie und arbeitet jetzt bei Bandai als, äh.... Office Lady.
Wundern sie sich also nicht wenn demnächst Pflänzchen aus ihrem Spielzeug wachsen.
Da hatte jemand Tag-träume auf der Arbeit.

Sonntag, 14. Juli 2013

Dienst>Leistung

Japan ist für seine höfliche Service-Kultur bekannt. Jeder der mal da war hat eine Geschichte zu erzählen. Von der Bedienung, die einem das vergessene Wechselgeld (oder Kassenbon) noch auf die Straße nachträgt. Von Busfahrern, die einem zu viel bezahltes Fahrgeld als Bon gutschreiben.

Brauch ich ja eigentlich nix mehr zu sagen.

Aber irgendwas muss ich hier noch schreiben - sonst ist der Text so kurz.
Also kriegen Sie jetzt: die top drei der most-shocking beschähmend freundlichen Service Erlebnisse.




(3)
An der Kasse im Supermarkt fällt mir auf, dass ich arm bin. Nicht so permanent, aber momentan doch deutlich ärmer als erwartet. Sollten da nicht noch so etwa 5000Yen in dem Geldbeutel sein?
Doch, ganz bestimmt: ich hatte noch einen 5000Yen Geldschein... oder? Gedanklich gehe ich zurück, was ich so in letzter Zeit gemacht habe: Zähneputzen, lineare Gleichungssysteme lösen, Kaffee kochen... -moment, zwischendurch war ich noch bei der Post, ein Päckchen verschicken!
Aber da habe ich Kleingeld zusammengekratzt (das jetzt auch fehlt) und nur 1000Yen in Scheinform beigesteuert. Oder war das der 5000er? Ich krame den Kassenbon heraus: steht aber der korrekte Betrag drauf: nix mit 4000Yen Wechselgeld.
Ich grüble noch eine Woche laut vor mich hin bis mir eine Freundin rät: frag halt einfach bei der Post. Wenn sie 4000Yen zu viel in der Kasse haben werden sie das schon merken.
Ja, aber ich kann ja nicht beweisen, dass es meine 4000Yen sind!
Trotzdem gehe ich hin - schäme mich ganz doll so dreist einfach nach Geld zu fragen, aber frage schließlich doch. Die Frau lässt mich kurz warten und verschwindet im Hinterzimmer.
Nach 5 Minuten kommt sie wieder, mit vorbereiteten 4000Yen. Die hat sie nicht einfach aus der Kasse geholt, die hatten sie da eine Woche liegen: "4000Yen, die in der Kasse waren aber nicht im System, vermutlich, weil ein 5000Yen Schein für ein 10000Yen Schein gehalten wurde.
Sie entschuldigt sich ganz zerknirscht immer wieder, dass so ein Fehler unterlaufen konnte.
Ich entschuldigt mich dafür, dass sie mein Geld aufheben mussten, weil ich so blöd war meinen 5000Yen Schein für einen 1000Yen Schein zu halten.
Also entschuldigen wir mich auch ein paar Dutzend mal und gehe dann. Und spendiere meiner Freundin erst mal einen Drink...




(2)
Meinen optisch sehr ansprechenden Lampenschirm habe ich seit meiner Ankunft in Japan noch nicht zusammen-gepuzzelt (das Ding ist nämlich ein zerlegbares Puzzle). Grund: ich hätte gar keine Lampe, Fassung, Kabel oder Schalter. Also gehe ich einkaufen.
Doch irgendwie passt nichts. Die meisten Fassungen haben kein Kabel und wenn, dann keinen Schalter. Auch das 5 kleine Elektro-Geschäft in Nipponbashi nicht. Ich will schon wieder gehen, als mich der alte Ladenbesitzer fragt, was ich brauche. Ich habe überhaupt nicht das Vokabular, um das zu erklären, versuche es aber irgendwie trotzdem, ohne besondere Hoffnungen.
Mhmm, jaa, für Glühbirne... hmm.... und wie lange das Kabel? Achso... und mit Schalter? Jaja.
Nee, ham's auch net.
"Bastel ich dir aber schnell!", grinst mich der Alte an.
Er holt einen Lotkolben hinter der Theke hervor, und ruft eine Frau (oder Tochter?) und Tochter (oder Enkelin)? Die Frau unterhält mich, die Enkelin muss zwei extra Hände zur Verfügung stellen, den so gut klappt das mit dem Löten nicht mehr. Zumindest haben seine Hände schon diverse Brandverletzungen in Lotkolben-Größe. Er setzt also häufiger seine Gesundheit für Kundenwünsche aufs Spiel.
Aber zum Protestieren komme ich ja nicht, weil seine Frau/Tochter mich zu gut ablenkt.
Nach 15 Minuten ist er dann fertig und drückt mir strahlend (wenn auch etwas Zahnlos) das fertige Ding in die Hand.
Dann berechnet er: Kabel, Fassung, Schalter. Alles Centbeträge. Für die Arbeit will er nichts.
Ich kaufe dann wenigstens gleich noch die Glühbirne in seinem Landen, damit sich die Arbeit für ihn wenigstens ein bisschen rentiert hat.
Er bedankt sich, ich bedanke mich, seine Frauen bedanken sich, wir bedanken uns alle noch ein bisschen, dann gehe ich.




(1)
Der Zug kommt nicht.
Das ist verwunderlich: weil der Zug immer kommt, und zwar immer pünktlich.
Und es ist ärgerlich, weil er der letzte Zug heute Nacht ist.
Und es ist problematisch, weil selbst wenn er jetzt noch kommt, verpasse ich meinen Anschluss-Zug, für den habe ich nämlich nur 30 Sekunden Zeit, und es ist auch der letzte.
 Mit dämmert, dass ich mich doch etwas zu sehr auf die Zuverlässigkeit der Kintetsu Railway Association verlasse, mit diesem "auf-den-letzten-Drücker" System.
Die Durchsage entschuldigt sich in sehr höflichem Japanisch, dass ich nicht verstehe.
Ich werde also nie erfahren, warum der Zug nicht kam.
Dann kommt der Ersatzzug eingerollt. Ich zweifle kurz ob es überhaupt besser ist, am nächsten Bahnhof festzusitzen, anstatt einfach in Downtown Osaka zu bleiben - hier gibt es wenigstens Capsule-Hotels und Manga-Cafes - entscheide mich dann aber doch für's heimkehren. Vielleicht wartet der andere Zug ja.
Tut er aber nicht - stattdessen werden wir vom Bahnhofs-Vorsteher empfangen, der sich mit tiefer Verbeugung für den verpassten Anschlusszug entschuldigt. Er weist uns an, ein Taxi zu nehmen: die kosten übernehme die Zuggesellschaft.
Bitte was? Ich kann jetzt mit dem Taxi irgendwo hin fahren, und die Zahlen mir das, weil ihr Zug 10 Minuten Verspätung hatte?!
Ja, tun sie.
Am Taxi-Stand ist eine entsprechen lange Schlange.
Darunter auch die gesammte Philippino-Gemeinschaft von unserem Campus. Die sind also auch hier gestrandet. Während wir warten unterhalten wir uns. Kommt raus: sie waren gar nicht in Osaka, sondern in Nara. "Dann ward ihr doch gar nicht im verspäteten Zug?!"
Nein, wie waren selbst ungeschickt genug, den letzten Anschlusszug zu verpassen, aber die Kintetsu Railway Association hat heute die Spendierhosen an: um sicher zu gehen, dass alle Kunden zufrieden heim kommen, bekommen auch alle eine Taxifahrt spendiert.
Ich finde das zwar fragwürdig, aber nachdem ich jetzt mit im Taxi sitze...

Auf der Heimfahrt versuche ich mir vorzustellen, wie die Deutsche Bahn mit dem Problem umgangen wäre....