Samstag, 2. November 2013

Aufwärts!


Als ich zum ersten mal nach Japan kam, wollte ich wirklich das ganze Japan kennen zu lernen, und nicht nur die Touristen Hochburgen. Also auch die Vororte: das war leicht. Die Industrie-Anlagen: das war schon ein bisschen abenteuerlicher. Und die Berge...
Das war schwierig! So ohne Japanischkenntnisse.
Also: das Englische Internet gefragt.
Dort fand ich dann ein Forum wo jemand ähnliches Interesse gezeigt hat.
Antwort, genau eine, "gibt's nicht; ist ja alles mit Städten zugebaut; und selbst wenn, Berge sehen eh überall gleich aus".
Da musste ich erstmal schlucken.
Wer 5 Minuten Zeit hat auf Google Earth zu schauen wird sehen, dass Japan eigentlich fast ausschließlich aus Bergen besteht. Die 120Millionen Japaner drängen sich alle in Ballungszentren entlang der Küste.
Also ignoriert man von jetzt an gute Ratschläge und geht einfach los, wohin immer man eine Spitze am Horizont sieht.
Dann geht es Bergauf...


Mt. Aso:
Auf einem Abstecher nach Kyushu (der südlichen Insel) will ich auf den berühmten heiligen Berg Mt. Aso - einem immernoch aktiven Vulkan.
Also packe ich extra meine Bundeswehr Stiefel ein (damals waren die noch heil), damit ich da auch anständig hoch komme.
Nach einer schier endlosen Bahnfahrt durch die Pampa komme ich am Fuß des Berges an.
Der "Fuß" ist aber erstaunlich weit weg vom Berg.
Kein Problem: gibt einen Bus.
Nach einer schier endlosen Busfahrt durch die Pampa.... MOMENT MAL! Hält der Bus nicht irgendwann an um die Leute auf den Berg steigen zu lassen?
Nein, tut er nicht. Er fährt selbst auf den Berg. Bis zur Bergstation, unmittelbar unter dem Kraterrand.
Wer die letzten 10 Minuten auch nicht mehr laufen möchte, kein Problem, gibt eine Seilbahn.
Ja, eine Seilbahn für etwa 800 Meter Strecke und 50 Meter Höhenunterschied.
Ich gehe lieber hinten rum zu Fuß. Vorn geht heute nicht, weil der Aso, der gerne noch giftige Dämpfe spuckt, heute die Vorderseite gesperrt hat.
Auf der Rückseite wander ich dann die Straße hoch.
Ja, es gibt eine Straße hier hoch. Sie können mit dem Auto bis zum Kraterrand fahren, aus dem Fenster photographieren und wieder herunter fahren ohne auszusteigen - wenn sie wollen.
Will ich nicht.
Weiß auch nicht warum das jemand wollen würde.
Kein Wunder, dass der Berg nicht so berühmt wird wie der Fuji, wenn er es seinen Besuchern so einfach macht. Gas und Steine spucken hilft da auch nicht - sind ja alle 10 Meter Schutzbunker.
Mäßig enttäuscht wandere ich zurück zum Bus.
Im Zug lerne ich wenigstens noch ein paar Junge Leute kennen. (Damals war ich auch noch jung, das hat gut gepasst).
Eine davon, mit der ich mich besonders gut verstehe, erzählt mir von ihrer Jugendherberge, die sie in Seoul (Korea) mit leitet. Sie schenkt mir einen Anstecker und läd mich ein mal vorbei zu schauen. Ich wollte ja immer schonmal nach Korea...
Hey, Moment: jetzt wo ich das schreibe... verdammt, letzte Woche war ich doch ein Seoul!
Gnaa, hätt ich den Blog halt ein paar Wochen früher geschrieben...


Mt. Hira:
Ich werde eingeladen auf einen Berg in der Nähe von Kyoto zu steigen.
Der Clou: man steigt entlang eine Gebirgsbaches auf, der auch mehrere Wasserfälle zu bieten hat.
Man ist also doch ganz schön am Klettern.
Die andere Gruppe die wir sehen - Schulkinder mit zwei Bergführern - kommt gleich in Neoprenanzug. Sie gehen also - zumindest zeitweise - im Bach.
Befürchtungen, wir könnten auch gezwungen sein Nass zu werden, bestätigen sich nicht.
Was aber auch eigener Verdienst ist, denn wo immer man den Bach wieder überquert, muss man über mehrere Felsen balancieren. Teilweise nicht weit von einem Wasserfall entfernt. Wer also hier ins Wasser fällt, fällt gleich zwei mal, und das zweite Mal ganz schon tief.
Wir entscheiden uns für "überleben und trocken bleiben".
Meine Freundin (die mich eingeladen hat) wendet sich einem kleinen Zufluss zu, streckt ihre Hand hinein, und trinkt genüsslich.
"Kann man das trinken?"
"Kann man."
Ich schaue ihr noch ein bisschen nach, ob sie das Wasser nicht doch wieder Ausspuckt.
Tut sie nicht.
Ich trinke auch.
Es gibt hier eine Gletscher und die Berge sind auch nicht aus Kalk.
Ich trinke also stilles Mineralwasser direkt aus dem Berg...



Mt. Ikoma:
Auf einer Party lerne ich zwei Japanerinnen kennen. Ihre Hobbies sind: Photographieren und Bergsteigen.
Super, da kommt ja alles zusammen wofür ich mich auch Interessiere: Bergsteigen, Photos, Japan und Mädchen!
Also lade ich sie ein, zu mir in die Provinz zu kommen, auf einen Berg zu steigen und viele Photos zu machen.
Ich habe keine Ahnung von diesem Berg. Okay, ich war einmal oben.... halb.
Hab' auch keine Karte.
Aber der Wunsch, japanisch zu Üben während ich mit Mädchen Bergphotos mache ist stärker als die Angst sich zu blamieren.
Ich drucke mich aus Google Maps screenshots aus. Da sind Wanderwege jetzt nicht wirklich gut verzeichnet.
Aber ich finde einen Blog Eintrag von jemandem, der da auch schonmal hoch ist.
Ich versuche verzweifelt seine Route auf meiner Google-Maps Karte zu rekonstruieren. Tolle Photos hatte er ja, aber lausige Wegbeschreibungen.
Aber irgendwie wir's wohl gut gehen, denk ich mir.
Wir steigen also auf den Berg. Wie gesagt: die erste Hälfte kenne ich.
Dann kenne ich mich nicht mehr aus, lass es mir aber nicht anmerken.
Am Gipfel kommen wir an einem Vergnügungspark vorbei.
Was zu Hölle haben die Japaner mit ihren Bergen?! Können sie die nicht einfach Berg sein lassen?!
Wir gehen nicht rein, sondern laufen die Bergschulter Entlang. Immer wieder haben wir tolle Aussicht über Osaka.
Wir kommen in ein winziges Bergdorf - so klein, dass auf die einzige Straße hier hoch nur ein Auto passt. Wie ich später lerne ist dies nicht nur eine der ältesten Straßen Japans (existent seit Nara-Periode) sondern auch die steilste.
Glücklicherweise haben sie gerade Heute ein kleines Fest.
Wir bekommen in Soja gekochen Rettich und Ruhen uns etwas aus.
Ich lasse mir nicht anmerken dass ich nichtmal wusste, dass es hier ein Dorf gibt.
Dann steigen wir auf der Rückseite wieder herunter. Irgendwo werden wir schon raus kommen. Alle Wege führen nach Osaka... hoffentlich....
Wir kommen an eine Brücke.
Ich lasse mir nicht anmerken, wie froh ich bin die Brücke aus dem Blog-Eintrag auch wirklich gefunden zu haben!
Damit bin ich - im Wahrsten Sinne des Wortes - über den Berg.
Ich kassiere Lob und Anerkennung für meine Fähigkeiten als Bergführer und denke mir: Jap, das machst du bald mal wieder!


Wo ich gerade dabei bin: am Montag gehe ich wieder in die Berge.
Diesmal haben sich schon etwa 8 Leute angeschlossen.
Wieder habe ich keine Ahnung von dem Berg, den ich sie hochtreibe.
Es bleibt also spannend und geht aufwärts.

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