Mittwoch, 7. November 2012

Direkt höflich

Und da sagt mir die Frau an der Kasse doch direkt ins Gesicht: "Ich empfange dann mal dass sie noch etwas warten." Immer so höflich diese Japaner.

 Es ist natürlich nicht fair, Deutsche Umgangsformen auf Japan anzuwenden, oder japanische Phrasen eins-zu-eins ins Deutsche zu übersetzen. Aber interessant ist es doch:
wollen wir uns im Deutschen höflicher ausdrücken, so fangen wir an immer indirekter zu sprechen, bis der Satz irgendwann keinen Sinn mehr ergibt.
> Bitte geben sie mir das Handtuch.
> Würden sie mir bitte das Handtuch geben.
> Dürfte ich sie bitten mir das Handtuch zu geben?
> Ist das jetzt schon die Bitte oder fragen sie noch ob sie bitten dürfen?

Wir verwenden aber dieselben, normalen Worte, und greifen nicht zu geschwülstigem Vokabular.
Japaner machen es umgekehrt: der Satz bleibt gleich, aber die Worte werden nach und nach durch immer höhere Ebenen der Höflichkeit geschraubt, ohne dass sich ihre Bedeutung ändert.
> Bitte geben sie mir das Handtuch.
> Bitte reichen sie mir das Handtuch.
> Ich bitte um das ehrwürdige Reichen des Handtuches.
> Ich erbitte die erhwürdige Dareichung des Handtuches.
Das ganze schraubt sich in solche höhen, dass Japaner selbst nicht mehr so genau Bescheid wissen.
Kürzlich musste eine Freundin bei meinem höflichen "Ich-stell-mich-mal-eben-vor" Monolog doch kichern. Sie meinte in ihrem Leben noch nie das Wort "benannt" verwendet zu haben. Dabei wurde uns im Sprachunterricht eingeschärft, dass das "heissen" in "Ich heisse Max" manchmal nicht höflich genug ist...
Scheinbar doch.



Manchmal ist es nicht einmal mehr nötig, die Form zu wahren. Auf einen Zustand hinzuweisen beinhalten bereits die dazugehörige Aussage.
"Das war böse von mir" oder "Ich war böse." sind vollständige Entschuldigungen. Als Deutscher hätte ich immer gerne noch gehört, dass es ihnen auch Leid tut, dass sie böse sind - ein bisschen wenigstens. Sagen sie aber nicht mehr.
"Ich habe keine Entschuldigung!" sagen sie. Dass ist besonders höflich das direkt zuzugeben und keine Ausrede vorzuschieben. Aber mir würde es durchaus mehr zusagen, wenn sie sich wenigstens eine kleine Notlüge einfallen lassen würden - wisst ihr: damit man sieht dass sie es versucht haben.



Wenn man vor einer schwierigen Aufgabe einem Deutschen gerne "Viel Glück" wünscht, sagen sich die Japaner: "Streng dich an!"
Das ist nicht abwertend gemeint, sondern Ausdruck japanischen Leistungsdenkens.
Hat man sich dann richtig schön angestrengt, sagt man zu einander nicht etwa: "war mir eine Ehre" oder "GottSeiDankistderScheißvorbei", man sagt "das war richtig schön anstrengend".
Worauf die, die noch bleiben antworten: "Ja, ist richtig schön anstrengend", und sich noch etwas anstrengen...


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