Montag, 29. Oktober 2012

Studenten-JetSet

"Mags't net nacher noch vorbei kommen? Wir machen ein Sprachaustausch-Meeting..."
"Wird schwierig..."
"Wieso?"
"Weil ich in Korea bin."
"Äh was?"
Man sagt ja immer: die Welt ist klein geworden, seit es das Internet gibt.
Das funktioniert natürlich nur virtuell. Wenn jemand nicht auf Facebook seine Abschieds-Party ankündigt kann es schonmal passieren, dass man sich - ohne es zu merken - monatelang mit Leuten unterhält, die schon gar nicht mehr da sind.
Und "nicht mehr da sein" passiert häufig, denn alle Austauschstudenten haben bereits bei der Ankunft ein Verfallsdatum von: wie lange dieses Austauschprogramm halt so läuft.


Es gibt hier die Bezeichnung "Internationals", was "Ausländer und Japaner mit Auslandserfahrung" bezeichnet, aber auch ein spezielles Lebensgefühl beschreibt.
Man hat Freunde von jedem Erdteil, hört Geschichten aus aller Herren Länder und diskutiert über die Bräuche verschiedenster Regionen - eben ganz "International".
Wer mit Geschichten von James Bond und dem Jet-Set der Welt aufwächst, aber bis zum Studium immer in derselben Stadt gelebt hat (also: jeder), lässt sich von dem neuen Gefühl der internationalen Lebensweise schnell verführen.
Was sind schon Grenzen, die ganze Welt ist unser Zuhause. Heute Monaco, morgen London, übermorgen Rio...
Das ist natürlich reine Illusion. Die meisten kommen, fliegen vielleicht zwei, drei mal in den Urlaub oder zu einer Konferenz, und gehen dann wieder (oder bleiben für immer). Da hat jeder Durchschnittstourist mehr Auslandserfahrung. Aber der Tourist war halt nur zum Spaß da, und hat es nicht zum Teil seines Lebens gemacht.
Besonders in Japan, wo es schwierig sein kann Kontakte mit Eingeborenen zu knüpfen, entsteht so schnell ein "wir" Gefühl. Ein bunt gemischter Haufen der sich nicht um Landesgrenzen schert, aber gern auf die eigene Kultur und Herkunft verweist - solange es die Unterhaltung vorantreibt oder zum kennenlernen taugt.
Überhaupt ist "Gaijin" zu sein hier das ultimative Bindeglied. Kennt man auf einer Party niemanden, findet man bei den Ausländern immer Anschluss, nur weil man auch Ausländer ist. Gesprächsthema braucht man auch nicht. "Where are you from?" ist der Universal-Eisbrecher.



So hat man sich schnell mit Leuten aus allen Teilen der Welt angefreundet. Der Ingenieur aus China, der Finnische Nerd, die Erziehungswissenschaftlerin aus Papua-Neuguinea...
Das Gefühl "über den Grenzen und politischen Problemen zu stehen" erzeugt auch ein auffällig spannungsfreies Umfeld. Ganz unaufgeregt unterhält man sich über Themen, über die andernorts noch vor 10 Jahren Kriege geführt wurden. Die berüchtigten Reibereien wegen kultureller Unterschiede in Verhalten oder Wortwahl gibt es nicht.

Wenn man darüber nachdenkt ist es sogar ein bisschen traurig: man hat die Sammlung der aller Kulturen der Welt, und doch ist der Unterschied zwischen den Leuten was Werte, Weltanschauung und Gepflogenheiten angeht verschwindend gering.
Kultur-Schock, das war einmal.




Die Gefahr für viele ist natürlich sich nur in diesem Kosmos der "Internationals" zu bewegen, und dabei das Land völlig zu verpassen.
Manche leben schon seit Jahren hier, ohne Japanisch zu sprechen oder japanische Freunde zu haben - außer natürlich "International"-Japaner, die selbst zu "Internationals" geworden sind.

Das Gefühl der Gemeinsamkeit wirkt umgekehrt abschottend zum Rest der Gesellschaft. Ob im Labor, in der Turnhalle, in der Bar: oft bilden die Ausländer ihr eigenes Grüppchen, und die Japaner sagen nur Hallo, wenn sie ihr Englisch trainieren wollen.
Oft habe ich diese bi-lingualen Gespräche geführt, in denen die Japaner mit mir gebrochen Englisch sprechen und ich gebrochen Japanisch antworte. Jeder zu stur um seine hart erarbeitete Position ("ich habe doch nicht umsonst 3 Jahre gebüffelt!") aufgeben zu wollen...


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