Sonntag, 30. September 2012

Wie wir uns trennen

"Achso, ja, und den Müll, den schmeißen Sie einfach auf die Straße."
"Ähh, wie bitte?"
Als ich meinen Wohnungsschlüssel für meine temporäre Bleibe in Osaka abholen ging war ich ja auf dickes Ende vorbereitet. Versteckte Zusatzgebühren oder sowas. Kam aber nicht. Ganz im Gegenteil.
"Es gibt keine Müll-Sammelstellen. Stellen sie ihren Müll einfach an den entsprechenden Tagen an den Straßenrand."
"Ah, verstehe.", sage ich, wie ich es immer sage wenn ich gar nichts verstehe und einfach nur will dass das Thema endlich weg geht.
Müssen wohl wieder zig neue Wörter sein, die einfach nur so klingen wie "Müll" und "Straße".
Das werde ich bei Zeiten schon irgendwie herauskriegen wie das ist.
Tu ich auch.
Kaum einen Tag später stehen am Straßenrand überall kleine Häufchen aus Säcken.
Keine Markierung, was wessen Müll ist.
Nichtmal richtige Müllsäcke: das meiste wird direkt in den Einkaufstüten entsorgt, in denen es gekauft wurde.
Auch keine sichtbare Trennung was da gerade weggeworfen wird. Papier, Plastik, Essensreste...
Eine Krähe pickt ein Stück Toastbrot aus einem der Säcke.
Irgendwann kommt dann ein kleines Müllauto, die Säcke werden aufgelesen und in die Presse geschleudert. Mit lautem Knacken verschwindet der Müll im Bauch des Fahrzeuges.



"Jaaaa! Osaka ist soo super!", freut sich eine Freundin, hier geboren, nicht ganz ohne Lokal-Stolz.
"Osaka ist echt freundlich, was den Müll angeht!".
"Aber doch nicht ganz Osaka - im Studentenwohnheim haben wir doch immer brav getrennt."
Trennen bedeutet in Japan für gewöhnlich: "brennbaren" und "nicht brennbaren" Müll zu unterscheiden. Manchmal werden Getränkedosen und PET-Flaschen nochmal extra gesammelt.
"Ja, aber das ist Suita. In Osaka-City gibt es das alles nicht! Toll, oder?".
Ich verstehe nicht ganz warum das ein Grund zur Freude ist. Mich treibt mein schlechtes Gewissen des Nachts wie einen Dieb um die Häuser, als ich versuche wenigstens die PET-Flaschen und das Alu heimlich bei den Supermärkten und Bahnhöfen in die getrennten Mülleimer zu verteilen.
(Haben die gar nicht gern, wenn Leute ihren Hausmüll zu ihnen tragen...)
Der Gedanke, dass die ihrerseits einfach den ganzen Müll gesammelt an den Straßenrand werfen kommt mir nicht.



Das türkische Mädchen verzieht gereizt die Mine. Sie ist von Suita nach Toyonaka gezogen und damit drakonischen Müllvorschriften unterworfen. Dass sie den Müll in 5 Kategorien trennen soll kann sie ja noch verkraften, aber die unchristlichen- Pardon: unislamischen- nein eher: unstudentischen Zeiten zu denen sie den Müll loswerden kann bringen sie an den Rand der Verzweiflung. Nachdem alles was vor 11Uhr Vormittag passiert für sie "mitten in der Nacht" ist, hat sie schon öfters den einzigen Termin in der Woche verschlafen, an dem sie ihren Müll hätte an den (Müll-)Mann bringen können. Das Zeug stapelt sich also noch eine Woche - kein Spaß bei so beengten Wohnverhältnissen.



Mittlerweile bin ich dem Wahnsinn entkommen und an den Campus draußen auf dem Land gezogen.
Hier hat jedes Haus des Studentenwohnheims seine eigenes Müllhäuschen.
Mit Müllhäuschen meine ich nicht die Vorstadt-Idylle-Variante, sondern mannshohe gelbe Käfige, mit verschiedenen Ecken für verschiedene Sorten Müll.
Teilweise stehen zwei davon auch direkt nebeneinander. Hier wird also der Müll nicht nur nach Art getrennt sondern auch streng nach Haus - obwohl alle Häuser zum selben Wohnheim gehören.

Aber Hauptsache ich kann wieder mit ruhigem Gewissen aus PET-Flaschen und Dosen trinken...

Freitag, 21. September 2012

Ein Kanpai der Gemütlichkeit.


Im Jahre 1889 fuhr eine Japanische Delegation von Osaka nach München mit einer für die Zukunft Japans entscheidenden Mission: das Geheimnis des Bieres zu lüften!
Sie handelten mit der Löwenbräu Brauerei einen Deal aus, ergründeten die hohe Braukunst , gründeten in Suita die Firma "Osaka-Bier" und verkauften von da ab Löwenbräu in Japan.
Schließlich wurde die Firma in Asahi umbenannt und verkauft heute noch...

Halt! Halt! Bevor ihr jetzt zur nächsten Bar rennt und versucht das teuerste Pseudo-Löwenbräu eures Lebens zu bestellen...
Asahi ist kein Löwenbräu! Es ist nichtmal Bier.
Ich sage das nicht aus Bosheit sondern sondern mit Blick auf das Deutsche Reinheitsgebot. (Und den Geschmack, Muha har har).
Asashi braut zwar tatsächlich noch Löwenbräu-Bier (in Lizenz und unter Aufsicht), aber das "Asahi Super-Dry" Bier in den bekannten silbernen Dosen wird mit Reis gebraut.
Wie so ziemlich alle Japanischen Biersorten. Das einzige echte Bier hier ist Yebisu - was natürlich auch gleich das teuerste ist.


Wenn man die Asahi-Brauerei besichtigt, darf man nach der Führung für 15 Minuten soviel "Super Dry" und "Löwenbräu" trinken wie man will. Wenn man natürlich schon um 3 Uhr hingeht ist der Tag dann auch gelaufen...


Auch sonst nimmt man die Bierkultur hier nicht so genau.

Um die Ecke von meiner (temporären Bleibe) gibt es einen "Bierkeller" mit Namen "Traum":

- der "Keller" befindet sich im ersten Stock
- die Einrichtung erinnert eher an Haute-Cuisine als an "Gemütlichkeit"
- der Obazda schmeckt nicht nach Obazda und wird auf Baguett gestrichen serviert
- zur Weißwurscht keinen süßen Senf
- in der Weißwurscht keine Weißwurscht, sondern graues Hack

Nach längerem Verhör gesteht der Wirt dann auch selbst noch nie in Deutschland gewesen zu sein.

Naja, für das Radieserl bekommen sie nochmal einen Bonuspunkt. So schön geschnitzt....


Bitte beachten sie auch den Dackel-Stäbchenhalter. Zumindest die Klischees werden hier erfüllt.

München hat die Wiesn, Osaka sogar zwei Oktoberfeste.
Die finden sogar - ganz dem Original entsprechend - im September statt.
(Eines davon netterweise in Laufweite meiner Wohnung.)
Dieses ist sogar ziemlich authentisch - von den fehlenden Fahrgeschäften mal abgesehen.
Egal: bei 10€ die Halbe trink ich eh net genug um Achterbahn fahren zu wollen.


 Nein, ich war nicht alleine da, aber ich war der einzige der so fesch angezogen war.
Außer der Band, die (wenn sie nicht gerade in München aufspielen) seit 15Jahren Asien betourt.

Donnerstag, 6. September 2012

Mehr als nur fließend、geradezu dickflüssig

Da hab ich net schlecht blöd geschaut, als ich zum ersten mal selbst die Übersetzung nicht verstanden habe.
Für gewöhnlich sind die Übersetzungen und Vokabel-Listen die man bekommt auf Englisch. Kein Problem, normalerweise.
Doch es kam der Tag, an dem mein Japanisch klammheimlich an meinem Englisch vorbei geschlichen war, und ich jetzt ein Japanisches Wort lernen sollte, dessen Bedeutung mir nicht mal im Englischen bekannt war.

Das Wort war: 通う kayou : "to commute".
Und ich dachte so ganz still bei mir: was zur Hölle soll denn "commute"n sein? Und ich musste tatsächlich nochmal im Wörterbuch nachschlagen - nämlich im Deutsch-Englisch Wörterbuch - um zu verstehen: das ist das "Pendeln" das man zwischen Arbeitsplatz und Wohnung so gerne macht.




Das ist jetzt zwei Jahre her.
Von da an ging es steil Bergauf. In immer neue Sphären der sprachlichen Raffinesse.
Darunter fließt der Kauderwelsch dessen, woraus eine Sprache eigentlich so zu 90% besteht: Umgangssprache.


Als ich dieses Jahr zurückkehrte und zum ersten mal längere Gespräche führen konnte wunderte ich mich über ein ständig wiederkehrendes Wort, das scheinbar "weshalb?" bedeutete, aber einfach nicht "weshalb?" war.
Ich musste einfach fragen....
"Ja, das ist bedeutet schon dasselbe, aber 'weshalb' klingt zu förmlich."

Ich hatte endlich das "warum" entdeckt...!





Besonders viel Spaß machte mir der Grammatik-Unterricht.
Statt langer Erklärungen wie man Sätze baut, bekamen einfach einen großen Packen Beispielsätze in feinstem Business-Japanisch. Darin fanden sich dann so Perlen wie:
召集 shoshu : convening : Einberufung (des Parlaments)
主食 shushoku: staple food : Hauptnahrungsmittel
年功序列制度 nenkojoretsuseido: seniority system : System der auf Dienstzeit basierenden Beförderungen.
渡り鳥 wataridori : migratory bird : Zugvogel
 Ja, irgendwann wusste sogar das Deutsch-Englisch Wörterbuch nicht mehr so recht weiter:
公定歩合 koteibuai : official bank/discount rate. Wenn man die Wikipedia-Artikel liest könnte man meinen, das wäre der Leitzins (die ersten Leser fragen sich schon was zur Hölle nochmal der Leitzins war), die im Englischen aber "Prime Rate" heißt. Wenn man etwas weiter liest und den Referenzen folgt, kommt man darauf, dass das ganze in Europa "marginal lending facility" also "Spitzenrefinanzierungs-Fazilität" heißen könnte.
Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: ich lerne Japanische Wörter deren Bedeutung ich nicht mal im Deutschen verstehe!

Ich wünschte es gäbe Unterricht in Kauderwelsch...



P.S.:
Die Lehrerin wusste auch nicht, was das eigentlich sein soll.
Gott weiß warum sie den Satz ausgesucht hat.