Freitag, 20. April 2012

Unnütze Geräusche

Japaner lieben Lautmalereien.
Wenn der Regen kommt, und es beginnt zu tröpfeln, dann macht das "PotsuPotsu". Schüttet es dann wie auf Kübeln, dann heißt das "SaaSaa".
Oft gibt es gar kein richtiges Wort mehr - man muss den richtigen Laut kennen um etwas sagen zu können.
Wenn man aufgeregt ist, fällt einem der technische Begriff für "Aufregung" wohl ohnehin nicht mehr ein - also hat "DokiDoki" (der Ton des Herzschlages) den Rang eines vollwertigen, offiziellen Wortes eingenommen. (Auf Deutsch würde man sagen: "steht im Duden").
Dinge die eigentlich gar kein Geräusch machen bekommen notfalls einfach eines angedichtet. Die glitzernde Wasseroberfläche macht "GiraGira".
Und wenn es wirklich so absolut Still ist um einen herum, dann macht diese Stille netterweise "Shiinto", damit man später mit einem Laut beschreiben kann, das es wirklich überhaupt keinen Laut gab.

Im Japanisch-Unterricht wurde uns (aus aktuellem Anlass) ein neues Wort näher gebracht: das Geräusch mit dem die Kirschblüte aufblüht.
Das geht soo schnell, das macht einfach "Pa".
Natürlich dauert es so zwei, drei Tage und macht eigentlich kein Geräusch, aber "Pa" - so erklärt uns der Lehrer - ist einfach das Geräusch das entsteht wenn etwas überraschend plötzlich passiert.

Also liebe Kinder, sagt er uns, findet doch weitere Beispiele für Dinge die so "Pa" plötzlich passieren können!
Erster Vorschlag vom Deutschen Bub: ein Auto könnte so "Pa" mit einem "Pa" kaputt gehen (gefolgt vom gequälten und erfolglosen Anlass-Jodler).
Nein, nein, meint der Lehrer: ein Auto ist etwas technisches und überhaupt gehen die nicht so plötzlich kaputt (so unter Deutschen und Japanern verschweigt man Motorschäden lieber als ihnen Geräusche zu geben.)
Dann vielleicht eine Bombe, meint das türkische Mädchen! Die könnte so "Pa",... naja, wenn es eine wirklich kleine Bombe...
Nein, nein, nein! Bomben machen schon "DOKAN!" sonst wären sie ja keine Bomben.
Vielleicht etwas kleineres? Das Gewehr? Die Pistole? Das Feuerwerk?
Aber das ist mehr so "Doon" oder "Ban" oder...

Schließlich fragen wir: Herr Lehrer, fragen wir, WAS gibt es dann außer der Kirschblüte, das sonst noch "Pa" macht? Fragen wir.

Eine Minute angestrengtes "Shiinto".

Also eigentlich gibt es sonst gar nichts auf der Welt das "Pa" macht - alle anderen Blumen blühen einfach nicht "Pa" genug. Nur die Kirschblüte "Pa"'t so richtig schon "Pa".

Gedanklich werfe ich das Wort schonmal "Pa" in den Papierkorb...

Sonntag, 15. April 2012

Un.Heimlich.Gefährlich.

Als ich zur Bundeswehr ging (jaa, Opi erzählt von der guten alten Zeit), habe ich erwartet von bärbeißigen Unteroffizieren angeschrien, herum-geschubst, durch den Dreck gezogen und durchs Unterholz gejagt zu werden. Doch tatsächlich fand ich mich einer kaum 1,60m großen, blonden zierlichen Unteroffizierin gegenüber, die mich fragte "darf ich Sie anfassen" bevor sie meinen Rucksack nachjustierte. Und mich DANN anschrie, herum-schubste, durch den Dreck zog und durchs Unterholz jagte.

Was lernen wir daraus? Nichts: wir sind Bildungs-Resistent (Danke G9!).

Und so fahren wir Jahre später nach Japan, dem Land der Samurai- und Kamikaze-Kultur und erwarten Todes-verachtende Menschen, der Gefahr ins Angesicht blickend, wohlwissend das jeder Augenblick zwischen Yakuza, Schwertkampf, Erdbeben und Überarbeitung der Letzte sein kann.
Und Wundern uns dann, von Rolltreppen gewarnt zu werden vor - nun - eben der Gefahr von Rolltreppen. Die uns dann vor einem Zeitungs-Stand abliefert der von Yakuza-Schwert-Morden und überarbeiteten Todes-Erdbeben (des TODES!) zu berichten weiß.

Mittlerweile lernfähig geworden (Danke Hochschulsystem) stellen wir also fest: das Vorurteil liegt meist gar nicht so falsch, nur eben etwas daneben.

Tatsächlich sind die Japaner regelrechte Sicherheits-Fanatiker:
Beim Nippon Kempo Probetraining wird mir erst einen zentnerschwere Schutzausrüstung angelegt und dann lang und breit erklärt, dass das immer noch nicht ganz sicher ist: ja, manchmal tut man sich tatsächlich weh beim Gegenseitigen Auf-die-Goschn-Hauen.
Studienkollegen weigern sich Nachts eine kleine, unbefahrene Straße vom Kampus zur nächsten Tankstelle zu gehen: die ist nicht beleuchtet und es könnte ja ein Auto kommen (in 10 Jahren wieder). Rechts und links der Straße sind übrigens Reisfelder - falls man schnell mal zur Seite springen möchte ist also gut 50 Meter Platz dafür.
Maggi-Fix-Kochmischungen mahnen zu Vorsicht beim hinzugeben von Öl. (Warum sagen sie nicht: die Überraschung Öl in eine zu heiße Pfanne zu kippen wollen sie dann doch nicht kaputt machen.)
Und überall im Alltag trifft man auf die geheiligten drei Worte: 注意(chūi:Vorsicht),危険(kiken:Gefahr) und 禁止(kinshi:Verboten) - oft in Kombination, und gern auch an Orten an denen ich mir ums verrecken nicht vorstellen kann, wie man sich da weh tun kann. Zum Beispiel warnen U-Bahn Türen nicht davor, in der sich schließenden Tür stecken zu bleiben, sondern davor in der sich öffnenden Tür stecken zu bleiben: also zwischen Tür und Zug zu geraten (dafür hat man grob einen Zentimeter Platz; Vorschläge bitte).

Aber hier liegt der Entscheidende Punkt: Japanische Sicherheit ist jedem selbst überlassen. Sie wurden Gewarnt. Oft genug. Nach dem Motto: Gefahr erkannt, Gefahr einfach liegen gelassen.

Auch an vielbefahrenen Straßen sind die Fußwege nicht durchgehend ausgebaut, markiert oder überhaupt vorhanden. Passiert schonmal, dass man ohne es zu bemerken plötzlich auf der Straße steht. Ich habe es sogar schon geschafft, zu Fuß auf die Autobahn zu geraten. Der Gehsteig war erst da und dann weniger da und dann mehr weg als da. Einzelfall? Ein Freund hat dasselbe mit dem Fahrrad geschafft - aber er hat's durchgezogen und ist bis zur nächsten Ausfahrt geradelt.
Dafür gibt es an fast allen Straßen offene Gossen/Rinnsteine, grob 30cm breit und 40cm tief. Hab ich schon erwähnt, dass man hier mit dem Fahrrad für gewöhnlich auf dem Gesteig fährt? Also zwischen Fußgängern und Gosse oft noch einen halben Meter Platz hat.
Auf meinem Weg zum Campus gibt es die meiste Zeit keine solchen Gossen: da gibt es direkt neben dem Gehsteig einen offenen Kanal, an manchen Stellen gut zwei Meter tief, der bei gutem Wetter 2cm, bei Regen schöne 40cm Wasser Marke "Sturzbach" führt.
Das Ding ist aus Zement - komplett - mit ein paar Steinen im Zement-Fundament, weil: hey, das ist doch jetzt auch schon Wurscht!
Der Kanal ist vom Gehsteig durch einen Grünstreifen getrennt, der Grünstreifen ist eine 1Meter breite, steile Böschung. Quizfrage: in welche Richtung die die Böschung abschüssig? Die Antwort sehen sie, wenn sie bei Regen versuchen auf dem Fahrrad Fußgängern auf dem Gehsteig auszuweichen.


Die Kinderspielplätze haben hier übrigens auch Kletterparks, für die man in Deutschland noch als Erwachsener eine Einverständniserklärung unterschreiben müsste.
Und wo wir in Deutschland die 3 Meter hohen Bau-Zäune (Marke: Bauherr haftet für alle Deppen) zu Festungen zusammenstellen reicht hier - wenn Verkehrshütchen nicht mehr reichen - ein paar 1.7m Aufsteller aus - müssen auch nicht immer einen geschlossen Zaun bilden.
Auf den Aufstellern steht dafür dann auch in großen, freundlichen Schriftzeichen: 安全第一 an zen dai ichi: Safety first!

Das ist, glaube ich, als Aufforderung zu verstehen.

Mittwoch, 4. April 2012

Über den Wolken...

.. muss die Strahlung wohl grenzüberschreitend sein.

Zumindest hört man immer wieder, dass Flugpersonal wohl spezielle Vorschriften einhalten muss, wie oft sie der Sonne zu nahe kommen dürfen.
"Immer wieder"? Naja, wenn man sie immer wieder fragt, dann sagen sie es auch immer wieder. Sie beharren also darauf.

Aber wenn man schon mal 10 Stunden im Flugzeug sitzt und nicht schlafen kann, dann kann man das ganze auch einfach mal nachprüfen.
Dazu nimmt man einfach von Zeit zu Zeit sein Gamma-Dosimeter (das man natürlich immer dabei hat) und misst.

- Flughöhe: ~10000m (hab ich leider nicht jedes mal genau mitgeschrieben)
- Steckte: ~9200km
- Flugdauer: ~10h

Hier die Messdaten:

























Ort:Zeit: (h:m)Strahlung: (µSv/h)Gesamtbelastung: (µSv)
Leipzig0:201.30.3
Warschau0:501.61.0
Minsk1:201.71.8
Moskau2:151.73.2
Jekaterinburg3:101.64.6
Omsk4:001.66.0
Nowosibirsk4:401.66.9
Irkutsk5:501.59.0
UlanBator6:451.410.5
Seoul8:501.413.5
Hiroshima9:200.614.2
Osaka9:500.314.3

(Der leere Bereich wurde von blogger.com automatisch eingefügt, um die Spannung zu erhöhen.)

Und weil ich ja irgendwas mit Medien studier(t)e: hier das ganze als Info-Graphik (alles Augenmaß)


Wir beobachten folgende Phänomene:

  • Kosmische Strahlung ist auf der Tag-Seite und der Nacht-Seite der Erde annähern gleich stark.

  • Auch der Breitengrad hat kaum Einfluss - zumindest nicht in diesen Breiten.

  • Flughöhe ist der entscheidende Faktor (Überraschung!)

  • Nach Japan zu fliegen ist Gefährlicher als in Japan zu wohnen
    (in Osaka hab ich dieselbe Belastung wie in München)

  • Flugzeuge steigen deutlich schneller als sie sinken. (Das macht Hoffnung)

  • Mehr als zweimal die Woche fliegen ist ungesund.

  • Schönen Gruß an die Besatzung der ISS!



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"Die Sonne strahlt ja stärker als ein Atomkraftwerk!
Solarkraft? Nein Danke!"

oder
"Auf dem Rückweg hältst du das Gerät nach unten
und zeichnest russische Atom-Silos auf!"


Achso:
für alle die das nicht eh schon wussten oder aus dem Kontext ablesen konnten:
ich bin wieder in Japan.
Aber davon ein anderes mal.