Donnerstag, 21. April 2016

Vertragen

Wir sind Weltmeister. Fußball-Weltmeister vor allem, aber auch in anderen Sachen. Bürokratie zum Beispiel. Und das schönste Beamtendeutsch haben wir auch.
Glauben wir.
Gott Staatsapparat sei Dank gibt es dafür keine Weltmeisterschaft. Da würden wir die Brasilianer zwar genau so ausziehen, aber im Finale von den "Samurai Blue" nach Strich und Faden Recht und Gesetz zur Beamtensau gemacht werden.
Erfahrungen aus dem Japanischen Vertragswesen...
(...mit diesem Satz allein habe ich 90% meiner Leserschaft vergrault)
 



Wenn Sie ihren Arbeitsvertrag gelesen haben (ganz, nicht nur den Teil mit Gehalt und Urlaub!) haben sie bestimmt ein Stündchen gebraucht, oder?
Lächerlich.
Der durchschnittliche Japaner hat den in einer Minute durch.
Ist ja auch nur 10 Zeilen lang.
Die Verträge sind nämlich irgendwann soo lang geworden, daß man den ganzen Vertrag aus dem Vertrag heraus genommen hat, und in einen separaten Wälzer gepackt hat, den sie "Arbeitsregeln" nennen. Da ist dann alles drin vermerkt, was man immer schon mal niederschreiben wollte, aber das Papier alle war. Gehalt natürlich, wann und wie gearbeitet werden muß, Urlaub, der sich nach bestimmten Regeln jedes Jahr um einen Tag verlängert, was die Firma darf  (alles) und der Arbeiter nicht darf (sich beschweren), ob Verkehr eine Ausrede ist nicht zur Arbeit kommen zu müssen (nur für die Frau, und auch nur dann wenn er zu Nachwuchs führte) und all die anderen Sachen die Sie in ihrem Vertrag auch nur Quergelesen haben. Die Regeln müssen beim Amt beglaubigt werden und gelten dann für alle Beschäftigten. Also keine Chance um ein paar mehr Tage Urlaub zu pokern beim Bewerbungsgespräch!
Im eigentlichen Vertrag stehen dann nur noch ihre Name, wann Sie anfangen dürfen, und wann sie wieder aufhören sollen. Der letzte Punkt ist extrem wichtig. Es ist nach Japanischem Recht fast nicht möglich Angestellte zu feuern weg-rationalisieren, außer die haben echt Scheiße gebaut. Wer genaueres wissen will, dem sei das Buch "Mit Staunen und Zittern" empfohlen: Memoiren einer Frau, die ein ganzes Jahr nutzlos ist, bis ihr Vertrag endet. Denn so lösen Japanische Arbeitgeber das Problem: Verträge werden fast immer befristet, und nur für die Leute zu verlängern, die man im April bei der Firmen-Kirschblüten-Party wieder dabei haben will. (Ach, der Herr Sato ist doch immer so gesellig!)



Ja, Sie merken schon, in letzter Zeit habe ich mich etwas mehr mit diesem Zeug beschäftigt. Warum, darf ich Ihnen noch nicht sagen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass ich ein neues Lieblingsspiel habe: ich gehe aus, lerne Japaner kennen, und wenn die etwas angetrunken sind, hole ich meine Japanisch-Lern-App heraus, und teste sie auf die Schriftzeichen, die ich aus Vertragstexten gelernt habe. Die meisten halten so 5 bis 6 Stück durch, bevor sich die Stirn in Falten legt, und sie zugeben müssen, ihre Arbeitsregeln oder Mietverträge nie wirklich gelesen zu haben. Eine behauptete gar steif und fest, "Satzung" sei kein echtes Schriftzeichen.
Wenn sie also das nächste mal an Beamtendeutsch nagen, freuen sie sich, daß sie wenigstens alle Worte lesen können. (So lange, bis die Deutsche Bürokratie -Nationalmannschaft zu ihrem "Paragraphen-Zeichen" ein paar Erweiterungen einführt. Lachen Sie nicht! Die Mathematiker helfen gerne mit ein paar Symbolen aus, die kein normaler Mensch lesen kann).


Wenn man sich dann mal durch die Verträge durchbeißt, fallen einem zwei Punkte auf, die außerordentlich breit und gewissenhaft diskutiert werden. 
Das Erste was ist die Abhandlung von Naturkatastrophen, womit vor allem Erdbeben gemeint sind. Danke, ich fühle mich gleich viel sicherer im 11 Stockwerk!
Das Zweite sind Regeln betreffend "antisozialer" oder "gewalttätiger" Gruppen. Damit sind die Yakuza gemeint. Im Gegensatz zu den Erdbeben ist das wohl eher neu. Also, die Yakuza hat's schon früher gegeben, aber sie tauchten nicht in deinem Mietvertrag auf. Erst um 2010 fanden die Leute das man Gangstern mal das Leben schwer machen könnte, in dem man ihre Vereinigungen verbietet und Bürgern vorschreibt nicht mit ihnen zu verkehren. Ob das so viel Effekt weiß ich jetzt nicht. Für mich lesen sich die Klauseln, wie daß ich kein Yakuza-Mitglied werden und denen kein Geld geben darf etwas überflüssig. Andererseits hilft daß vielleicht den Regel-Freudigen Japanern eine Ausrede zu geben kein Schutzgeld zu zahlen. "Würde Ihnen ja so gerne Geld geben, aber Sie müssen verstehen: mein Vermieter.... möchten Sie mir ersatzweise vielleicht gerne die Beine brechen? Nein? Okay."

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