Donnerstag, 31. März 2016

Gefangener der Maschinen

Psst! Hey! Können Sie das hier lesen? Ich habe nicht viel Zeit, denn DIE sind sicher schon hinter mir her! Wer? Die Maschinen! Die halten mich als Geisel bis ich ihre perversen Wünsche erfülle. Geld wollen sie! Immer Geld! Denn dafür sind sie gebaut!
Nein, das ist kein Dystopie-Science-Fiction-Roman!
Das ist mein Alltag!


Das fing ganz harmlos an. Als ich den Zug genommen habe. Eigentlich zahlt man in Japan sein Zug-Ticket ja beim betreten des Bahnhofs. Dazu gibt es da Automaten, denen man sagt wohin man fahren will, und auf Bezahlung ein Ticket drucken. Damit kommt man dann durch die Schranke in den Bahnhof. Wichtig ist das Ticket nicht zu verlieren, weil man bei der Ankunft am Zielbahnhof das selbe Ticket wieder in die Schranke stecken muß. Sonst kommt man nicht raus. Falls man sich im Bahnhof geirrt hat kann man an einem anderen Automaten den Restbetrag nachbezahlen.

Aber das ist natürlich für Amateure! Ich habe mir gleich eine IC-Karte zugelegt. Das ist so eine Geld-Karte mit der man einfach durch die Schranke durchmarschieren kann... wenn denn genug Geld drauf ist. Sonst macht die Schranke laut "Meep!" und bleibt zu. Da man sich angewöhnt hat einfach durchzugehen, läuft man also dagegen. Man zieht seine Beine wieder aus der Metallabsperrung und drängelt sich zurück durch den Pulk an genervten Anzugträgern die sich sofort hinter einem bildet, wenn man den natürlichen Menschenfluss unterbricht. Dann sucht man sich einen der Automaten innerhalb des Bahnhofes wo man die Karte wieder aufladen kann und erkauft so seine Freiheit.



Jetzt haben sie auch noch meine Geliebte versklavt! Eine Stahlkralle hält sie hier Gefangen. Der Automat blinkt mich warnend an. Ich muß Auslöse zahlen. Erst dann läßt die Kralle ab, und ich kann mein geliebtes Töff-töff vom Parkplatz befreien...

Auch wenn Sie ihr eigenes Verkehrsmittel verwenden entkommen Sie die dem "Geld für Freiheit" Prinzip nicht. Denn hier gibt es keine Politesse die Sie mit einem Zettel entkommen läßt. Denn nahezu alle Parkmöglichkeiten gehören privaten Firmen, und die warten nicht gerne auf ihr Geld. Also haben die Parkplätze eingebaute Wegfahrsperren. Meist hebt sich dazu ein Metallenes Schild oder ein Greifarm hinter einem der Reifen und hindert einen so am Wegfahren.
Das Problem: bezahlt wird natürlich nach geparkter Zeit. Wenn sie also jetzt nicht genug Geld haben, müssen Sie nachher noch mehr Geld haben! Ob das Auto irgendwann entfernt wird oder einfach verkauft wenn die Parkgebühr den Marktwert übersteigt, habe ich noch nicht feststellen können.
Mit dem Fahrrad sind Sie meist auch nicht besser dran. Nur, dass man den Vorderreifen leichter abmontieren und den Rest mit nach Hause nehmen kann...



Ich bin in einem fensterlosen Raum. Die Beleuchtung ist schummrig. Oder vielleicht hätte der Raum sogar ein Fenster... doch egal ob das Paneel an der Wand nur zierte ist, es ist jedenfalls verriegelt. Der einzige Ausweg ist die Tür, doch die lässt sich nicht öffnen. In dem kleinen Windfang ist ein Automat eingebaut. Die Maschine stellt Forderungen für meine Freiheit! Und ich bin nicht allein... jemand ist mit mir in diesem Zimmer...

Wenn Sie wie ich auf dem Land leben, haben Sie ein Problem. Sie müssen in die Stadt zum Spaß haben. Wenn Sie in der Stadt sind und mit einer zweiten Person gemeinsam Spaß haben wollen, haben sie ein Problem. "Hey, lass uns schnell zu mir nach Hause fahren und ähh, einen Film gucken! Sind nur 60 Minuten Zug plus 30 Minuten Fußmarsch durch die Finsternis!". Da würde ich ja selbst die Lust auf einen... ähh, Film verlieren.
Gott sei Dank Aufklärung sei Dank kann man sich ja schnell ein Hotel nehmen. Die haben auch immer einen Fernseher!
Und da kann man sich das Zimmer auch erstmal einfach so 'raus suchen, ohne lange Buchungsverträge. Doch sobald die Tür ins Schloss gefallen ist, ist man gefangen. Dann muss man de Automaten an der Tür mit Geldscheinen milde stimmen, um das Tageslicht Neonlicht wieder sehen zu dürfen...

Andererseits, wenn ich schon einen grausig unangenehmen Moment haben muss, über die Bezahlung von "Zweisame Privatsphäre, Stundenweise" diskutieren zu müssen, dann doch lieber beim verlassen der Bleibe...

 Nein, das ist nicht der Automat. Aber auch ein Automat, und einer den man immer schon auf dem Nachtkästchen haben wollte...

Sonntag, 13. März 2016

Weiterführender Schein

Ihre erste geniale Strategie, die Straßen sicherer zu machen war, die Führerschein-Zulassungsstelle irgendwo im nirgendwo zu bauen, wo man fast nicht hin findet.

Ihre zweite geniale Strategie war, den Führerscheinen ein Verfallsdatum zu geben.

Ihre dritte geniale Strategie war, die Termine für die Führerschein-Erneuerung auf zwei kurze Zeitfenster pro Tag zu beschränken...

Verdammt, verdammt, verdammt, jetzt spinnt auch noch Google Maps!
Ruhig bleiben, nach dem Weg fragen! Einfach irgendwo auf einer Schotterpiste parken - was ich bestimmt nicht darf, aber hier geht's um Leben und Immobilität - und den Rest der Strecke rennen.

Keuchend komme ich gerade noch rechtzeitig an und kriege ein Formular in die Hand gedrückt. Neben dem Üblichen ist auf der Rückseite auch noch ein Satz fragen gedruckt. Irgendwas ob ich in den vergangenen Jahren mal spontan das Bewusstsein verloren habe. (Spontan war das wohl nicht! Habe das doch schon beim zweiten Bier kommen sehen!). Aber weder habe ich die Zeit jetzt hier alle Schriftzeichen zu entziffern, noch das Selbstvertrauen am Ende nicht doch irgendeine Japanische Höflichkeits-Floskel nicht falsch herum zu verstehen. Also mache ich was jeder gute Student tut und tue beim Nebenmann abschreiben. Ahh, dacht' ich mir doch, dass "NEIN" richtig hätte sein müssen.

So gebe ich das Formular noch rechtzeitig am Schalter ab und darf mich setzen. Puhh, geschafft!


Mein Name wird ausgerufen (ich brauche immer zweimal, bis ich auf die Japanische Aussprache meines Nachnamens reagiere) und ich muss zurück zum Schalter.
Sie hält mir das Blatt mit den Fragen vor.
Verdammt, hätte ich besser nicht vom gratligen Opa abgeschrieben!
Ne, das war's nicht: ich hab einfach nur Kreuze gemacht. Keine Häkchen, wie man es hätte machen sollen. Kreuze. Haken, Kreuze, naa, da verkneif ich mir jetzt blöde Sprüche!
Also gibt sie mir ein neues Blatt und diesmal Hake ich ab!

Dann darf ich ein Feld vorrücken und ein Photo gemacht bekommen.

Die vierte Strategie, Japanern den Spaß am Leben zu nehmen war, das "jetzt-holen-alle-ihre-Führerscheine-raus-und-wir-lachen-über-Jugendsünden" - Party-Spiel kaputt zu machen.




Ich werde in einen Raum geführt, der stark an ein Klassenzimmer erinnert.
Auf jedem Platz liegt ein brauner Umschlag....
Ohhhh, Mist! Auf einen Test war ich schon nicht vorbereitet, als ich meinen Führerschein in Deutschland gemacht habe! (Und der war auf Deutsch ...und angekündigt). Ich glaube mir wird schlecht.
Zu unrecht, denn der Inhalt entpuppt sich als eine Sammlung Info-Broschüren. Dazu kriegen wir den passenden Vortrag.
Wie ein Kreisverkehr funktioniert. Zum ersten mal fällt mir auf, dass ich in Japan tatsächlich noch keinen Kreisverkehr gesehen habe. Ist halt auch kein Platz.
Das man sich anschnallen soll. So, so, ja? Wir kriegen ein passendes Video mit Crash-Tests gezeigt. Crash-Test-Puppen-Tochter verwandelt sich ein ein tödliches Projektil, dass Crash-Test-Puppen-Vati den Schädel zerdeppert, bevor sie sich durch die Windschutzscheibe verabschiedet. Ich werde immer meine Tochter anschnallen, entscheide ich.
Dann lerne ich noch, was dieser lustige Aufkleber bedeutet, den viele hier auf dem Auto haben. Nämlich: Senioren am Steuer. Wundert mich plötzlich gar nicht mehr.Die fahrenden Senioren werden hier netterweise "Silver-Driver" genannt. Ich finde das toll! Klingt fast wie ein Super-Held! Der Silver-Driver naht zur Rettung... etwas langsamer als der restliche Verkehr...

Nach knapp zwei Stunden ist der Unterricht vorbei, und ich kriege meinen neuen Schein.
Und als Belohnung dafür, dass ich zwei Jahre lang keinen Unfall gebaut habe, ändert der die Farbe jetzt von Grün nach Blau. Dankschön. Ich lasse mich von einem LKW Fahrer böse anhupen, warum ich auf seiner Schotterpiste geparkt habe, dann fahre ich Heim.

Mein ganzer Stolz. Im Hintergrund, meine Villa. 
Ich sollte endlich mit dem 'rum-Studieren aufhören und mir nen Job suchen.