Donnerstag, 30. April 2015

Sprechen lernen (2)

Ich kriege ja nie Leserbriefe oder Kommentare. Aber wenn ich welche kriegen würde, dann hätten sie sich über den letzten Eintrag beschwert, dass das ja Offensichtlich war:
zum lernen muss man regelmäßig Zeit investieren. Weiß ja jeder!

Okay: hier ist was das Sie noch wissen:

Hören Sie auf Vokabeln zu lernen.

Lernen Sie keine einzelne Vokabel.
Lernen Sie den ganzen Satz!




2.) Phrasen:
Haben Sie sich schonmal gefragt, wie Kinder ihre erste Sprache lernen? Die haben ja keine Übersetzung für die Worte ("Geheimnis" ist "gugu-gaga" auf Baby-isch).
Klar, für die ersten Worte wird einfach ein Bild gezeigt: das Grüne Ding ist ein "Baum", das süße Ding ein "Apfel", und zusammen ist das ein "Apfelbaum".
Aber das hört schnell auf, wenn die Worte abstrakte Konzepte darstellen. Wie soll man vermitteln, was "Geheimnis" oder "Sprache" bedeuten? Naja, man erklärt's halt. Also: mit anderen Worten.
Und da liegt schon der Hund begraben: die meisten Worte existieren überhaupt nur durch ihren Zusammenhang zu anderen Worten. Denn das ist, was Sprache eigentlich ist. Wenn sie Vokabeln lernen, sprechen sie immer noch Deutsch, nur mit anderen Worte. Die andere Art zu denken, die andere Art sich auszudrücken der anderen Sprache geht komplett verloren.
Also hilft es neue Vokabeln nur im Zusammenhang mit anderen Vokabeln zu lernen. Nicht in der Wörterbuch-Definition sondern in der tatsächlichen Verwendung Form von Beispielsätzen.

Das ist ziemlich hart, und vor allem am Anfang ungewohnt, bringt aber schnell eine ganze Vorteile:


Geschwindigkeit:
Hatten sie schonmal das Gefühl, dass sie alle Worte kennen, die sie in einem Dialog hören (oder sagen wollen) aber einfach alles zu schnell geht? Wenn Sie Vokabeln als Übersetzungen für Worte in ihrer Muttersprache gelernt haben, dann ist ihr Gehirn darauf getrimmt die Worte isoliert zu übersetzen und dann einen Sinn aus dem Satz bilden zu wollen.
Das ist reichlich langsam. So werden Sie da nie rechtzeitig fertig.
Stattdessen sollten schon ganze Teilstücke für Sätze bereit liegen, und zwar möglichst nahe bei anderen Teilstücken die Sie wahrscheinlich gleich noch brauchen können.
Ihr Zuhörer weiß nicht, ob Sie den Satz gerade aus einzelnen Worten zusammengebaut oder vorher einfach auswendig gelernt haben, noch weiß er wie viele Sätze Sie sonst noch so können. Sie können also in ein paar Tagen lernen flüssig wie ein Muttersprachler zu sprechen.... aber halt nur für 10 Sekunden.

Die (traurige) Wahrheit ist: darauf kommt es an! Leute hören nicht gerne Gestotter und wenn ihre ersten 10 Sekunden die Sie jemanden auf der Straße nach dem Weg fragen nicht den Eindruck vermitteln, dass Sie die Antwort verstehen würden, werden sich viele Passanten ganz schnell entschuldigen. Klingt hart. Hab ich auch auf die harte Tour gelernt. Selbst wenn Sie nur 10 Sekunden sprechen können, können ihnen diese 10 Sekunden viele Türen öffnen, wenn Sie fließend Vorgetragen werden.


Verwendung:Haben Sie sich mal gefragt was der Unterschied zwischen "essen", "fressen", "speisen" und "Nahrungsaufnahme" ist? Bedeutet alles dasselbe, oder? Man verwendet sie aber in unterschiedlichen Situationen. Peinlich, wenn man Tante Agathe sagt, sie solle noch ein Stück Kuchen fressen.
Aber auch für den "übertragenen Sinn" von Worten ist es wichtig, denn ob es diesen "Übertragenen Sinn" auch in der Fremdsprache gibt ist nicht sicher. Sie könnten jemanden "zum fressen gern haben", aber in welchen Sprachen der Welt können Sie ihrem Gspusi dass auch mit "fressen" sagen ohne mit dem Kannibalen von Rotenburg verwechselt zu werden? (Hahaha, haben Sie gedacht mit ihrer weißen Hautfarbe wären Sie über jeden Verdacht erhaben?!)
Also: wenn Sie ganze Beispielsätze lernen, lernen Sie die möglichen Einsatzgebiete für das neue Wort gleich mit. Was auch immer Unterhaltsam ist zu sehen auf welche Ideen andere Völker gekommen sind, um ihren Gspusi wissen zu lassen was in ihnen vorgeht...


Grammatik und Redewendungen:
Wenn sie Deutsch sprechen, denken Sie dann auch oft über den Dativ und den Akkusativ nach und ob das Verb jetzt in den Futur muss? Nein? Dafür beherrschen Sie deutsche Grammatik aber ziemlich gut. Vermutlich haben Sie's einfach im Gespür? Sprich: nachdem Sie einen Satzbau oft genug gehört haben, verstehen Sie die Bedeutung, ohne die Regeln zu kennen. Sie reproduzieren einfach dasselbe Muster mit anderen Worten.
Da wollen Sie auch hin wenn sie eine Fremdsprache lernen: weg von den Regeln und hin zum "Gespür". Erstens ist "Bewusst-die-Regeln-anwenden" einfach zu langsam um flüssig Sprechen zu können und zweitens lässt sich nicht jede Phrase und jede Redewendung in die Regeln der Grammatik pressen.



Erinnerung:
Ein beliebter Tipp um sich etwas zu merken ist ja, es mit einem geistigen Bild oder Slogan zu verbinden. Wenn Sie einen ganzen Satz lernen der eine Situation beschreibt, haben Sie diesen Positiven Effekt automatisch. Es macht auch viel mehr Spaß, wenn die Sätze lustige Situationen beschreiben oder Sie an eine Situation erinnern, wo das jemand gesagt hat.

Wenn dann mal ein "Wort auf der Zunge liegt" - Sie also genau wissen, dass Sie's wissen und wo Sie's gelernt haben - dann spucken Sie einfach den ganzen Beispiel-Satz aus, mit dem Sie das Wort gelernt haben.

Kontext:
Japanisch ist ja die Königin der Homophone. Aber auch anderen Sprachen kann die Bedeutung von Worten stark vom Kontext abhängen. Eine das "reizende" an einer Dame mit einer stark "reizenden" Flüssigkeit zu verwechseln kann zu Missverständnissen führen.
Sie wollen wirklich nicht alle Laute auf alle möglichen Interpretationen hin durchprobieren was in diesem Zusammenhang Sinn ergibt, oder? Sie wollen, dass ihr Gehirn "voreingestellt" ist, und nur genau Interpretation durchkommt, die im Zusammenhand zu den ganzen anderen Worten die Sie gerade gehört haben Sinn macht.
Sprich: Sie wollen sich in bestimmen Situationen (außerhalb des Kontextes) eben gerade nicht erinnern welche Bedeutungen so eine Folge auf Lauten auch haben könnte.
Besser also wenn ihr ganzes Vokabular schon Kontext-Gebunden ist.





So, jetzt hab ich einen langen Text verfasst, warum es besser ist Sprachen in ganzen Sätzen zu lernen, aber kein Wort darüber verloren wie man das machen soll.

Hier a kurze Liste:
  • Statt der einzelnen Vokabel, packen Sie immer einen ganzen Satz auf ihre Vokabel-Karte (oder Software). Machen Sie die Übersetzungen ruhig primitiv und stichpunktartig oder "grammatikalisch falsch" um dem Satz in der Fremdsprache gerecht zu werden.  Es reicht wenn Sie sich erinnern um welche Bedeutung es ging.
  • Lernen Sie die Karten "vorwärts und rückwärts" also sowohl von Muttersprache zu Fremdsprache als auch umgekehrt.
  • Markieren Sie das "Zielwort" (wenn es denn eines gibt) durch Farbe oder Unterstreichen. Das wirkt ein bisschen wie ein Anker um das Ding in ihr Gehirn zu kriegen. Und wenn Sie erstmal ein paar Tausend Sätze beisammen haben ist es hilfreich sich zu erinnern, welches Wort sie da mal lernen wollten. Wenn Sie nicht wollen brauchen Sie aber auch gar kein "Zielwort".
  • Beispielsätze mit (korrekten) Übersetzungen zu finden ist manchmal Schwierig. Webseiten wie tatoeba.org helfen da sehr weiter. Dort findet man Sätze für fast alle Sprachen der Welt.
  • Die Zeit-Regel aus dem letzten Artikel gilt natürlich auch hier.

Sonntag, 26. April 2015

Sprechen lernen (1)

Das hat ja mal lange gedauert...
Ursprünglich wollte ich hier mein gemoser rauslassen über meine meist gefürchtete Frage:
"Kannst du denn jetzt Japanisch?!"
Aber dann ist mir aufgefallen, dass er wirklich tot-uninteressant ist was ich jetzt verstehen kann und was nicht.
Hier die Zusammenfassung: "Sprache können" ist keine ja/nein Frage, hängt stark vom Kontext ab (Alltag, Bürokratie, spezielle Interessen, ...) und selbst Muttersprachler haben nur einen begrenzten Wortschatz (oft im Zusammenhang mit Hintergrund/Bildungsniveau) und halten sich nicht an die linguistischen Regeln.
Sie können also ganz schnell lernen eine Sprache "besser" als die Einheimischen zu sprechen, werden dann aber immer noch kein Wort verstehen.

So, nachdem ich alles was ich zu dem Thema zu sagen habe in einen einzigen Absatz komprimiert habe, kann ich zu dem Thema kommen, dass ich viel interessanter finde:

Wie lernt man denn am besten eine Sprache?

Ich persönlich bin sprachlich komplett unbegabt. Tatsächlich beginnt die Geschichte, warum ich Japanisch gelernt habe damit, dass ich in Französisch versagt habe (aber das verzähl' ich a anders mal). Also grausige Startvoraussetzungen.
Deswegen habe ich immer großes Interesse daran das ganze zu vereinfachen und effizienter zu lernen.

Also schreibe ich jetzt hier mal meine Sammlung an Tipps auf.
Vielleicht wollen Sie ja noch eine neue Sprache lernen...



1.) Zeit:
Das Gehirn hat eine ganz tolle Funktion: es kann vergessen.
Es kann nicht nur, es arbeitet aktiv an der Entsorgung aller Erinnerungen.
Wie ein Elternteil, der gnadenlos ihr Dachzimmer ausmistet und alles weg wirft was Sie in letzter Zeit nicht mehr getragen haben. VERDAMMT, DAS WOLLTE ICH NOCHMAL ANZIEHEN!

Warum erzähle ich das?
... hab ich vergessen, haha *tuschhh*. Ach ne! Jetzt kommt der Tipp:
Weil lernen nichts anderes ist als "nicht vergessen".
Deswegen ist das Timing entscheidend!
Sie können jedes Wort in einer Sekunde lernen. Das ist nicht das Problem.
Beispiel gefällig? "Lernen" heißt "benkyo" auf Japanisch. Kapiert?
Die Frage ist nur ob Sie's behalten können, weil: ihr Gehirn will's nicht.
Was hieß "Lernen" gleich nochmal? Gut! noch da!
So könnten sie also in einer Stunde rund 3600 Vokabeln lernen.
Doch schon nach ein paar Sekunden versucht ihr Gehirn gleich wieder jedes Wort sofort wieder weg zu werfen. Also müssen Sie's vorher wiederholt haben. Was hieß "Lernen" gleich nochmal....?
Das hält dann vielleicht so eine Minute. Dann kommt ihr Gehirn wieder vorbei. Wehe sie haben's bis dann nicht wiederholt. Und mit wiederholen meine ich nicht: nochmal lesen und passiv verstehen, sondern aktiv ohne Nachschauen aus Ihrem Gedächtnis reproduzieren. Was heißt "Lernen"?! Ah, das hat ihnen wieder eine Minute gekauft!

Das geht immer so weiter: aus der einen Minute werden zwei, dann fünf, dann 10, 30, eine Stunde, ein Tag, zwei Tage, eine Woche, ein Monat, ein halbes Jahr...
Wann hört's auf?
Nie.
Wenn Sie schonmal die Erfahrung gemacht haben, dass ihnen ein Wort "auf der Zunge" lag, aber Sie sich einfach nicht erinnern konnten, wissen Sie dass ihr Gehirn selbst vor ihrer Muttersprache nicht halt macht.
Wenn also sie heute aufhören würden Deutsch zu sprechen, würde ihr Gehirn schon Morgen mit dem Ausmisten anfangen, angefangen mit den Worten die sie am wenigsten benutzt haben.
Netter weise wird die Erinnerung nicht auf einen Schlag komplett weggeworfen. "Erneut-lernen" ist also weniger aufwändig als das erste mal etwas neues zu lernen.
Zumindest für einige Zeit. Aber das hilft ja nicht wenn Sie nicht rechtzeitig wiederholen.
Und irgendwann ist alles Weg.
Genau so wie das Japanische Wort für "Lernen" jetzt weg ist...


Das heißt also, dass Sie nur dann eine Chance haben die Sprache zu lernen, wenn sie regelmäßig üben.
Regelmäßig heißt: jeden Tag, über den Tag verteilt: Morgens, Mittags, Abends, ...
Wenn Sie nur Abends lernen, Morgens aber nicht wiederholen, dann sind viele Worte bis zum Abend schon wieder weg. Etwas wird natürlich immer hängen bleiben, aber viel ihrer Mühen (und Lernzeit) sind dann verschwendet.
Also nutzen Sie Ihren Weg zur Arbeit und zurück, sowie ihre Pinkel-Pausen zum lernen. Haben Sie immer Kartei-Karten oder ihr SmartPhone dabei und nutzen Sie kleine Pausen.


Wie viel Zeit ist genug?
Tja, zwar werden die Vokabeln zum wiederholen immer mehr, aber die Zeitabstände für jede Vokabel immer länger je länger Sie lernen.
Als Faustregel hat sich bei mir aber eine Stunde pro Tag durchgesetzt. Das sind etwa 1/3 aus dem "das lerne ich gerade zum ersten mal" Stapel, 1/3 aus "wird wiederholt" und 1/3 aus "hab ich früher mal gelernt, darf ich aber nicht vergessen".

Ist natürlich einfacher gesagt als getan. Wie schafft man dass sich jeden Tag zu einer ganzen Stunde büffeln zu motivieren?
Konfuzius sagt: "Kenne deine Schwächen und lasse sie für dich arbeiten."
Max sagt: "Wenn du ein Argument bringen willst, behaupte einfach Konfuzius hätte irgendsowas gesagt, dann hinterfragt dich keiner." (Und ehrlich, der Typ hat so viel gesagt...)
Außerdem ist der Max ein verklemmter Pedant, an der Grenze zum Autismus.
Auch hat der eine Japanisch-Lern-Software, die Statistiken über der verbrachte Zeit anzeigen kann.
Das ist ganz furchtbar, denn wenn man erstmal angefangen hat da ganz geordnete "eine-Stunde"-Balken aufzureihen (eins für Montag, eins für Dienstag...), ertrage ich die Lücke eines verpassten Tages nicht mehr.
Wenn Sie also wissen, was ihr Gehirn überhaupt nicht ab kann, benutzen Sie's um sich zum regelmäßigen Lernen zu zwingen.
Ich bin dann mal weg.... meinen Balken für Heute auffüllen....