Dienstag, 15. Juli 2014

Konzernd

Und weil immer nur Studieren auch langweilig ist, dacht' ich mir: arbeitest halt mal wieder.
Also: Praktikum bei einer nicht genannten, großen Japanischen Firma.
Ja, so groß, dass auch Sie sie kennen würden, wenn ich sie denn sagen würde.
Was ich nicht tue, weil ich Problemen mit den Vorgesetzten aus dem Weg gehen möchte solange ich mein Praktikumszeugnis noch nicht habe.
Und Anonym kann man leichter lästern...



Also bin ich jetzt auch ein Anzug-tragender Sarariman. Zwänge mich jeden morgen brav in den Zug (nein, so schlimm wie das auf den Photos aussieht ist das bei uns glücklicherweise nicht) und marschiere dann vom Bahnhof zum Firmengebäude.

Ich verwende bewusst das Wort "marschiere", denn zusammen mit den Kohorten aus anderen Angestellten marschieren wir brav in 2-3er Reihen die Straßen herunter. Nicht ganz so geordnet wie beim Militär, aber schon beeindruckend.
An jeder Kreuzung steht ein Sicherheits-Mann. Also: von der Konzern-Sicherheit.
Der weist die Leute ein, schön am Straßenrand zu bleiben, stehen zu bleiben wenn Autos kommen, und sogar den ganzen Bogen über die Kreuzung zu gehen. So: abkürzen über die Mitte wäre zwar auch legal, sähe aber nicht so schön aus.

Wir haben dafür auch extra einen Knigge, wie wir uns außerhalb des Konzerngeländes verhalten sollen. Nicht dass da jemand rauchend, essend oder redend das Ansehen der geliebten Firma beschmutzt.

Laut einem bekannten, ehemals Angestelltem war das früher sogar noch schlimmer:
da drückte man ihm einen Wälzer in die Hand mit Regeln bis hin ins kleinste Detail,
wer wo im Aufzug zu stehen hat. (Tipp: der nieder-rangigste Angestellte muss an der Tür stehen und den Aufzug bedienen).
Da hat sich das Klima scheinbar ein bisschen gelockert.




Was dagegen noch ganz groß geschrieben wird ist: SICHERHEIT.
Moment, das war nicht groß genug:
SICHERHEIT!
Bis ich meine eigene Keycard (mit Passbild) hatte, konnte ich nicht einmal alleine aufs Klo gehen.
Also: bis zum Klo kam ich schon, aber nicht mehr zurück: gleich zwei Türen verwehrten unautorisierten Klogängern den Rückweg an den Arbeitsplatz.

Aber hey, das ist das kleinere Problem. Schließlich geht man nur 1-2 mal am Tag aufs Klo.
Das größere Problem ist das der Arbeitsplatz an den man zurück kehrt gar kein Internet hat.
Das macht das nachschlagen von Informationen ziemlich schwierig, vor allem weil die meisten Bücher im Labor Japanisch sind.
Ich verwende also mein Smartphone (also: auf eigene Kosten) um zu finden was ich gerade brauche.
Aber das Smartphone, abgesehen von dem Mini-Bildschirm, hat noch ein ganz anderes Problem: kann keine PDFs anzeigen. Also nix mit Paper lesen.
Die anderen Angestellten können mithilfe eines Passwortes vorübergehend das Internet verwenden. Also frage ich einfach einen Kollegen mir ein paar Dokumente herunter zu laden.
Okay, gemacht, ging ja doch.
Wie krieg ich die jetzt auf meinen Computer 'rüber?
Betretenes schweigen.
USB-stick geht nicht.
Grübeln.
Es muss sich dann noch ein weiter Kollege an meinem PC anmelden, um über einen Shared Server die Datei auf meinen Rechner zu ziehen.
Ich habe dann aufgehört nach Dokumenten zu fragen. Ich zerstöre ja mehr Arbeitszeit als ich leiste...



Da mach ich doch lieber erstmal erquickende Morgengymnastik! Das ist Teil der Firmenkultur: Über den Lautsprecher werden die Anweisungen in alle Räume übertragen. Und jetzt die Arme kreisen, 2, 3, 4, und die Hüfte, 5, 6, 7 ...
Nein, natürlich macht da keiner mit. Naja, geistig vielleicht. Oder eher nicht, weil sich alle geistig schon fit machen fürs Morgen-Meeting. Da müssen alle im Kreis stehen und Report geben: was sie gestern getan haben und was sie heute zu tun gedenken.
Das wird vom Aufseher auch alles in seinem Notizbuch festgehalten.

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