Sonntag, 30. März 2014

100Yen Science

Diesen Monat hab ich mir ja mal ziemlich Zeit gelassen etwas zu schreiben.
Das hatte einen guten Grund: ich habe lieber etwas anderes Geschrieben.
Nämlich eine Forschungsarbeit. Ich hab' also das Zeug das ich so mache mal in 10 Seiten gequetscht und stelle dass jetzt zum ersten mal der Fachwelt vor (wenn die es denn auch lesen).

Das war eher stressig. Also habe ich eigentlich sonst nichts gemacht, worüber ich so schreiben könnte.

Tja, Pech!
Schreib ich halt über die Forschung/Uni/was ich so mache wenn ich nicht versuche Spaß zu haben.




Das in unserer Uni Geld nicht zu knapp, aber etwas merkwürdig verteilt ist, habe ich ja hier (weiter unten) schon mal vertextet.
Schön konnte man das letztens wieder sehen als wir (=wir Studenten; weil: Studenten = billige Arbeitskräfte) das Experimentier-Zimmer ausmisten durften. (Aufmerksame Leser erinnern sich: im Japanischen gibt es keine Unterscheidung zwischen "dürfen" und "müssen").
"Experimentier-Zimmer" klingt so als ob da Experimente durchgeführt werden. Haha: Informatiker und Experimente. Nein nein, das ist eher so etwas wie eine Abstellkammer, in der man ab und zu alte Projekte wieder aufbaut um sie Besuchern zu zeigen.
Doch was da alles drin war, war uns nicht klar... bis wir's raus getragen haben.

Angefangen hat's mit mehreren hochauflösende Großformat-Displays. Die dicke Staubschicht juckt nicht nur in der Nase, sonder trifft die Studenten - die ihre Filme allesamt auf Laptop-Displays gucken muss - mitten ins Cineasten Herz.

Dann kam das elektrisches Klavier. Nein, kein Keyboard, ein großes Yamaha Klavier. Niemand im Labor kann Klavier spielen. Vermutlich hat ein Student mal für ein Projekt ein Klavier bestellt. Und bekommen. Und hat seinen Abschluss gemacht. Und ist dann gegangen. Wenigstens finden wir die richtigen Knöpfe, damit das Klavier sich nochmal selbst spielen kann, bevor wir's in den Aufzug verfrachten.

Nicht mehr entfernen konnten wir das Doppel-Projektor Dingen: zwei riesige Trümmer die eher aussehen wie Laser-Kanonen und sonst wohl nur auf Konzerten zum Einsatz kommen. Keiner weiß wie man sie in das Zimmer hinein gebracht hat. Nur, dass man sie jetzt nicht anschalten kann, weil der Raum zu klein ist um darin Projektoren dieses Kalibers zu betreiben. So bleibt dem Ding wenigstens das Schicksal erspart, dahin zu kommen wo der ganze Rest hin kommt: in eine noch abgelegenere Abstellkammer. Wo noch Platz ist.




Ja, man kann allerhand Zeug haben... wenn man Geduld hat oder gutes Timing. So: kurz vor Beginn des nächsten Fiskaljahres ist gut, wenn das überschüssige Budget abgestoßen werden muss.
Kurzfristig was ordern ist eher nicht drin. Am Anfang habe ich noch naiv mitten im Semester nach Draht gefragt - so für Elektronik-Gezeug. Hahahaha. Ich bin dann zu anderen Laboren betteln gegangen, bis mir ein Kommilitone endlich grinsend 20cm Draht in die Hand gedrückt hat.
Da habe ich gelernt: Uni-Geld ist groß und behäbig wie ein Container-Frachter.
Mein Geld ist schnell und wendig wie ein Jet-Ski. Also winzig. Meinen Lötkolben habe ich mir dann aus dem 100Yen Shop geholt. Okay, er hat nicht wirklich nur 100Yen gekostet, aber zu einem 4-Euro-Lötkolben sagt man nicht nein... wenn man sonst nichts hat.

Und so ist mein Arbeitsplatz zu einem Frankenstein-Monster aus Billig-Ramsch und exorbitantem High-Tech geworden. Mein Keyboard ist ein krattliges altes japanisches Teil, das häufig mal die Spracheinstellung am Rechner verstellt. Dann beschwert sich der Compiler, weil japanische Leerzeichen im Source-Code Pfui sind! Ich habe ein neues beantragt, mit englischem Layout, dazu neue Software. Kommt aber nicht.
Beim Plausch mit dem neuen Hilfs-Professor kommt das Thema auf.
Sein Kommentar dazu: "Vergessen Sie nicht, dass die Uni ihnen das beste Paper-Writing-Tool zur Verfügung stellt, dass man für Geld kaufen kann: mich!"
Da kann ich nicht argumentieren mit. Meine Autokorrektur-Software hat mir jedenfalls noch nie Seitenweise Verbesserungsvorschläge und Änderungswünsche erstellt... und so teuer wie er war sie auch nicht.
Andererseits weiß ich bis heute nicht ob er mein Traktat wirklich jemals ganz gelesen hat.

Aber um ganz sicher zu gehen dass wir auch in Zukunft ganz vorne mit dabei sind, hat er erstmal für ein paar hunderttausend Dollar neues Equipment geordert.
Ich geh mir mal nen Keyboard kaufen.

Sonntag, 9. März 2014

Kann man so sagen...

Letztens hab ich ja einen Beitrag darüber geschrieben, dass sich im Japanischen manche Sachen einfach nicht sagen lassen. Aber auch die Sachen, die man sagen könnte (so denn Vokabular und Grammatik vorhanden ist) kann man trotzdem meist so nicht sagen.
Also: man kann sie schon sagen, aber verstehen tun die Leute einen halt nicht.
So kann man zum Beispiel niemandem einen "Guten Appetit" wünschen. Schöne Feiertage kann man wünschen oder gleich ein ganzes Jahr voller Glück. Aber beim Essen empfängt jeder für sich. So läuft das hier: man kriegt Essen, sagt "ich empfange" (...dieses tolle Essen, das ich selber gekauft und gekocht habe...?) und dann fängt man an mit dem Essen. Isst man selbst nichts, muss man schweigen.
"Empfangen sie schön" geht überhaupt nicht.
Die Japaner haben ganz eigene Wege gefunden, Dinge auszudrücken, und dem muss man folgen.

Um so mehr überrascht bin ich, wenn ich Ausdrucksweisen finde, die tatsächlich genau so eins-zu-eins im Deutschen auftauchen.
Ob da eine gewisse universelle Wahrheit drin steckt?



Perlen vor die Säue:
Geben sie ihrem Hausschwein auch so gerne Schmuck? Die  Amerikaner versuchen es ja lieber mit Lippenstift ("lipstick on a pig") um das grunzende Ungetüm etwas aufzuhübschen. Doch auch die Japaner schwören auf Perlenschmuck: Buta ni Shinju 豚に真珠, bedeutet wörtlich: Perlen für das Schweinderl, und genau das meint man auch. Aber damit nicht genug: die Japaner setzten noch einen drauf, und geben der Katz eine Goldmünze: Neko ni Koban (猫に小判). Bedeutet genau dasselbe.
Lustigerweise sind in der Japanischen Kultur ja diese "Winke-winke Katzen" (Maneki-Neko 招き猫) fest verwurzelt: das sind kleine Porzellan-Figuren von Katzen die mit der Pfote winken. Man stellt sie gern am Eingang von Geschäften auf, wo sie die Kundschaft herein-winken sollen. Und eben diese Winke-Katzen haben für gewöhnlich die andere Pfote fest auf einer Goldmünze...
Vielleicht müsste man das mit den Schweinen und den Perlen einfach mal wirklich ausprobieren.




Fäden ziehen:
Der fiese Drahtzieher im Hintergrund hat ja gerne die Fäden in der Hand (wie sind denn jetzt aus den Drähten plötzlich Fäden geworden?). Und da zieht er auch ganz fies dran 'rum - auch in Japan (Ito o hiku 糸を引く). Jetzt könnte man meinen: das kommt vom Puppenspiel, das ist einfach zu offensichtlich. Doch im Japanischen Puppenspiel: "Bunraku", gibt es gar keine Fäden. Die Glieder der Puppe sind an Stäben befestigt. Man müsste also die "Stäbchen drücken". Tut man aber nicht. Man zieht Fäden.



Wände haben Ohren:
Auf meiner Recherche für diesen Beitrag habe ich herausgefunden, dass der Begriff von den Ohren in den Wänden auf einen tatsächlichen Abhörskandal zurück geht, geschehen im 16. Jahrhundert zu Paris. Der Begriff wurde dann vom Französischen ins Deutsche übersetzt. Unwahrscheinlich, dass er viel weiter nach Osten gekommen ist, zu dieser Zeit. Und trotzen haben auch japanische Wände gerne Ohren. Und nicht nur das: diese Papier-Schiebetüren, "Schōji", haben Augen!
Kabe ni mimi ari, shōji ni me ari, 壁に耳あり障子に目あり.
Der zweite Teil ist historisch recht leicht zu verstehen: der Versuch mit einem Finger oder spitzen Gegenstand ein Guckloch ins Papier zu drücken ist wohl bekannt. Jetzt gucken sie nicht so! Wenn Sie mit dem Finger Löcher in die Wände ihres Nachbarn drücken könnten, würden sie auch der NSA Konkurrenz machen!



Wo kein Feuer, da kein Rauch:
Hier war's bei mir umgekehrt: ich habe im Japanischen eine Schöne Redensart gefunden, nach der an jedem Gerücht auch ein Stück Wahrheit dran hängt. Als Bewohner eines Dorf-Campus' bezweifle ich das zwar, aber ich konnte damit sehr gut Leute aufziehen, die plötzlich ohne ihr Wissen "verliebt", "verheiratet", "schwul" oder "plötzlich verstorben" waren.
Hi no nai tokoro kemuri wa tachinu, 火の無い所に煙は立たぬ, sag ich da nur.
Erst später habe ich herausgefunden dass man das im Deutschen ganz genau so sagt.
Ich war bis dahin davon ausgegangen, dass Deutsche Gerüchte einfach erstunken und erlogen sind.
Aber scheinbar braucht auch Deutscher Rauch ein Feuer, was mich verschiedene Dinge, die so über mich gesagt wurden, nochmal überdenken lässt....
Mist!