Sonntag, 10. November 2013

Familiensache

Und jetzt stellen wir uns mal vor: Sie werden in eine Japanische Familie hinein-geboren.
Das macht den ganzen Text so schön subjektiv. Da muss ich mich dann auch nicht schämen aus meinem begrenzten Wissensschatz zu sprechen.

Sie werden also geboren und sind vermutlich nicht der/die Erste (oder Letzte):
trotz Rekord-tiefer Geburtenrate kenne ich kaum Einzelkinder.
Es gibt zum Ausgleich einfach eine große Zahl Leute die das mit dem Kinder-kriegen ganz lassen.
Aber da wurden Sie nicht geboren.


Also irgendein Brüderchen oder Schwesterchen werden sie schon haben.
Eines scheint der häufigste Fall zu sein, zwei Geschwister zu haben ist eher selten.
Es kommt also vermutlich niemand mehr nach.
Auch weil Japaner - vor allem die Herren - nach dem Kinder kriegen gerne mit dem Sex haben aufhören. Warum ist nicht so leicht zu verstehen - kann man ja nicht so direkt Fragen (also: ich kann nicht fragen, ohne in Schwierigkeiten zu kommen). Manche Behaupten dass die Frau in der "Mutter"-Rolle vom Mann auch als seine neue Mutter angesehen wird, und er dann seine Mutter einfach nicht mehr sexy finden kann. "Sexy" wird dann ein Fall für "Out-Sourcing".

Aber egal: ein Geschwisterchen reicht Ihnen schon. Das wird dann netterweise auch gleich auf seine neue Identität als "Geschwisterchen" eingeschworen. Denn Kinder werden immer nach dem Familienstand angesprochen: "großer Bruder" oder "große Schwester" - und zwar immer aus Sicht des kleinsten Kindes, dass dann automatisch das "kleine Brüderchen/Schwesterchen" wird.
Für sie ist das also normal, wenn Ihre Mutter das andere Kind mit "große Schwester" anspricht. Sie verstehen also gar nicht, warum sich dieser Ausländer da verwundert am Kopf kratzt, wenn eine Erwachsene Frau ein Kleines Kind als "große Schwester" bezeichnet.

Im Übrigen bleibt noch zu erwähnen, dass sie den besonderen Titel "End-Kind" tragen dürfen, bis doch noch Nachwuchs nachkommt. Kommt aber nicht - bleibt ihnen also erhalten.

Das in China übliche "Cousins werden auch als Geschwister gesehen" gibts hier nicht. Aber vielleicht kommt das noch in Mode wenn mehr Einzelkinder geboren werden.




Sie wachsen also auf ohne Vater, weil: der ist auf der Arbeit. Oder mit dem Boss einen trinken. Nach wie vor kommen viele Männer nur zum schlafen nach Hause, wenn überhaupt.
Können einem Leid tun, die armen Kerle, immer so viel Druck... hab ich gedacht. Bis dann unser Hilfs-Professor nach dem verpflichtenden Teil der Party (ja, das haben sie richtig gelesen: die brauchen ein Attest um nicht mit dem Professor zu trinken) lieber doch noch mit uns in eine andere Bar geht als zu Frau und Kindern nach Hause. Ohne den Professor - der geht nach Hause zu Frau und Kindern. Also denke ich jetzt das viele Männer sich auf der Arbeit vor ihrer Familie verstecken.

Ihre Mutter würde auch lieber weiter Arbeiten, aber hat Angst als Rabenmutter zu gelten und würde ihre alte Stelle eh net mehr kriegen.

Also gehen sie in die Schule und verbringen dort den Großteil ihrer Zeit - gerne auch Samstag und Sonntag. Sie büffeln gewaltig, weil: die Landesweiten Aufnahmeprüfungen für die Unis sind hart! Wer hier nicht Top in Mathe ist, darf sein Philosophie-Studium nur nur an einer Wald-Und-Wiesen-Uni abhalten! Fragen sie mich nicht wo da der Zusammenhang besteht, aber darüber haben sie auch gar keine Zeit nachzudenken.

Kaum haben sie es in die Uni geschafft fragen sie sich auch schon warum sie überhaupt dafür gelernt haben: das Bachelor-Studium ist so lax, dass Sie eigentlich auch gleich mal ein Semester Deutsch lernen können, weil: war halt sonst nicht so viel zu tun.

Dann kommt die große Entscheidung auf sie zu: Arbeiten bis zum umfallen oder den Master machen... und lernen bis zum Umfallen. Denn hier ist der Spaß des Lebens vorbei!



Bis sie in den Ruhestand kommen - dann geht's wieder so richtig los!
Sie gehen Joggen im Park, geben kostenlose Sprachkurse für Ausländer, klettern auf Berge und machen auch sonst allerhand Zeug das man im Ausland lieber der jüngeren Generation überlässt.
Angst ins Altersheim abgeschoben zu werden müssen sie nicht haben - solange Sie zeitig in Kinder investiert haben, haben sie ihren eigenen Heim-Pflegedienst. Selbst Bettlägerige Senioren werden Zuhause behalten und von Töchtern oder Schwiegertöchtern (schon vergessen: Sohnemann muss arbeiten!) gepflegt.
Außerdem gehen sie jetzt vermehrt in Tempel und auf Pilger-Wanderungen. Man muss ja schon bei Zeiten fürs Leben danach gewappnet sein... falls da der gleiche Spaß nochmal auf sie warten solle...


Samstag, 2. November 2013

Aufwärts!


Als ich zum ersten mal nach Japan kam, wollte ich wirklich das ganze Japan kennen zu lernen, und nicht nur die Touristen Hochburgen. Also auch die Vororte: das war leicht. Die Industrie-Anlagen: das war schon ein bisschen abenteuerlicher. Und die Berge...
Das war schwierig! So ohne Japanischkenntnisse.
Also: das Englische Internet gefragt.
Dort fand ich dann ein Forum wo jemand ähnliches Interesse gezeigt hat.
Antwort, genau eine, "gibt's nicht; ist ja alles mit Städten zugebaut; und selbst wenn, Berge sehen eh überall gleich aus".
Da musste ich erstmal schlucken.
Wer 5 Minuten Zeit hat auf Google Earth zu schauen wird sehen, dass Japan eigentlich fast ausschließlich aus Bergen besteht. Die 120Millionen Japaner drängen sich alle in Ballungszentren entlang der Küste.
Also ignoriert man von jetzt an gute Ratschläge und geht einfach los, wohin immer man eine Spitze am Horizont sieht.
Dann geht es Bergauf...


Mt. Aso:
Auf einem Abstecher nach Kyushu (der südlichen Insel) will ich auf den berühmten heiligen Berg Mt. Aso - einem immernoch aktiven Vulkan.
Also packe ich extra meine Bundeswehr Stiefel ein (damals waren die noch heil), damit ich da auch anständig hoch komme.
Nach einer schier endlosen Bahnfahrt durch die Pampa komme ich am Fuß des Berges an.
Der "Fuß" ist aber erstaunlich weit weg vom Berg.
Kein Problem: gibt einen Bus.
Nach einer schier endlosen Busfahrt durch die Pampa.... MOMENT MAL! Hält der Bus nicht irgendwann an um die Leute auf den Berg steigen zu lassen?
Nein, tut er nicht. Er fährt selbst auf den Berg. Bis zur Bergstation, unmittelbar unter dem Kraterrand.
Wer die letzten 10 Minuten auch nicht mehr laufen möchte, kein Problem, gibt eine Seilbahn.
Ja, eine Seilbahn für etwa 800 Meter Strecke und 50 Meter Höhenunterschied.
Ich gehe lieber hinten rum zu Fuß. Vorn geht heute nicht, weil der Aso, der gerne noch giftige Dämpfe spuckt, heute die Vorderseite gesperrt hat.
Auf der Rückseite wander ich dann die Straße hoch.
Ja, es gibt eine Straße hier hoch. Sie können mit dem Auto bis zum Kraterrand fahren, aus dem Fenster photographieren und wieder herunter fahren ohne auszusteigen - wenn sie wollen.
Will ich nicht.
Weiß auch nicht warum das jemand wollen würde.
Kein Wunder, dass der Berg nicht so berühmt wird wie der Fuji, wenn er es seinen Besuchern so einfach macht. Gas und Steine spucken hilft da auch nicht - sind ja alle 10 Meter Schutzbunker.
Mäßig enttäuscht wandere ich zurück zum Bus.
Im Zug lerne ich wenigstens noch ein paar Junge Leute kennen. (Damals war ich auch noch jung, das hat gut gepasst).
Eine davon, mit der ich mich besonders gut verstehe, erzählt mir von ihrer Jugendherberge, die sie in Seoul (Korea) mit leitet. Sie schenkt mir einen Anstecker und läd mich ein mal vorbei zu schauen. Ich wollte ja immer schonmal nach Korea...
Hey, Moment: jetzt wo ich das schreibe... verdammt, letzte Woche war ich doch ein Seoul!
Gnaa, hätt ich den Blog halt ein paar Wochen früher geschrieben...


Mt. Hira:
Ich werde eingeladen auf einen Berg in der Nähe von Kyoto zu steigen.
Der Clou: man steigt entlang eine Gebirgsbaches auf, der auch mehrere Wasserfälle zu bieten hat.
Man ist also doch ganz schön am Klettern.
Die andere Gruppe die wir sehen - Schulkinder mit zwei Bergführern - kommt gleich in Neoprenanzug. Sie gehen also - zumindest zeitweise - im Bach.
Befürchtungen, wir könnten auch gezwungen sein Nass zu werden, bestätigen sich nicht.
Was aber auch eigener Verdienst ist, denn wo immer man den Bach wieder überquert, muss man über mehrere Felsen balancieren. Teilweise nicht weit von einem Wasserfall entfernt. Wer also hier ins Wasser fällt, fällt gleich zwei mal, und das zweite Mal ganz schon tief.
Wir entscheiden uns für "überleben und trocken bleiben".
Meine Freundin (die mich eingeladen hat) wendet sich einem kleinen Zufluss zu, streckt ihre Hand hinein, und trinkt genüsslich.
"Kann man das trinken?"
"Kann man."
Ich schaue ihr noch ein bisschen nach, ob sie das Wasser nicht doch wieder Ausspuckt.
Tut sie nicht.
Ich trinke auch.
Es gibt hier eine Gletscher und die Berge sind auch nicht aus Kalk.
Ich trinke also stilles Mineralwasser direkt aus dem Berg...



Mt. Ikoma:
Auf einer Party lerne ich zwei Japanerinnen kennen. Ihre Hobbies sind: Photographieren und Bergsteigen.
Super, da kommt ja alles zusammen wofür ich mich auch Interessiere: Bergsteigen, Photos, Japan und Mädchen!
Also lade ich sie ein, zu mir in die Provinz zu kommen, auf einen Berg zu steigen und viele Photos zu machen.
Ich habe keine Ahnung von diesem Berg. Okay, ich war einmal oben.... halb.
Hab' auch keine Karte.
Aber der Wunsch, japanisch zu Üben während ich mit Mädchen Bergphotos mache ist stärker als die Angst sich zu blamieren.
Ich drucke mich aus Google Maps screenshots aus. Da sind Wanderwege jetzt nicht wirklich gut verzeichnet.
Aber ich finde einen Blog Eintrag von jemandem, der da auch schonmal hoch ist.
Ich versuche verzweifelt seine Route auf meiner Google-Maps Karte zu rekonstruieren. Tolle Photos hatte er ja, aber lausige Wegbeschreibungen.
Aber irgendwie wir's wohl gut gehen, denk ich mir.
Wir steigen also auf den Berg. Wie gesagt: die erste Hälfte kenne ich.
Dann kenne ich mich nicht mehr aus, lass es mir aber nicht anmerken.
Am Gipfel kommen wir an einem Vergnügungspark vorbei.
Was zu Hölle haben die Japaner mit ihren Bergen?! Können sie die nicht einfach Berg sein lassen?!
Wir gehen nicht rein, sondern laufen die Bergschulter Entlang. Immer wieder haben wir tolle Aussicht über Osaka.
Wir kommen in ein winziges Bergdorf - so klein, dass auf die einzige Straße hier hoch nur ein Auto passt. Wie ich später lerne ist dies nicht nur eine der ältesten Straßen Japans (existent seit Nara-Periode) sondern auch die steilste.
Glücklicherweise haben sie gerade Heute ein kleines Fest.
Wir bekommen in Soja gekochen Rettich und Ruhen uns etwas aus.
Ich lasse mir nicht anmerken dass ich nichtmal wusste, dass es hier ein Dorf gibt.
Dann steigen wir auf der Rückseite wieder herunter. Irgendwo werden wir schon raus kommen. Alle Wege führen nach Osaka... hoffentlich....
Wir kommen an eine Brücke.
Ich lasse mir nicht anmerken, wie froh ich bin die Brücke aus dem Blog-Eintrag auch wirklich gefunden zu haben!
Damit bin ich - im Wahrsten Sinne des Wortes - über den Berg.
Ich kassiere Lob und Anerkennung für meine Fähigkeiten als Bergführer und denke mir: Jap, das machst du bald mal wieder!


Wo ich gerade dabei bin: am Montag gehe ich wieder in die Berge.
Diesmal haben sich schon etwa 8 Leute angeschlossen.
Wieder habe ich keine Ahnung von dem Berg, den ich sie hochtreibe.
Es bleibt also spannend und geht aufwärts.