Freitag, 31. Mai 2013

Man lernt doch nie aus wenn man auswärtig lernt

Aufgabe Nr. 2:
Zeichnen sie mal ein Diagramm, das darstellt wie das Internet so funktioniert, ABER ANDERS!

Dinge, mit denen man so rechnen muss wenn man an einer japanischen Uni studiert.

Es fing schon ganz lustig an.
> "Sie können das gesamte Studium in Englisch absolvieren! Keine Sorge!"
Denn ich hatte mir sorgen gemacht: anders als in Europäischen Sprachen wo die technischen und mathematischen Fachbegriffe offensichtlich zusammenhängen, müssen Sie im Japanischen von den 整数 (normale Zahlen) über den 対数 (Logarithmus) bis zur 行列 (Matrix) alles neu lernen... und es gibt keinen Kurs für sowas.
Aber hey: wenn es alle Kurse in Englisch gibt, kein Problem!
Doch das meinten sie so nicht.
Was sie damit meinten war: es gibt genug Kurse in Englisch, damit sie ihre Credits voll kriegen.
Die meisten Kurse sind natürlich Japanisch.
Ohne offensichtliche Ordnung:
manchmal ist der weiterführende "II"-Kurs in Englisch, setzt aber den Grundlegenden "I"-Kurs voraus, den es nur auf Japanisch gibt.
Also nehme ich was ich so im ersten Semester auf Englisch kriegen kann.
Das beinhaltet so Kurse wie "Präsentation auf Englisch" wo den Nicht-Muttersprachlern nochmal die richtige Aussprache für "Algorithm" beigebracht wird. Ich sitze in der letzten Reihe, murmle "Al-Go-Rithm" mit und lerne derweil die nötigen Schriftzeichen für richtige Kurse.





Andere Vorlesungen sind zwar Japanisch, bieten aber wenigstens Englische Unterlagen an.
Ich belege "Software Engineering I", das klingt Handfest! Und es ist meine letzte Chance, dass meine Ingenieur-Eltern auch mal stolz auf mich seien können.
Jetzt seien sie bitte still und verraten meinen Eltern nicht, dass "Software Engineering" nichts mit Ingenieurwesen zu tun hat! Hab ich selbst nicht gewusst! Aber der Kurs hieß halt nunmal nicht: "aus der Anzahl an Zeilen Programm-Code zu Zukunft vorhersagen, unter anderem ob Fehler drin sind und wie teuer das Programm so ist". Aber ich schaffe es meine Enttäuschung zu unterdrücken, selbst als ich in einem viel zitierten Buch das Eingeständnis lese: "Eigentlich konnten wir die Wirksamkeit dieser Methoden nie zweifelsfrei beweisen".
Aber egal: um echter Software-Ingeneur zu werden lerne ich auch das noch auswendig!
Denn Prüfungen stehen vor der Tür! Interessanterweise nicht an einem gesonderten Tag, sondern am Ende der letzten Vorlesung.
Die letzte Vorlesung geht über: Fault Prediction, also den unterhaltsamen Versuch, Fehler vorherzusagen. Nachdem ich mit dem ganzen Rest durch bin, lerne ich sicherheitshalber für diese Vorlesung auch noch vor.
Ich finde einen netten Artikel, sehr renommiert, bekannte Autoren, die über 5 Seiten hinweg alle Theorien zur Fehlervorhersage runter-buttern und erklären, warum das alles net funktioniert!
Ich lerne also die Techniken nebst 12 Gründen warum sie nicht funktionieren.
Der Tag der Prüfung ist da.
Der Inhalt der Vorlesung behandelt eigentlich nicht wirklich Error-Prediction.
Eigentlich ist es eher eine Ansammlung an Dingen: "was ihnen alles Unterstellt wird, dass sie falsch gemacht haben sollen, wenn sie Software-Projekte analysieren" (also: bei der Analyse, nicht beim Projekt).
Dann kommt der Test. Zwei Fragen. Beide drehen sich exklusiv um den Inhalt der letzten Vorlesung.
> "Sie dürfen ihre Laptops verwenden, aber nicht das Internet!"
Die viel Interessantere Frage - was man im Internet finden soll, über eine Vorlesung die gerade erst gehalten wurde - die wird wieder nicht beantwortet.
Ich schreibe also meine eine A4 Seite und ärgere mich ein bisschen jetzt überhaupt gelernt zu haben.
Aber vielleicht kann ich mit dem Wissen irgendwann Source-Code Horoskope erstellen...




Der letzte Kurs den's noch auf Englisch gab war: Netzwerke.
Kannte ich zwar schon, aber der Kurs geht noch ein bisschen weiter, als das was bisher gelernt habe.
Eigentlich umfasst er alles was man so braucht um sein eigenes Internet zu bauen.
Kehrseite der Medaille: Leute die NICHT schon vorher Erfahrung als Netzwerk-Admin haben springen schon vor der Prüfung ab: sie wollen sich ihren Noten-Durchschnitt nicht versauen.
Dafür dürfen wir jetzt sogar das Internet verwenden.
Ironischerweise: um ein Diagramm des Internets zu zeichnen.
Aber: explizit anders als in der Vorlesung repräsentiert.
Wie "anders" steht nicht da.

Also zeichne ich das Internet auf ein A4 Blatt. Mit einen Firmennetzwerk hier und einem Heim-Netzwerk dort und da will jemand auf den Firmen-Server zugreifen, und so geht das zu seinem ISP, aber der ist Tier3, also wird das weitergereicht, zu einem Tier1 ISP und der hat da so ein kleines Peering mit einem anderen Tier1 ISP und von da gehts wieder herunter, aber ach: da ist ein Link down und BGP-4 Pakete warnen gerade noch den Router, dass das jetzt umgeleitet werden muss, und so kommt das ganze dann bei der Firma an, aber erst macht die Firewall noch etwas Deep-Packet-Inspection und guckt nochmal in die HTTP header bevor das an den Webserver geht...
Nach einer halben Stunde ist mein kleines Kunstwerk fertig.
Ich habe keine Ahnung ob das war, was sie mit "ANDERS" meinten, aber ich find's hübsch!
Fast zu hübsch zum Abgeben...
Vielleicht hätte ich doch weiter Design studieren sollen...



Sonntag, 12. Mai 2013

Verkocht und angebrät


Und strahlend drückten sie mir ein Abschiedgeschenk in die Hand:
ein japanisches Kochbuch auf Japanisch.
Super.
Ich konnte kein Wort verstehen, dass da drin stand.
Machte aber auch nichts: zu hause konnte ich die Zutaten eh nirgends bekommen.
Also lag das Ding zwei Jahre im Schrank.
Als ich wieder herkam nahm ich es wieder mit.
Zwar konnte ich immer noch kein Wort lesen das darin stand, aber zumindest konnte ich jetzt richtig einkaufen gehen.

Es folgt:
Max vs. die Japanische Küche!

FIGHT!





Runde 1:
Für den Japanisch Kurs müssen wir alle kleine Vorträge zu bestimmten Themen halten - auf Japanisch versteht sich.
Ich ziehe das Los: "Japanisches Essen".
Das andere Mädchen mit demselben Thema hält einen Vortrag über: "was man so alles essen kann".
Ich halte einen Vortrag über: "SO! Heute erklär' ich euch mal wie man Sushi macht!"
Ich habe keine Ahnung wie man Sushi macht.

Ich ziehe mein Kochbuch aus dem Regal und versuche es zu übersetzten.
Erstmal werde ich lang und breit darüber aufgeklärt, wie wichtig die Art Zutaten zu schneiden wirklich ist. Da gibt es Fein-Schnitt, Dünn-Schnitt, Tausend-Schnitt, Halbmond-Schnitt, und... naja ich hack' halt mit dem Messer auf das Zeug ein bis ich es in den Mund bekomme. (Kurzer Test... ja passt!)
Für das Rollen rollen bin ich zu faul und ungeschickt, doch zum Glück gibt's auch "Chirashi-Sushi", da wird alles achtlos zusammengeworfen. Das liegt mir näher.
Randnotiz: ich wohne in einem Chirashi-Zimmer. Berühmte Japan-Style Innenarchitektur!

Ich werfe also alles achtlos zusammen, sprenkle noch etwas verbranntes Ei drüber (stand nicht im Rezept, dass man es sofort nach 10 Sekunden wenden muss!) und packe es ein eine Tiefkühl-Schale.

Die Klasse bestaunt mein Ausstellungs-Stück. Ohh...., ahh...
Die armen Irren müssen's ja net essen.
Wenig später bin ich berühmt. Noch während ich mein (von der ganzen Klasse akribisch begutachtete) Ausstellungsstück esse werde ich vom Universitäts-Personal angesprochen:
scheinbar hat noch kein Student jemals so etwas abgezogen.
Da schmeckt mir das kalte, verbrannte, verkochte Gebaze gleich noch etwas besser.

Slide für meinen Vortrag: so machen sie Sushi-Reis.
Im großen Bild: ich habe den Reiskocher in unserer Küche mit Post-It-Notes Gaijin-Tauglich gemacht.



Runde 2:
Wenn der Supermarkt voller Pilze und Gemüse ist, die Sie noch nie gesehen haben, würden sie das einfach mal so riskieren? Herzhaft reinbeißen und hoffen?
Sie könnten ja versuchen das Zeug im Wörterbuch nachzuschlagen. Ist nur blöd, dass es natürlich Schriftzeichen für das Zeug gibt, die Sie noch nie irgendwo anderes gesehen haben, weil es eben genau nur diese Zutat beschreibt.
(Ein beliebtes Bildmotiv hier ist eine Sammlung aller Schriftzeichen für verschiedene Fische. Da können die Eskimos mit ihren 100 Worten für Schnee einpacken!)
Die Schriftzeichen sind also so selten, dass Japaner sie selbst oft nicht wirklich kennen. Ein Rezept aus meinem Buch kann ich nicht reproduzieren, weil selbst das Supermarkt-Personal an der Hauptzutat scheitert.
Also fange ich an nachzukochen was ich im Restaurant sehe.
Aha: diesen Pilz kann man also braten - mit irgend so einer Suppe, und diesem anderen Zeug....
Dummerweise sagen die einem nicht so genau, wie man zum End-Produkt kommt.
Freundin suchen, Freundin fragen.
"Als nächstes brauchen wir Soja-Soße"
"Hier."
"Wäh! Die kannst du dafür nicht verwenden!"
"Da gibt's Unterschiede?"
"Selbstverständlich! Die ist voll ekelhaft! Kauf die da!"
Jetzt muss ich auch noch die Unterschiede in der Soja-Soßen Landschaft lernen...
(Freundin ist mittlerweile weg, Soja-Soße ist noch da. Das Geld war also gut investiert!)



Gemeinschaftliches braten im Restaurant.
Das kochen macht gleich viel mehr Spaß wenn jemand anderes alles vorbereitet und nachher abspült.

Runde 3:
Ich bin ein Bento Danshi! Hier in Japan ist das Lunchbox (Bento) mitbringen zwar kulturell fest verankert, aber dass Männer ihre Lunchbox selber machen ist so selten, dass sie dafür ein Wort erfunden haben: "Lunchbox Boy".
Außer mir bringt noch ein Student aus dem Labor täglich sein Bento mit.
Er ist aber kein LunchBox-Boy, wie mir erklärt wird.
Er hat ein Freundin, die ihm täglich eine Lunchbox mit in die Uni gibt.
Mir fällt auf, wie abwegig mir dieser Gedanke vorkommt: Freundin (wohl gemerkt: nicht Ehefrau) kocht mir jeden Tag eine Lunchbox....? ....NEEEEEEE!
Mir fällt auf, dass es allen Japanern am Tisch sehr viel abwegiger vorkommt, dass ich selber koche.
Das führt zu einer Diskussion über die Vor-und-Nachteile des Selber-Kochens.
Nachdem Kosten und Zeitersparnis vom Tisch sind, bleibt noch die Gesundheit:
in der Kantine wird zeitgenössische Japanische Küche serviert.
Das ist, wenn man Sachen frittiert, am liebsten Fleisch, weil: das war vorher noch nicht fettig genug. Selbst in der Nudelsuppe schwimmt noch frittierter Tofu. Die Suppe selber konnten sie halt nicht frittieren.
Okay, es ist nicht alles frittiert, aber die berühmte gesunde Japanische Küche muss man sich trotzdem selber machen.

Wenn ich anfange meinen eigenen Sake zu brauen, schreibe ich auch darüber einen Blogeintrag.
Bis dahin: Mahlzeit!