Samstag, 23. März 2013

Vorsicht: Fleischfressende Mädchen

Wie vermehren sich Japaner?

Das ist nicht einfach nur ein flapsiger Spruch um einen Blog-Post zu eröffnen, sondern der Kern eines gravierenden Problems: Japan kämpft mit einer Geburtenrate ähnlich der Deutschen, aber ohne Einwanderer und mit höherer Lebenserwartung. Und das bei Rekord-Staatsverschuldung.
Sprich: während man lange Zeit auf Kosten zukünftiger Generationen den Lebensstandard angekurbelt hat, stellt man jetzt fest dass man gar keine Kinder hat denen man die Schulden hinterlassen kann. Dafür einen Haufen Rentner mit hohem Lebensstandart und ewigem Leben.

Wo sind die Kinder geblieben?

Scheinbar tun sich jüngere Generationen hier schwer mit der Fortpflanzung.
Nicht biologisch, sondern sozial: laut irgend so einer an den Haaren herbeigezogenen Statistik sind über 70% der jungen Japaner (20-30 Jahre) Single.
Ob das stimmt ist sehr schwer nachzuprüfen, und normalerweise glaube ich keinen Statistiken die ich nicht selbst miss-interpretiert habe (man kann in Statistiken ALLES hinein-interpretieren).
Aber ich war dann doch überrascht von meiner eigenen Überraschung darüber, ein Mädchen kennen zu lernen, das doch einen Freund hatte. Also nochmal: ich war überrascht das zu hören, und dass ich überrascht war hat mich dann doch überrascht, weil: sollte doch irgendwie normal sein.
Ist es aber nicht.



Ein Problem hängt mit einem schleichenden soziologischen Wandel zusammen: immer weniger Männer verfolgen aktiv romantische oder sexuelle Ziele.
Man nennt sie "sōshoku" - Pflanzenfresser.

Die Frauen versuchen von der anderen Seite diese Lücke zu schließen indem sie selbst aktiv werden, Männer aufreißen, baggern und ins Bett kriegen.
Man nennt diese Mädchen "nikushoku" - Fleischfresser.
Doch die Fleisch-freundinnen hinken hinterher.

Laut (m)einer Blitz-Umfrage ist der Großteil der männlichen Japaner zwischen 20 und 30 (also alle Studenten die ich auftreiben konnte) Pflanzenfresser - was sie auch offen zugeben.
Aber kaum ein Mädchen bekennt sich zum Fleischkonsum.
(Was schade ist: ich freu mich immer wenn ich angebaggert werde).

Selbst wenn es dann mal klappt mit dem zusammenkommen, heißt das noch lange nicht, dass es auch klappt mit dem zusammenkommen. Die Freundin einer Freundin hat zwar schon seit einem Jahr einen festen Freund, aber keinen Sex - weil er nicht will.
Sonst läuft die Beziehung wohl super, nur für Bettgymnastik kann sich der junge Mann einfach nicht erwärmen.
Das ist natürlich hören-sagen und ein Einzelfall, aber es ist bezeichnend für eine Gesellschaft in der Pornographie allgegenwärtig ist, aber Sex ein Tabu.





Wie so oft wenn man in ein Extrem fällt, fällt auf der anderen Seite ein Gegengewicht raus.
In Japan heißt das: Nampa.
Nampa, dass ist wenn Männer ihr aggressives Baggern zum Hobby machen. Viele Berichte und Meinung kursieren darüber, was Nampa eigentlich genau ist - von "einfach nur nicht schüchtern sein" bis schwere sexuelle Nötigung.
Einige Clubs verbieten daher Nampa  - naja zumindest hängen sie Plakate auf das man das nicht machen soll. (Das hilft ungefähr so gut wie das Tanzverbot).

Leider ist es in den Bars und Clubs zu laut, als dass ich authentisches Nampa je selbst gehört hätte, und ob der Mann da drüben seine Freundin begrabscht oder ein wildfremde Frau belästigt kann ich von hier aus auch nicht sagen (sie wehrt sich zumindest nicht).
Aber an einem schönen Sommertag konnte ich die Sandstrand-Variante live beobachten:


Zwei Mädchen liegen auf ihren Handtüchern und versuchen nicht braun zu werden (blasse Haut gilt hier als besonders hübsch - fragt mich nicht, warum sie trotzdem an den Strand gehen).
Ein fescher Bursch mit dunkler Sonnenbrille und Ghettoblaster löst sich von seiner Gruppe, läuft zu den Mädchen hinüber.
Er stellt den Ghettoblaster in den Sand vor den Handtüchern, dreht auf und - ohne ein Wort zu sagen - legt er einen Brake-Dance hin. Also er versucht es zumindest, weil auf dem Sand und mit seinem schlaksigen Körperbau ist das nicht so einfach. Aber er gibt sich größte Mühe.
Die Mädchen sind erheitert, sagen aber nix.
Er sein Radio und geht wieder, ohne enttäuscht oder erleichtert zu wirken.

Sobald ich heraus finde, wie man so Leute kennen lernen will, probier' ich das auch mal...


Sonntag, 17. März 2013

Name?


Yuki?
Die war wahrscheinlich die zehnte "Yuki" die ich kennen lernte.
> Wie schreibt man denn das? Wie YuJin? ("Freund")
> Nein, nein, so:
Sie schreibt mit ihrem Finger ein Schriftzeichen in meine Hand.
> Wie, ... was? Nochmal! Wie.... wie... "furchteinflößend"!?!

Für die meisten Menschen (eigentlich alle Nicht-Japaner) sind Japanische Namen sinnlose Anhäufungen von Lauten,  die man sofort wieder vergisst, wenn man keine Visitenkarte in die Hand gedrückt bekommt.
Das ganze wird leichter, wenn man genügend Schriftzeichen gelernt hat.
Dann wird die Bedeutung des Namens ersichtlich... vielleicht... oder es findet sich ein guter Aufhänger um Leuten Spitznamen zu geben.

Jedenfalls protestierte diese Yuki umsonst, dass ich die Zeichen für "Furcht" und "Wunsch"verwechselt habe, von da an war sie "Yu, die Schreckliche"!






Vornamen werden von den Eltern meist nach Laut ("klingt schön") oder einem obskuren Familien-System ausgesucht ("die erste Silbe vom Namen der Großmutter oder jeweils der zweite Buchstabe vom Namen der großen Schwester oder... äh...").
Dann sucht man sich unter den zigtausend Schriftzeichen welche raus, die hübsch ausschauen und die man mit biegen und brechen vielleicht so lesen kann wie der Name klingt.
Auf Geschlecht wird da keine Rücksicht genommen: für männliche Yuki wählt man halt halt etwas andere Schriftzeichen aus. Gibt ja genug.
Und wenn alle Stricke reißen, lässt man die Schriftzeichen halt ganz weg und schreibt nur in Lautschrift.

Eine andere Yuki musste kleinlaut zugeben, dass sie selbst die Bedeutung ihrer Schriftzeichen nicht kennt - da haben die Eltern etwas zu obskure Kritzeleien in alten Büchern gefunden.
> "...aber manchmal verwendet man es in Worten die irgendwas mit Zeit zu tun haben!"
Andererseits: wie viele Europäer kennen schon die Bedeutung ihres Namens.... (ich).





Kein Wunder dass da Spitznamen groß in Mode sind.
Besonders Chinesisch-Stämmige Leute (die zwar dieselben Schriftzeichen haben, aber deren Aussprache sich im Japanischen eh net wiedergeben lässt) müssen sich oft Umdeutungen gefallen lassen.
Von einer anderen Yuki wusste ich erst gar nicht, dass sie Chinesin ist - wo sie doch so einen typisch japanischen Vornamen hat...
Aber sie heißt gar nicht Yuki. In ihrem Namen (für Japaner unnötig kompliziert) fand sich einfach das Zeichen für "Schnee" - also nennen alle sie jetzt "Schnee" - was nur zufälligerweise "Yuki" heißt.
(Ich verweise hier nochmal auf diverse Hass-Predigten, die ich über Homophone in der Japanischen Sprache verfasst habe.)

Ein brasilianischer Kommilitone hat die "Hin-und-her-Übersetzung" von Lauten und Bedeutungen von Namen dann zur Kunstform erhoben.
Eine Chinesin machte einmal den Fehler ihm die Bedeutung ihrer Schriftzeichen zu erklären.
"Das eine ist 'Morgen', aber nicht so früh am Morgen, eher so 10 Uhr..."
Das hätte sie nicht sagen sollen.
Seitdem heißt die "Juu-ji" (jap.: "10 Uhr").
Und weil das wie das Englische "Judy" klingt, glauben manche zuerst tatsächlich das sei ihr Name.
Als ich nach 2 Jahren Abwesenheit an den Campus zurück kam hieß sie immer noch so.





Die gängigste Quelle für Spitznamen liegt aber viel näher:
erste Silbe des Namens + 'chan'.
'Chan' ist eine Niedlichkeitsform, ähnlich dem Deutschen "~chen".
Während aus Yuki also Yu-chan wird, wird der Maximilian zum Mäxchen....
..ja, toll, das ging jetzt wieder voll nach Hinten los!

Wo wir schon beim Max sind: auch in Japan gibt es einen Herrn Mustermann.
Taro ist sein Name. Einen einheitlichen Nachnamen hat er nicht. Man verwendet immer das Naheliegendste Wort, das gerade mit dem Beispiel zu tun hat.
Die Formulare auf den Ämtern haben immer den Namen der Stadt als Taro's Nachnamen.
Also "Taro Osaka" oder "Taro Kyoto".

Auf einem English-Test für Internationale Kommunikation fand ich dann den Herrn "Taro International".
Und an unserer Universität gibt es gar einen "Taro Sentan" - Sentan bedeutet so viel wie "führend", "Speerspitze", "Vorhut" oder "anderen Unis weit voraus".
Vielleicht haben manche Deutsche Unis ja einen "Max Elite" oder "Max Exzellenz-Cluster"
(wobei letzteres Wohl ein zusammengesetzter Name von Papa "Exzellenz" und Mama "Cluster" sein muss).

Aber die Geschichte mit den Nachnamen erzähl ich wann anders mal.