Montag, 18. Juni 2012

Multifunktions-Ki

Hier in Japan gibt es eine Unsichtbare Kraft, die alles Leben durchdringt.

Nein, ich spreche nicht von Gammastrahlung.
Ich meine: das Ki!

Ki ist eine dem Europäer unbenannte und damit unbekannte Energie, die den Japaner und seine Kultur bestimmt.
Man kann sich ihr nur nähern indem man in den Spiegel der Sprache blickt, wo sich in Worthülsen und Redewendungen ihre wundersame Gestalt abzeichnet.

Wenn etwas Ki macht (気がする), dann "hat man da so ein Gefühl". Das ist zwar unschön ungenau, aber wenigstens hat man es nicht "im Urin" wie so manche Deutsche.

Wenn man aber selber einen "auf Ki macht" (気にする) dann geht einem etwas nahe. Zumindest nahe genug, dass es einem nicht egal ist. "Machen sie jetzt einen auf Ki wenn ich rauche?"

Macht man genug auf Ki, wird das Objekt des Anstoßes am Ende selbst zum Ki (気になる). Andererseits würde ich mir ja auch Sorgen machen, wenn Raucher sich nach und nach in Energie verwandeln.

Wenn etwas dann "ins Ki geht" (気に入る),  ist man sehr zufrieden damit. Das ließe sich bestimmt schön als neue Jugendsprache exportieren: "Whoa, Alter, geht mir voll ins Ki was du da sagst."

Man kann Ki auch verteilen (気を配る), sowohl unter Dingen als auch unter den Leuten. Ein Stückchen Ki ist wie ein Stückchen Aufmerksamkeit. Ob einem dass neue Stückchen Ki dann aber auch wirklich voll ins Ki geht, hängt dann doch eher von der Art der Aufmerksamkeit ab.

Unter Umständen merkt man aber nichtmal, dass das gerade nicht so gut beim Gesprächspartner ankam, einfach weil das verdammte Ki nicht angesprungen ist (気がつく). Fast so schön wie das Licht, das einem wieder mal nicht aufgeht...

Deswegen sollte man bei der Verteilung seines Ki sich stets etwas Ki anhaften lassen (気をつけて), dann ist man besonders vorsichtig und aufmerksam.

Das Ki kann auch gerne mal leichter (気軽) oder schwerer (気が重い) ausfallen, je nach Gemütslage.
Bisweilen wird es so schwer, dass man es fallen lässt, dann ist man so richtig am Boden.
Das wird von anderen Japanern mit der Aufmunterung quittiert: "Hey, lass dein Ki nicht fallen!"
Das klingt ein bisschen hart und unherzlich, bis man das nächste mal den Befehl "Kopf hoch" bekommt.

Das Ki einer Person sagt auch recht viel über den Charakter aus:
Leute mit schwachem Ki sind schüchtern, Leute mit starkem Ki haben auch eine starke Persönlichkeit. Das Ki einer Person kann auch lang oder kurz sein, je nachdem wie's mit der Geduld bestellt ist. Damit entspricht es wieder fast unserem Atem.

Wenn man dann grob Verstanden hat, was Ki ist, kann man Anfangen daraus neue Wörter zu basteln:
気分 : Ki-Teil : Gefühl, Stimmung
平気 : Eben-Ki : Coolness, mir doch Wurscht
不気味 : Ohne-Ki-Geschmack : Unheimlich, komisch, seltsam
やる気 : Mach-Ki : der Tatendrang
気体 : Ki-Körper : Gas, Gasförmig
空気 : Leer-Ki : Luft, Atmosphäre
浮気 : Fließend-Ki : Eine Affäre, Untreue
Alles klar?

Schalten sie nächste Woche wieder zu und lernen sie, das die Japaner sprachlich so alles mit Tee kochen!
Außerdem frage ich dann die Vokabeln von heute ab!

Sonntag, 10. Juni 2012

Homophonophobie

Hab mir letztens endlich mal wieder die Haare schneiden lassen. Das ist ziemlich praktisch, weil sie mir jetzt beim Nippon-Kenpo-Training nicht mehr ständig in die Augen hängen.

Zur Feier des Tages hab ich den Blog umbenannt: er heißt jetzt nicht mehr RiyouRi sondern RiyouRi.
Das er vorher mal RiyouRi hieß hab ich 2010 schonmal erklärt, aber jetzt ist das Heim nicht mehr so Vorteilhaft, dafür die Frisur um so mehr.
Darum jetzt nicht mehr: 寮利(was eh falsch geschrieben war) sondern 理容利: Frisur-Vorteil.

Diese Art der neu-interpretierenden Umbenennung ist eine Besonderheit des Japanischen:
es gibt für fast jedes Wort ein paar Homophone.

Die Japaner haben sogar ein Spiel daraus entwickelt: schreib ein Wort mit Versatzstücken aus anderen Worten (also Schriftzeichen), die sich genau so lesen lassen.
Ich versuche den Spaß mal ins Deutsche zu übersetzen *ähäm*:
Phy(sik)+Lehr(er) = PhyLehr.
...
Ein Füller.
Okay, das funktioniert im Deutschen überhaupt mal gar nicht.

Das ist aber auch gut so, weil: dann weiß man wenigstens immer von was man redet.

Im Japanischen kann gerne mal das raten anfangen.

Wenn wir im Unterricht wieder ein neues Wort lernen, dass wieder ganz genau so klingt wie ein bekanntes Wort sagt man uns: das muss man halt aus dem Kontext ableiten.
Als das Thema "Japanische Küche" war, und herauskam dass frittieren ("ageru") genau so klingt wie jdm. etw. geben (ageru) (oder auch: etwas erhöhen (ageru)), konnte man die Unangenehme frage stellen woher ein Japaner eigentlich weiß ob sein Schnitzel frittiert wird bevor er es bekommt.

Mittlerweile ist bei mir eher der gegenteilige Effekt eingetreten: wenn ein Wort nicht in den Kontext passt (oder es einfach nicht genug Kontext gibt) verstehe ich es nicht. Selbst wenn ich ein Wort kenne das so klingt, geht mein Gehirn davon aus, dass es bestimmt ein mir noch unbekanntes Homophon ist.

In der Küche fragt mich letztens jemand ob ich regelmäßig Shinbun lese?
Was zu Hölle soll denn Shinbun sein? Angestrengt versuche ich alle mir bekannten Zeichen in allen Kombinationen durch:
SHIN:                     BUN:
心(Herz)               分(Minute oder Teil)
真(Wahrheit)        聞(hören, fragen)
神(Geist)              文(Satz)
親(Eltern)            ...
新(neu)
...

Herzminute? Ob ich meinen Puls messe? Wahre Sätze? Meint der vielleicht Gedichte?
"NjuusPepaa"!
Er meint 新聞: "Neues hören" also "Zeitung".
Das war eines der ersten Worte ich ich je im Japanischen gelernt habe.

Das Tee ich nur nicht Halt er Tor rund Binse Clou Hals wieso Fort.