Dienstag, 29. Mai 2012

Neue Abenteuer

Zahlenmystikern und Verschwörungstheoretikern (laut einer aktuellen Umfrage 84% meiner Leserschaft) ist es bestimmt schon aufgefallen:
Dieser Blog fing einmal mit einem "A" (Antransport) an und endete mit einem "U" (Unverstanden).
Die Versteckte Botschaft in den Anfangsbuchstaben bezog sich natürlich auf den "A"nfang meiner abenteuerlichen Zeit, sowie die "U"nterbrechung. ("E"nde is net!).
Doch Moment: die letzten Einträge seit meiner Rückkehr fingen auch alle mit einem "U" an?!
Warum zog sich diese "U"nterbrechung bis jetzt hin?

Trotz der physischen Anwesenheit - das Abenteuer fing einfach nicht wieder Feuer.
Alles war schon Vorbereitet, alles Bekannt, alles Routine - eine Vorsetzung der Vorbereitungs-Phase. Zum Amt, zur Bank, zum Unterricht, Hausstand zusammenstellen, Fahrrad kaufen, Welcome-Parties, alles gehabt.

Mit der Zeit wurde mir Bang: war das Abenteuer ausgeteuert?
Heutzutage ist Japan ein westliches Land, und die kulturellen Unterschiede muss man schon mit der Lupe suchen - oder man kennt sie seit Jahren eh schon. Mit Schock ist da nicht viel.
Oder war mein Japanisch schon zu gut um noch ernsthaft in Schwierigkeiten zu geraten?
Oder bin ich einfach alt geworden?

Alles Mögliche habe ich probiert um die Kiste wieder in Fahrt zu kriegen, und immer kamen nur neue Steine in den Weg.

Im Wohnheim: Gäste (auch andere Studenten derselben Uni) dürfen erst mal gar nicht rein, außerhalb der Zimmer darf nicht getrunken werden und Mädchen und Jungs sind strickt getrennt - dagegen war das katholische(!) Studentenwohnheim in Österreich ein Sündenpfuhl. Der einzige Portier (ja, wir haben 24h Überwachung) der Humor hatte, hat gleich mal Ärger bekommen weil er mit uns Karten gespielt hat. Bleibt noch: allein im Zimmer zu sitzen.

Mit Freunden Bergsteigen gegangen - das war das letzte mal doch eine steile Sache! Doch dann wollten die lieber das Cable-Car nehmen. Es sollte zwar nur ein Spruch sein, aber meine Mutter ist wirklich besser zu Fuß als diese Studenten.

Bars in Osaka vorgeschlagen, doch zu nichts ließen sich die Leute motivieren - selbst eine Dachterrassen-Grillparty (!) wurde abgetan mit: zu teuer. Was nicht heißt, dass sie in die "jeder Drink 1,80€" Bar mitgekommen wären.

Und weil trotz "ab-Mitternacht-keine-U-Bahnen-mehr" wohl noch zu viele Leute Spaß hatten, hat die Polizei angefangen Clubs aufzulösen für: Tanzen!
Das Gesetz ist von 1948, und warum die Polizei jetzt plötzlich anfängt das durchzusetzen weiß - laut Türsteher - nicht mal die Polizei. Gerüchte gibt's genug. Dafür immer weniger Läden die einen tanzen lassen.



Nach Tokyo gefahren, andere Deutsche Austausch-Studenten getroffen. Ihr müsst doch auch zergehen vor Bevormundung und Touristen-Tagesplaung?!
Nein.
Die Jugendherberge wurde sicherheitshalber um 11Uhr abgesperrt. Also: man musste um 11Uhr drin sein und wurde bis zum Morgen eingeschlossen.

Was sollte erst werden wenn ich aus Osaka raus auf's Land ziehe (wo meine spätere Uni ist)? 3 Jahre Ausleih-DVDs? War das alles ein großer Fehler? Gibt Japan nur für Spaß für 6 Monate?

Zur Rettung naht: Da Karzel - der wohl einzige Mensch in Japan der noch vernünftig genug ist, mit mir mitten in der Nacht sturzbetrunken zum Hafen zu fähren und sich zwischen den Piers durch zu schleichen. Warum kann es nicht mehr so grund-vernünftige Leute geben?

Und da fällt mir wieder ein, wie ich den Karzel damals kennen gelernt habe: ich bin einfach nach Japan gegangen. Ich habe nicht gewartet, bis jemand aufgetaucht ist, der mir Händchen gehalten hat oder es mir erlaubt hat. Ich bin losgegangen - allein. Und er ist losgegangen - allein. Und dann waren wir die einzigen zwei Hagen-Hügeler die blöd (engl. "bold") genug waren einfach nach Japan zu gehen.

Das ist zwar keine Patentlösung, aber die Erkenntnis: man muss so lange selber einfach losgehen, bis man findet was der Erzählung wert ist; bis man die Leute trifft, die auch einfach losgegangen sind.

Und zum ersten mal sieht die Zukunft wieder Abenteuerlich aus.

Dank der neuen "Atomkraft, kekko desu" Einstellung der Japaner drohen bald Stromausfälle! Osaka - Stadt der Finsternis? Muahaha!

Aus bürokratischen Gründen muss ich aus dem einen Wohnheim raus, einen ganzen Monat bevor ich in das nächste Wohnheim rein darf - vielleicht berichte ich also schon bald aus
Obdachlosen-Heimen. Oder meiner eigenen Wohnung. Oder jeden Tag einem anderen Capsule-Hotel.

Und bis dahin kauf ich mir erstmal jedes Wochenende ein Tagesticket und fahre dorthin wo noch nie ein Gaijin zuvor gefahren ist. Vielleicht sollte ich die Regeln für ein paar japanische Glücksspiele lernen...

Ich meld' mich wieder wenn ich für's Tanzen verhaftet wurde...

Donnerstag, 3. Mai 2012

Unterm Maibaum

Jetzt versetzen's sich doch mal in meine Lage:
Sie sind in Japan.
Der erste Mai steht vor der Tür.
Sie sind Bayer.
Sie haben Münchner Bier im Kühlschrank.
Sie sind net ganz gescheit im Kopf (böse Zungen behaupten, die letzten Punkte könnten zusammenhängen)
Sie kommen auf die Mords-Idee, ein Maifest abhalten zu wollen.

Also fahren sie Einkaufen. Erstmal zum 100Yen-Shop (in dem alles 105Yen kostet - aber dazu später mehr). Sie brauchen einen Maibaum. Die längste Gartenstange die sie finden können ist 2½m und grün. Also kaufen sie weiße und blaue Farbe, einen Pinsel und versuchen nicht alles mit ihrer 2½m Gartenstange kaputt zu schlagen (ja, IHNEN wäre das bestimmt gelungen).
Außerdem etwas das entfernt an ein Spätzle-Brett erinnert, ODER GLAUBEN SIE HIER GIBT'S AN LEBERKAAS?

Dann gehen sie in den Supermarkt. Mit ihrem 2½m Maibaum.
Sie suchen Emmentaler. Sie finden: Gauda, 5Euro das halbe Pfund. Irgendwie finden sie Bratkartoffeln plötzlich die bessere Idee...

Eine Fertigmischung für Pfannkuchen/Palatschinken/Crepes bringt sie auf die Idee das auch gleich zu machen. Das ist eine ganz tolle Backmischung: nur 2€ für 200Gramm, muss man nur noch Milch und Eier hinzugeben ÄH MOMENT MAL!? Mehl gekauft. Es gibt kein Apfelmus. Es gibt aber Äpfel für 2Euro das Stück. Muahahahaha sie nehmen Erdbeermarmelade.
Außerdem Milch zu Preisen die dem Deutschen Bauernverband die Freudentränen in die Augen treiben würden.

Dann machen Sie sich also auf den Heimweg - das Fahrrad ist schon voll beladen, die Tasche schwer, und sie haben noch einen 2½m Maibaum in der Hand.
Ein letzter Funke Menschenverstand gibt ihnen den Rat zu SCHIEBEN.
Um mit beiden Händen das vollbepackte Fahrrad vor dem Umfallen zu bewahren stecken sie sich den Maibaum hinten in den Hemdkragen, durch das Hemd in den Hosenbund und schnallen den Gürtel enger. Niemand schaut sie an.
Auf dem Heimweg bleiben sie an jedem Baum hängen, der über den Gehsteig wächst. Gott sei dank haben sie ihr festes Leinenhemd an, dass kann das ab und gibt nicht nach. Nach dem dritten Baum wünschen sie sich sie hätten ein Baumwoll-TShirt an. Bei den Telephon-Kabeln kriegen sie dann endlich genug Angst um GottVerdammtNochmalAUFZUPASSEN!

Wenig später sitzen sie dann im Garten und malen ihren Maibaum an. Das dauert länger als erwartet: für Verzierungen ist keine Zeit mehr. Also einfach die mitgebrachten Fahnen dran hängen.

 In der Küche zerhackstückeln sie den ins Land geschmuggelten Speck und braten Kartoffeln. Ei drüber, dann geht das schon irgendwie als Tiroler Gröschtl durch.
Dann die Pfannkuchen. Ihnen fällt auf dass sie ein Kind des 21.Jahrhunderts sind weil: sie haben noch nie mit dem Schneebesen Teig angerührt. Irgendwann geben sie auf und akzeptieren Klumpen als festen Bestandteil der Deutschen Küche.

Auch mit der Pünktlichkeit nehmen Sie's nicht mehr so genau - was gut ist, weil: da wären sie der einzige gewesen. Nachteil jedoch dass das Maifest aufgrund unerwarteter Dämmerung in die Küche verlegt werden muss. Gott sei Dank ist die Küchendecke höher als 2½ Meter.

Ihnen gelingt es 10 Menschen aus 7 Nationen an den Küchentisch zu bringen, trotz Blasmusi aus dem Ghettoblaster. (Münchner Bier hilft)
Die sind so begeistert, dass sie schon planen selbst am jeweiligen Nationalfeiertag ein Fest auszurichten.
Die Philippinos lachen: sie hätten sogar ihre Tracht dabei.
"Ja, ich auch" rutscht Ihnen so raus.
Alle schauen Sie an...

Ja, und so, SO ENTSTEHEN NUNMAL SOLCHE PHOTOS: