Mittwoch, 21. Juli 2010

Unverstanden

Ich lerne jeden Tag Japanisch.
Und ich habe ein System - ich habe mein Gehirn, die Merk-Leistung und die Vergessensrate genau analysiert und den Lernplan getuned - mit Erfolg! Der Vokabeldurchsatz ist gewaltig, die Zeichenbibliothek nimmt neue Symbole oft schon beim ersten Versuch auf, und grammatikalische Regeln werden nicht mehr vergessen.

Und dennoch: ich verstehe hier keine Menschenseele.
Sobald Japaner zu sprechen beginnen scheinen sie eine komplett andere Sprache zu sprechen.

Hier die 5 Gründe, gereiht nach Größe des Problems:

A: die falschen Wörter:
Mein Lehrbuch lehrt nicht die Wörter die Japaner wirklich verwenden - nicht die Alltags-Wörter.
Es lehrt die Wörter für Premierminister und Präsident, Politik und Wirtschaft, für Amt und Botschaft, für Dienstreise und Angeln - aber nicht für Seife. Diese bittere Erkenntnis musste ich machen, als ich irgendwo zwischen Lektion 28 und 30 mal im Supermarkt verloren war, und die Verkäuferin mir auch auf die Frage, wo denn der Premierminister zu finden sei, nicht die Abteilung für Seife zeigen wollte.
Scheinbar ist das Buch eher für Geschäftsleute, deren Reichtum so sehr stinkt, dass sie keiner Seife mehr bedürfen, wenn sie auf Dienstreisen geflissentlich über Politik und den Angelsport diskutieren.

B: die falsche Form:
Mein Lehrbuch - und fast alle Ressourcen, die ich so finden konnte, versteifen sich auf eine ganz spezielle Höflichkeitsform - die KEINER verwendet. Bekannte reden ganz normal Umgangssprachlich, Verkäufer reden übertrieben höflich.
Für "etw. tun,machen" sagen die Japaner "suru", die Verkäufer ehrfürchtig "itashimasu", mein Lehrbuch lehrt: "shimasu".
Zwar sind die Regeln um die Form zu wechseln sehr einfach und einheitlich (es gibt kaum Ausnahmen und Sonderregeln im Japanischen), aber in Gespräch jede Laut-Folge durch die verschiedenen Formen zu konjugieren in der Hoffnung, dass irgendetwas davon Sinn ergibt, klappt nicht mal bei übertrieben langsamem Sprechen (an einer DVD getestet: selbst halbe Geschwindigkeit sind noch zu schnell).
Außerdem gucken mich die Leute komisch an, wenn ich diese Höflichkeitsform verwende.
"Nihongo-o hanasukoto ga dekimasu" - "Ich bin des Spechens der Japanischen Sprache mächtig."
"Wakarenai" - "Verstehn' tu' ich's net!"

C: Zu dicht:
Das Japanische ist reich an Homophonen - also verschiedene Wörter die genau gleich oder sehr ähnlich ausgesprochen werden. Das stört beim sprechen nicht - beim verstehen muss man aber intuitiv wissen, WELCHES Wort jetzt gemeint ist.
Mein Liebling ist: "kaeru". Das kann "Frosch" heißen. Oder "heimgehen". Oder "verändern". Oder "auswechseln". Oder "kaufen können". Oder “unterstützen/unterhalten können". Liste unvollständig.
Das trifft sich besonders gut, mit der Sprechgewohnheit der Japaner, alles wegzulassen, was sie als offensichtlich empfinden - also den ganzen Kontext.
Sie werden also im Supermarkt gefragt, ob sie gerade kaeru? Wie antworten sie?
"Nein, ich bleibe noch"
"Ja, ich habe genug Geld dabei."
"Quak?"

D: Zu schnell:
Japaner sprechen gerne schnell. Vor allem werden sie während dem Sprechen immer schneller. Das ist im Japanischen deshalb fatal, weil 90% der kritischen Information immer am Satz-Ende kommen. Während Europäische Sprachen gerne Informationen voranstellen, hängen sie die Japaner hinten an.
Gerade am Satzende werden sie aber nochmal schneller - und hören da auch nicht auf: hätte man Zeit den Satz zu reflektieren, würde man vielleicht noch etwas verwertbares finden, aber es kommt ja gleich der nächste Satz nachgeschoben, und schiebt die halb-garen Erkenntnisse gleich wieder aus dem Gehirn.

E: Dialekt:
Da ich in der Kansai-Region wohne, sprechen die Leute zu allem Überfluss auch noch Dialekt. Das reicht von kaum hörbaren Feinheiten in der Intonation über Laut-Färbungen und Kürzungen bis hin zum ersetzen ganzer Wörter. Beispiele gefällig?
"So yan" statt "So desu" für Zustimmung
"Ja hen" statt "Ja nai" für nicht-Zustimmen
"Honma?" statt "Honto?" für "ach, echt?"
"Aho" statt "Baka" für "Depp".

Hier also der lange Weg, des japanischen Wortes von Max zu Realität:
Max lernt: "dewa arimasen" - anders sein, nicht zutreffen, falsch
A: Japaner verwenden : "Chi-ga-i-ma-su"
B: In dieser Form: "Chi-ga-u"
C: Das könnte auch heissen oder klingt so änhlich wie: "Ji-ga" (selbst) -”O-u" (tragen)
D: In dieser Geschwindigkeit: "Chigau"
E: In diesem Dialekt: "Chau"

P.S.: An alle Japanisch-Insider: Ja, dass sind sehr konstruierte Beispiele. Die verwendeten Worte gehören wirklich zu den Einfachsten, und stellen schon lange kein Problem mehr für mich dar.
Gerade deswegen sind es gute Beispiele: DAS SIND DIE EINFACHSTEN, HÄUFIGSTEN WÖRTER! GEBT'S EUCH DES MAL!

Sonntag, 18. Juli 2010

Umwegeskarten

Japaner lieben Gruppen-Reisen. Das heißt sie laufen für gewöhnlich dem Schirmchen einer ortskundigen Person nach.
Anders geht das oft auch gar nicht, denn wer den Weg nicht schon kennt, wird ihn hier bestimmt auch nicht finden.

Das fängt mit den Hausnummern an, die nicht in der Reihenfolge sind in der die Häuser an der Straße stehen. Wenn man also gerade vor Haus Nummer 12 steht, kann die 13 am Ende der Straße sein - oder am Anfang, oder irgendwo dazwischen. Wenn die Straße etwas länger ist, stehen sie auf der Suche nach ihrem Hotel vielleicht sogar im falschen Stadtteil.

Okay: solange sie in der Stadt sind und ein Hotel suchen wird das schon schiefgehen - beim Bergwandern hört der Spaß aber auf:
Meine Aufwändig dicke Straßenkarte der Region kennt tatsächlich sogar recht kleine Pfade - was sie nicht davon abhält, dreist über deren Verlauf zu lügen. Für Kinder gibt es ja immer diese "Welcher-Weg-führt-durch-das-Labyrinth"-Spiele- dasselbe spiele ich also mit einem Berghang: auch der dritte Pfad den ich ausprobiere führt wieder zurück ins Tal. Mit der erbrachten Marschleistung hätte ich schon dreimal oben und wieder unten sein können. So muss ich unverrichteter Dinge wieder abziehen.

Manchmal sind netter weise auch vor Ort Karten an den Touristen-Zielen aufgestellt worden. Nach kurzer Verwirrung (manchmal sind die Karten eingenordet, manchmal nach Blickrichtung ausgerichtet) fällt einem auf: da ist nicht das eingezeichnet was ich suche. Denn die Karten sind meist stark vereinfacht und bieten nur wenige Orientierungspunkte. Und natürlich jede Karte andere...

Auf einer Wanderkarte war die Länge eines Wanderpfades bis zu einer berühmten Ortschaft an deren Ende gleich lang, wie der Weg vom Bahnhof zum Pfad. Passt ja super für eine Sonntag-Nachmittag-Wanderung mit Tempelbesuch inklusive - dachte man so. Nachdem ich den Pfad also nicht gefunden habe (war ja klar: die Karte war da mal wieder nicht so genau) gehe ich zumindest in die Richtung des Ziel-Ortes - kann den Pfad ja dann auf dem Rückweg verwenden. Nach einem ordentlichen Fußmarsch neigt sich der Tag dem Ende entgegen und weder Wanderpfad noch Ortschaft sind gefunden. Beides klärt sich an einem neuen Schild an der nächsten Kreuzung: hier ist zum ersten mal der Pfad erwähnt - denn er endet hier. Bis zur Ortschaft sind es noch gediegene 15km Landstraße. Auf der Karte ist also weder eingezeichnet, dass der Pfad vorzeitig endet, noch dass mit Skalierungs-Ungenauigkeiten um den Faktor 10 zu rechnen ist.

Mein anderes Wander-Büchlein ist noch toller. Das hat zwar auch Karten, in denen sind die Wanderwege selbst aber nicht verzeichnet, sondern nur die Straßenkarten, wie man da hin kommt. Also weiß man ab der ersten Kreuzung (ohne "Geradeaus") nicht mehr, ob man überhaupt noch richtig ist. Die wenigen Schilder am Wegesrand weisen natürlich nie das aus, wo man hin will.
Auf dem Rückweg finde ich noch eine bessere Kuriosität: auf den Berg fährt auch ein Cable-Car/Bergbahn. Also findet sich vor dem Berg-Tempel auch ein Hinweisschild, wo es denn zur Berg-Station geht. Folgt man diesen Hinweisschild, läuft man bis ins Tal, an der Tal-Station vorbei zum Bahnhof- ein weiteres Schild: "hier hätten sie abbiegen müssen" kommt nicht mehr.

Unten

Damit nicht das Klischee weiterverbreitet wird,
Japan bestünde nur aus High-Tech und Tempeln:
Ein paar Photos von der Unterseite einer fernöstlichen Industrienation.




Sonntag, 4. Juli 2010

Urlaub Teil2: Photos a la Carte

In Ermangelung ernsthafter Erzählung, einfach mal ein paar Photos von Tokyo herausgefischt und aufgehübscht.
Bitteschön: optisches Sushi:




Donnerstag, 1. Juli 2010

Urlaub Teil1: Mit dem Fahrrad durch Kyoto

Zur Zeit sind neue Blogeinträge Mangelware. Das hängt mit einem Embargo auf die Haupt-Blog-Ressource (Zeit) zusammen, die von einer düsteren Verschwörungs-Vereinigung aus Familienurlaub, Arbeit und Fußball-WM verhängt wurde.

Wir bitten die Verzögerungen zu entschuldigen und bemühen uns bald wieder auf Sendung zu sein.
Gucken sie so lange einfach Fern: den dreiteiligen Heimatfilm "auf dem Fahrad durch Kyoto, ohne herunterzufallen oder die Identität polizeilich überwachter Familienmitglieder preiszugeben"
Gute Unterhaltung!