Donnerstag, 30. Juli 2020

Pura

Als ich gerade frisch in Japan angekommen bin, war einer der ersten Sätze den ich mir eingeprägt habe: "Danke ich brauche keine Einkaufstüte".
Musste man immer dran denken. Sonst würde ein Verkäufer nie die Schande begehen einem nicht alles in eine Plastiktüte zu packen.
Natürlich kann man Plastiktüten weiterverwenden, spätestens als Mülltüten (das Müll einfach zum Abholen an den Straßenrand gelegt wird habe ich ja schonmal erwähnt). Aber man kann auch nur begrenzt viele Mülltüten brauchen.
In neue Wohnung eingezogen. Voll möbliert vom Vormieter übernommen. Findet man also alles. Hier der Staubsauger, dort der Abfluss-Frei, hier die 20 liter fassende Schublade randvoll mit Plastiktüten die man bestimmt nochmal irgendwann für irgendwas verwendet. Kennt jeder.
Naja, zumindest jeder Ausländer. Japaner stopfen ihre Plastiktüten nicht einfach so in eine Schublade.
Glaube ich zumindest, ausgehend von meiner begrenzten Erfahrung Damen zum gemeinsam-Abend-Essen-Kochen einzuladen (Japanerinnen lieben Käsespätzle), und dann am nächsten Morgen die Einkaufstüte fein säuberlich in ein kleines Dreieck zusammengefaltet vorzufinden. Ob auch japanische Männer dieses Trash-bag-Origami beherrschen weiss ich leider nicht.


Aber warum erzähle ich das?
Weil damit jetzt Schluss ist! Seit dem 1.7. gilt ein neues Gesetz das Kostenlose Plastiktüten illegal macht. Der Verkäufer muss also jetzt immer fragen ob man man eine Plastiktüte will.
Und obwohl die nur 2 Cent kosten würden sagen die meisten überraschenderweise Nein Danke.
überraschenderweise weil ich nie einen Japaner "Nein Danke" sagen hören hab als sie noch nicht gefragt wurden.
Scheinbar wurde die unhöflichkeit eine geschenkte Tüte abzulehnen nicht so leicht übers herz gebracht... oder den Leuten sind 2 Cent mehr wert als die Umwelt. Jedenfalls wirkt das Gesetz.

Leider sind die Tüten nur ein Teil des Problems. Da bei mir Müll getrennt wird sehe ich leider sehr deutlich, dass Plastik den größten Anteil ausmacht. Gefolgt von Tetra-Packs.
Bekannt und oft angeprangert wird ja, dass in Japan in jeder Packung Kekse, jedes Paar Kekse nochmal extra eingeschweißt wird. Alle sagen, das ist voll die Verschwendung. Die haben alle keine Ahnung. Die eigentliche Verschwendung ist nicht das Pärchen-Päckchen, sondern die 40-Kekse-Umverpackung.
Ich esse durchschnittlich einen Keks am Tag. Im schwül-heißen Sommer ist die Haltbarkeit einer angebrochenen Kekspackung etwa 2 Tage, und der zweite Tag hat schon leichten Pudding-Flair. Zu verlangen die Pärchen-Packungen aufzuhören ist also reiner Wahnsinn wenn man nicht den Tauben auf dem Balkon 38 Kekse spendieren will.


Ist nicht so als ob mir die Umwelt nicht am Herzen läge. Habe extra das Fleisch und Fisch Essen aufgehört für die Natur (Naja, für die Tauben würde ich eine Ausnahme machen, aber die sehen schon arg Schadstoffbelastet aus). Jetzt Esse ich also nur noch Tofu-Tier. Das stellt mich vor neue Probleme, denn Tofu wird immer stückweise in Plastikschalen verkauft. Und wenn sich die Schalen so stapeln frage ich mich ob ich damit der Natur so einen grossen Dienst erweise.
Verpackungslose Läden gibt es hier überhaupt nicht. Wüsste aber auch nicht wie das bei Tofu funktionieren soll. Japanischer Tofu ist so zart dass er in der Hand zerbricht - schwierig den in eine Doggy-Bag zu packen.
Wie mans macht macht mans falsch.
Ich freue mich jedenfalls das die Schublade sich langsam aber sicher leert. Wird dann bald Platz für wichtigere Dinge bieten. Bei der aktuellen Geschwindigkeit vielleicht schon nächstes Jahr.