Donnerstag, 30. April 2020

Corona-chan

Haben Sie gedacht Sie könnten dem ständigen Pandemie-Gezwitscher entkommen und sich etwas mit den Abenteuern eines Jungunternehmers ablenken? Hat der Jungunternehmer auch gedacht. Aber dann kam Corona-chan zu Besuch.


Es ist Anfang April und nachdem die erste Welle der Panik-Klopapier-Käufe vorüber gegangen ist hat sich scheinbar alles wieder normalisiert.
Ja, die Schulen sind zu und Leute werden angehalten von zu Hause zu arbeiten wenn sie können, aber in Japan sind die Firmen da nicht so fortschrittlich.
Die Fallzahlen sind niedrig, die meisten Geschäfte haben geöffnet, und die Leute freuen sich auf die Kirschblüte.
Laut einem Bekannten haben in Mittelgroßen Städten wie Nagoya sogar die Nachtclubs noch offen.
In Osaka ist das Nachtleben etwas reduziert, aber noch lebendig. Angeblich, weil auch das weiß ich nur aus zweiter Hand.
Ich habe die letzten Monate ziemlich schuften müssen um die Firma umzustrukturieren. Da blieb keine Zeit auszugehen. Doch es hat sich bezahlt gemacht - die Aussicht für dieses Jahr sind rosig. Heute noch eine neue Version unserer Software veröffentlichen, endlich fertig! Jetzt kann ich endlich all die Dinge tun die ich ewig vor mir her geschoben habe. Werde gleich morgen ausgehen und alles genießen was das Land so zu bieten hat. Heute ist schon zu spät. Ich lasse den Tag mit einem entspannten Training im Gym ausklingen.
Die Fernseher im Gym unterbrechen mein Training mit einer Sondermeldung. Premierminister Abe verhängt den Ausnahmezustand über alle Großstädte.
Tolles Timing Abe, ganz tolles Timing.
Eine knappe Woche später wird es auf ganz Japan ausgeweitet.


Am nächsten Morgen sieht die Welt noch gar nicht so viel anders aus - in dem Stadtteil in dem ich Wohne scheint alles normal. Bis ich mal in die Innenstadt radel. Jenseits der Osaka-Burg (die noch komplett mit Joggern und Familien überlaufen ist) nimmt die Personendichte stark ab. Die üblichen Touristen- und Party-Hotspots sind leer gefegt.

Politiker geben sich proaktiv! Premier Abe verspricht sofort jedem Haushalt zwei Atem-Masken! Zwei. Keine Ahnung wie er auf die Zahl kommt. Wahrscheinlich eine für Papa damit er weiter in die Arbeit gehen kann und eine für Mama zum Einkaufen gehen. Die meisten Japaner horten schon seit Monaten dutzende Masken. Bis die Masken ausgeliefert werden muß es natürlich zu Verzögerungen kommen und einen Skandal über den Preis und die undurchsichtige Auftragsvergabe und niedrige Qualität geben.
Ich habe meine zwei Masken (ich bin ja ein Haushalt, also sowohl Mama als auch Papa, verdiene also auch zwei Masken) Ende April immer noch nicht. Mittlerweile gibt's Masken wieder an jeder Straßenecke zu kaufen. Immerhin habe alle hinter ihren Masken herzlich über Abe lachen können. Aufheiterung ist in Zeiten der Krise ja auch was wert.

Aber Ansteckungs-Prävention ist nicht das einzige das Politiker tun! Ein finanzielles Hilfspaket wird geschnürt. Haushalte die nach bestimmten Regeln bestimmte Einkommensverluste vorweisen können (und die Regeln verstehen) bekommen bis zu 300.000 Yen (etwa 2500 EUR). Sofort wird angeklagt das die Regeln zu kompliziert und zu strickt sind und der bürokratische Aufwand die Beamten (die auch auch besser Zuhause bleiben sollten) komplett überlasten würden. Also Planänderung: jeder bekommt 100.000 Yen (1115 EUR). Also jeder, egal wie arm oder reich, egal ob mit Job oder ohne. Auch Ausländer, sofern sie hier Wohnen. Wir warten noch ob das wirklich passiert,
aber für Leute die ihren Job verloren haben, gibt’s ja Arbeitslosengeld. Also wenn man einbezahlt hat. Leute die das nicht haben sind: ich (weil ich Unternehmer bin, kein Angestellter), Besitzer von Kneipen (selber Grund), alle die sich im Nachleben verdingen (weil da haben sie's scheinbar nicht so mit Angestellten anmelden). Verständlich dass wir da alle gerne weiter arbeiten würden, sofern noch Kundschaft da ist.
Vielleicht anderweitig Präventionsmaßnahmen finden um weiter offen zu haben - in Conbinis und Supermärkten hängen sie jetzt Plastik-Planen vor den Kassierern auf, damit die nicht angehustet werden können. Ob so etwas auch in einer Kneipe klappen koennte?


Strafen gibt es übrigens nicht wenn man nicht mitspielt beim Verstecken spielen. Scheinbar lässt dass das Japanische Recht sowas nicht so ohne weiteres zu. Die meisten Japaner spielen halt freiwillig mit wenn ihnen die Regierung sagt dass alle Geschäfte schließen sollten die nicht unverzichtbar sind.
Aber was heißt schon unverzichtbar.
Beim spazieren gehen spreche ich eine junge Frau an. Die ist gerade auf dem Weg in die Arbeit. Um die Uhrzeit am Wochenende? Was arbeitet sie denn? Prostitution. ... manche haben halt immer offen.
Gottseidank ist das Glücksspiel in Japan illegal - damit könnten die Leute bestimmt auch nicht aufhören. Pachinko ist natürlich kein Glücksspiel, zwinker, zwinker, also völlig legal und auch ganz bestimmt nicht suchterregend, gell?
Die meisten Pachinko-Hallen haben zwar mittlerweile zu gemacht, aber ein paar sture Betreiber trotzen den Weisungen der Regierung.
Japanische Lösung: der Gouverneur von Osaka mahnt die trotzigen Läden öffentlich im Fernsehen, namentlich und mit Nennung des Stadtteils.
Effekt: zwei der 5 Läden knicken ein und machen zu.
Einer der Läden kommt am nächsten Tag ins Fernsehen weil sich jetzt so lange Schlangen vor den geöffneten Toren bilden dass man schon seine Gesundheit verlieren kann bevor man überhaupt anfängt sein Geld zu verlieren.
Vielleicht war das nicht so clever den Spielsüchtigen von Oska zu sagen wo sie noch zocken können.

Ich bin einfach im falschen Business. Man hätte so viel Geld machen können.
Neuester Trend: Anhänger die man sich um den Hals hängen kann die den Virus stoppen!
Hochwissenschaftlich! Der Filter im Anhänger killt alle Viren!
Wieso der Virus erst durch einen Filter in einem Anhänger vor meiner Brust gehen will bevor er in meine Atemwege kommt ist mir nicht klar,
aber die rechteckigen Anhänger erinner mich stark an O-Mamori, die kleinen Beutel mit gesegneten Texten die man bei Tempeln kaufen kann und einem Glück versprechen. Vielleicht werden demnächst ein paar Mantras veröffentlicht die man vor sich hin plappern kann um sich zu schützen. Ohhmmmmmmmmpfstoff für die Seele.