Samstag, 30. November 2019

Boss (23)

Die Finanzierung unserer Open-Source Anstrengungen machen wir über "Crowd Funding".
Das funktioniert so:
Leute "versprechen" einen gewissen Betrag beizusteuern, zahlen aber erstmal nichts.
Wenn der versprochene Gesamtbetrag an Tag X über einem bestimmten Limit liegt, zahlen alle und wir kriegen das Geld.
Liegt der versprochene Gesamtbetrag darunter, zahlt keiner und wir kriegen nichts.
Keine Ahnung auf welcher Merkwürdigkeit der menschlichen Psychologie das basiert, aber diese Deadline und "Alles-oder-Nichts" Denken ist wirklich populär. Also spielen wir da auch mir.

Was wir nicht wußten: Leute können bis zum Tag X ihr Versprechen auch wieder zurück ziehen. Und das tun sie auch gerne. Ein besonders lustiger Typ verspricht wiederholt hohe Beträge, nur um Tage später seine Meinung scheinbar zu ändern.
Ich denke schon das muss bewußte Sabotage sein - der wird 5 Minuten vor Schluß wieder abspringen und das ganze Projekt zum scheitern Bringen.
Ich habe also das genaue Gegenteil von einem eBay-"3-2-1-meins"-Erlebnis und bange die letzten Minuten vor meinem Computer Bildschirm. 3... 2... 1... KEINER ABGESPRUNGEN! Wir haben die Sache durchbekommen und einen (kleinen) Batzen Geld für unser Open Source Projekt eingesammelt.






Wir Entscheiden uns allen Leuten die mehr als etwa 10 Euro spenden eine Postkarte zu schicken.
Je höher die Spende desto schöner und aufwendiger die Postkarte.
Natürlich Handgeschrieben, weswegen ich oft Abends dasitze und dieselbe Dankesrede immer wieder abschreiben muß.
Eine überraschend schöne Arbeit. Ich sollte ein Dankespostkarten-Versende-Business aufmachen.




Aber da ist ja noch die Entwicklungsarbeit. Die Teilen wir auf:  ich bleibe bei der alten Produkt-Linie, und Programmierer Nummer 2 im Team kümmert sich um die Open Source Linie.
So kommen wir uns nicht in die Quere. Und wir haben ja noch einen Praktikanten der ihm zur Hand geht.
So kann die Arbeit beginnen und das Jahr relativ positiv zu Ende gehen. Ich lade alle zur Weihnachtsfeier zu mir nach Hause ein, koche Deutsches Essen und jeder kriegt noch ein kleines Geschenk - ein Dankeschön für die Arbeit dieses Jahr.
Über die Feiertage mache ich Pläne fürs nächste Jahr - 2019 starten wir endlich durch! Ich bereite schonmal eine motivierende meine Neujahrs-Ansprache vor.
Programmierer Nummer 2 kommt mir zuvor: er verläßt das Team um woanders zu arbeiten, Tschüss auch.
Was? Aber wir haben gerade erst von vielen Leuten einen Batzen Geld für Open Source Entwicklungsarbeit bekommen. Die können wir doch jetzt nicht enttäuschen! Wir nicht, er schon.
Und der Praktikant? "Also eigentlich habe ich die Stunden schon voll um mein Praktikum Akkreditiert zu kriegen". Moment, da war aber ne ganze Menge nicht-Arbeit dabei! Egal, zählt für die Akkreditierung.
...und das ich dir eine Wohnung bereit gestellt und mich um dein Visum gekümmert habe? Zählt nicht für die Akkreditierung. Zählt gar nichts. Arbeit ist aus, Tschüss Chef.
Also muss ich mich jetzt auch noch um die Open Source Entwicklung kümmern -  die letzen Wochen Zusammenarbeit mit Programmierer Nummer 2 werden in weitgehend in angespanntem Anschweigen abgehalten. Praktikant kommt nur noch einmal vorbei um sein Zeugnis abzuholen.
Das Jahr fängt schonmal gut an.
Naja, dafür sind die Firmenausgaben jetzt deutlich niedriger.