Mittwoch, 30. Januar 2019

Boss (13)

Das Studium geht dem Ende entgegen. Die letzten Änderungswünsche an der Doktorarbeit werden eingebaut. Die letzten Präsentationen gehalten. Der letzte Papierkram erledigt.
Nebenbei muss ich mir schonmal Gedanken machen, wie es danach mit meiner Aufenthaltsberechtigung aussehen wird. Wäre ich Angestellter, würde sich meine Firma darum kümmern. Aber ich bin selbst die Firma. Dafür gibt es ja ein spezielles Manager-Visum.
"Das geht aber hier nicht", sagen mir die Vermieter von meinem Office.
Was?!
"Die Einwanderungsbehörde vergibt das Visum nicht, wenn der Firmensitz ein Shared-Office ist".
Glaube ich nicht. Rufe da später mal an.
"Nein, also so eine Regel in dem Sinne gibt es nicht", sagt der Beamte.
Na also. Mit Erleichterung wieder ins Office.
"Wir haben da vorhin angerufen und uns wurde gesagt dass es ganz sicher nicht akzeptiert wird".
Ja was denn jetzt? Mir wurde gesagt so eine Regel gäbe es nicht.
Bin ich zu blöd zwischen den Zeilen zu lesen? Was soll ich den tun? Ein nicht-shared Office kann ich mir nicht leisten - selbst wenn ich einen Vermieter finden wurde der einem Studenten Büroräume   vermietet.
"Ändere doch einfach die offizielle Firmenadresse auf deine Wohnung. Du kannst das Shared Office ja weiter verwenden."
Das ist ja noch dubioser! Eine Firma in der Wohnung der Geschäftsführers?
Noch dazu ist der Mitvertrag als Privatwohnung ausgelegt. Gewerbliche Nutzung untersagt.
Also zum Makler gehen und fragen ob man da nicht was drehen kann. Weil: wenn ich abgeschoben werde kann ich die Wohnung auch nicht mehr mieten.
Der Mann ist sehr hilfsbereit. Ich kriege den Verdacht er hat keinen Bock einen neuen Mieter zu suchen. Hoffe das sagt nichts über die Bausubstanz des Gebäudes aus.
Nach ein paar Telephonaten steht der Deal: ich überweise dem Vermieter privat die Mehrwertsteuer (auf Büroräume muss man Steuern zahlen) und bekomme dafür einen Schrieb dass ich die Wohnung als Firmenadresse nutzen darf.
Ja, das wird das Immigrationsamt bestimmt akzeptieren - aber Shared Offices nicht. Selbst die ungeschriebenen Regeln sind noch saublöd.
Aber naja, ich muss die Firma ja eh von GmbH nach AG umgründen um Investitionen annehmen zu können. Da kommt der Adresswechsel gratis.


Als ich in Deutschland mit dem Studieren angefangen habe hieß dass erstmal nur: in der Schlange stehen und Papiere jonglieren. Außer den Einschreibungs-Formalitäten war da nicht viel zeremonielles außer "da ist dein Studienbuch NÄCHSTER!".

Als ich meinen Master in Japan angefangen habe, durfte ich Zeuge einer ganz anderen Universitätskultur werden.
Es wurde eine große Show gemacht. Ein traditionelles Japanisches Theaterstück wurde aufgeführt. Der Präsident gab eine Rede. Der Bürgermeister war da. Alle sind wir aufgestanden und haben der Nationalhymne gelauscht. Und dann der Hymne der Universität (ja, die hat ihren eigenen Song).

Als ich den Master abgeschlossen habe und den Doktor angefangen habe, habe ich den Fehler gemacht, das zum Halbjahr zu machen (wenn man's halt auch so eilig hat fertig zu werden...). Also fiel die Feier deutlich kleiner aus. Immerhin kam der Präsident und Überreichte mir meine Urkunde. Das Konsortium aus Professoren verneigte sich tief und ich verneigte mich tief, guckte ein paar Sekunden auf den Streifen Klebeband unter meinen Füßen mit dem man uns geleitet hat wo wir uns verneigen sollten.

Als ich meinen Doktor fertig hatte war sogar ein Viertel-Jahr. Naja, vielleicht schickt mir der Präsident wenigstens eine Email...
Tut er nicht. Der Bär schickt mir eine Email. Zur Wiederholung: der Bär ist die große große Firma die meinen Erfolg oder Untergang bedeuten kann. Diesmal sieht's mehr nach "Erfolg" aus: ich werde nach Tokyo eingeladen. Man will mich da ein paar Leuten vorstellen. Selbstverständlich gehe ich nach Tokyo! Wann denn? Am Tag meiner Abschlußfeier.
...
-naja, der Bürgermeister wäre ja eh nicht gekommen.
Und so sitze ich in einem Restaurant in Tokyo und werde gefragte: "sagen Sie mal, wann sind Sie eigentlich mit dem Studium fertig?". Ich schaue auf die Uhr. "Ungefähr gerade jetzt".



Zu meinem Stipendium habe ich einen Rückflug spendiert bekommen. Im Februar habe ich bei einem Pitch-Contest einen Rückflug gewonnen. Ob "aus Japan zurück" oder "nach Japan zurück" stand nicht dabei. Ich könnte natürlich beide Flüge sausen lassen, aber ich war schon seit über 5 Jahren nicht mehr im Sommer in Deutschland. Hole mir erst mal einen harten JetLag: fühlt sich an als ob es 9 Uhr Abends ist, kann aber nicht sein - es ist noch Taghell draußen. Blick auf die Uhr: es ist 9 Uhr Abends. Ist nur noch hell draußen. Verrückt, dieses Deutschland.

Als nächstes hole ich so viel wie möglich aus meinem Besuch raus. Ich besuche die örtliche Niederlassung des Bären und zeige mein Produkt. Kommt gut an.
Als nächstes hole ich mir Feedback und Tipps von einem alten Bekannten, der ziemlich genau in der Zielgruppe meiner Software sitzt. Er will Sushi essen gehen. All-you-can-eat.
Als nächstes hole ich Zeit mit der Familie nach. Die will Zuhause Sushi kochen. Wir machen versehentlich natürlich viel zu viel.
Ich hole mir einen Sushi-Schock, dann stelle ich fest dass das das erste Sushi war das ich dieses Jahr gegessen habe (war immer zu wenig Zeit und Geld). Okay, jetzt reicht's mir auch für den Rest des Jahres. Hat sich mein Deutschland-Urlaub schon gelohnt. Jetzt erstmal in den Biergarten.