Freitag, 30. November 2018

Boss (11)

Was Leute dazu bringt in Start-Ups investieren ist mir immer noch nicht klar. Aber zumindest haben wir ja jetzt jemanden, nachdem uns A██s Berater-Team ja zuvor wieder rausgeschmissen hat.
A██ selbst hat nichtmal die Entscheidung getroffen. Seine Motivation scheint weniger die Geldanlage zu sein, als der Versuch Japan in ein Start-Up-Land zu verwandeln. Da hat er einiges vor sich, und gibt dazu auch vor allem Vorträgen und Coachings (also Beratung von angehenden Unternehmern).
Als er gerade mal wieder in Osaka ist, bekomme ich auch mal wieder die Chance mit ihm zu reden.
Er erklärt seine Verwunderung über die Entscheidung seiner Handlanger, zumal die stattdessen in ein anderes Venture investiert haben das er für weniger potent empfindet.
Aber was solls, jetzt habe ich ja einen Investor, und vielleicht kann er wenigstens ein paar Tips geben.
Also hört er sich an was in letzter Zeit so passiert und schaut sich auch das Produkt zum ersten mal selbst an.
Dafür dass er meinen Pitch schon zig mal gehört hat scheint er nun endlich zu verstehen was wir eigentlich machen (ich scheine wirklich miserabel im Erklären zu sein).
Er nennt ein paar Ideen wo das bestimmt auch ein hilfreiches Tool sein könnte. Wird dankbar notiert.
"Und wieviel wolltet ihr dafür nochmal?"
Er meint den Betrag den wir von Investoren wollten.
"Hunderttausend, für 10% Anteil"
Es sind seine Zahlen die er vor Monaten vorgeschlagen hat, nicht meine.
Er streckt mir die Hand entgegen.
Aus bloßem Reflex (!) erwidere ich die Geste.
"Done!" grinst er mich an.
Sein Händedruck ist fest und... MOMENT MAL?!?!?!
Er packt seine Sachen und macht sich ans gehen.
Habe ich eben Hunderttausend in die Hand gedrückt bekommen?
Ich habe eben Hunderttausend in die Hand gedrückt bekommen.




Jetzt müssen sich seine Handlanger wieder mit mir Beschäftigen, was ein bißchen peinlich ist.
Mir wird erstmal erklärt dass ich meine Firma um-gründen muss.
Aus einer "GK" (Japanisches Äquivalent zur GmbH) kann man keine Aktien ausgeben.
Also muss aus der "GK" eine "KK" (Aktiengesellschaft) werden.
Ich kontaktiere meinen Anwalt.
Damit ist das auf den Weg gebracht und ich kann mich auf die Entwicklung konzentrieren.
Oh, und auf meinen Doktortitel. Da war ja noch was.
Ich fetze schnell einen ersten Entwurf zusammen und schicke ihn an meine Professoren.
Es ist nie gut wenn der erste Entwurf perfekt ist. Professoren müssen IMMER irgendwas kritisieren.
Besser sie kritisieren etwas dass man eh noch ändern wollte, als eine fertige Arbeit nochmal umschreiben zu müssen.
Doch die Kritik bleibt aus.
Das ist erstmals nicht schlecht - so bleibt mehr Zeit zum Arbeiten.
Aber der Abgabetermin rückt langsam näher.
Haben die überhaupt gelesen was ich geschickt habe?

Ein paar Wochen vor der Deadline schicke ich dann eine "finale" Version. "Zwinker zwinker"!
Keinen Tag zu früh. "Final" ist ein Wort das Professoren hassen.  Der Professor entscheidet was "final" ist, und solange auch noch nur eine Minute vor der Abgabe Zeit ist muss da noch was verbessert werden.
Also ackere ich durch meine To-Do-Liste.
Mittlerweile habe ich es im Studentenwohnheim nicht mehr ausgehalten und bin nach Osaka gezogen. Das macht jedes Meeting extrem umständlich. Aber ich tippe einfach die geforderten Veränderungen im Zug zur Uni... und dann wieder die neuen Verbesserungswünsche im Zug weg von der Uni.
Ein letztes Mal noch die kleine Weltreise: Abgabe! Mann bin ich froh das Ding im Kasten zu haben.




Oh, vom Anwalt habe ich schon lange nichts mehr gehört.
Mal nachfragen.
"Achso, dass, aeh, ja, richtig, da mache ich mich bald dran".
ER HAT NOCH NICHTMAL ANGEFANGEN?!
Jetzt stecke ich richtig im Schlamassel. Bis zu meinem Abschluß ist nicht mehr genug Zeit den Papierkram zu machen.
Ohne KK kein Investment.
Ohne Investment kein Visum.
Ohne Visum kann ich die Firma in Japan nicht weiterführen.
Ohne Firma in Japan kein Investment, ohne Ersparnisse auch keine neue Firma mehr.
Aus der Traum.
...
Naja, so kann ich ja den kleinen Rest Firmengeld in Japan noch verprassen bevor ich abgeschoben werde - so habe ich wenigstens noch etwas von meiner Zeit hier gehabt. Muss einiges an Freizeit nachholen.
Bis wann habe ich denn noch auf dem Visum?
Drei Monate?
Achja, ich habe ja den "Vorgezogener Abschluss" Joker gezogen: nicht nur dass ich ein halbes Jahr zu schnell mit dem Master fertig war, ich wollte auch drei Monate schneller mit dem PhD fertig sein.
Ich kriege sogar einen Rueckflug nach Deutschland spendiert - den aber jetzt (zum Abschluss) und nicht erst in drei Monaten.
Mhmm... da kommt mir so eine Idee...
Dann... dann hätte ich ja noch drei Monate... um das Investment an Land zu ziehen...
Mit Studenten-Visum ohne Studium zurück ins Land schleichen, als Vollzeit-Geschäftsführer die Firma leiten ohne Vollzeit-Arbeitserlaubnis, schnell das Geld einsacken, dann Visum ändern bevor jemand was merkt.
Riskant... sehr riskant...
Google: Flüge, Deutschland → Japan