Mittwoch, 31. Oktober 2018

Boss (10)

Natürlich würde dass nicht so einfach werden das Geld zu kriegen.
Unsere frischgebackene Investorin scheint dann doch zögerlicher.
Das ist schlecht denn die Verkaufszahlen wachsen deutlich langsamer als gehofft. So machen wir keinen guten Eindruck.
Sie schlägt vor dass wir uns mal für öffentliche Gelder bewerben - sie kennt da so ein Subventionsprogramm der Stadt Osaka. Eigentlich ist mir das gar nicht recht dass ich jetzt auch noch Staatliche Hilfeleistungen in Anspruch nehmen soll, aber nein sagen ist gerade schwierig. Und, hey, die großen Konzerne kriegen auch Subventionen und Steuererleichterungen.


Das Problem ist nur dass der Bewerbungsprozess 100% auf Japanisch und extrem kompliziert ist.
Nein, das ist noch nicht dass Problem - wir haben ja jetzt einen Buchhalter der sich mit solchen Dingen auskennt en sollte. Das Problem ist der Buchhalter.
Der verhält sich in letzter Zeit verdächtig. Scheint mich überreden zu wollen dass ich einen Kredit aufnehme.
Das habe ich immer abgelehnt. Wenn ich alles verliere was ich besitze, dann ist das Okay. Dann fange ich halt wieder bei Null an. Bei einer schwarzen Null. Aber Schulden machen? Nein. "Gar nichts" sollte immer die untere Grenze meines Reichtums sein.
"Aber Geld von Investoren anzunehmen ist doch auch eine Art von Schulden aufnehmen", schreibt er mir im Team-Chat.
"Nein, dass ist dann ja Eigenkapital der Firma", schreibe ich zurück.

"Eigenkapital sind auch Fremdkapital (also Schulden)"
Was? Also so viel verstehe dann sogar ich über Geschäftsfinanzen, dass ich weiss dass das nicht stimmen kann.
"Und wenn du Investoren Aktien gibts, dann würde das Geld ja als Schenkung an dich gewertet und hoch besteuert!"
Moment! Wenn Investoren investieren, dann ist das Geld Eigentum der Firma und nicht mein privates Vermögen. Dafür werden Aktien ja extra ausgegeben.
Das sieht er anders.
Also entweder hat er keine Ahnung, oder er lügt mich an um mich dazu zu überreden einen Kredit aufzunehmen. Beides ist unakzeptabel.


Das wars. Aus. Ist vorbei. Ich kann der einzigen Person die versteht wie der Papierkram funktioniert nicht vertrauen. Und wer weiss was der sonst noch alles für Leichen in unserer Buchführung vergraben hat.
Ich stehe vom Rechner auf und lege mich auf mein Bett.
Es ist aus. Ich kann das nicht weiter machen.
Ein schöner Frühlingstag. Mitte Mai. Warm und sonnig.
Vorbei. Es ist vorbei.
Die Wolken aus Blei stürzen aus dem Himmel und geben den Blick frei auf den Horizont.
Es ist vorbei - und ich habe noch ein paar Monate Zeit in Japan!
Ich kann reisen! Ich kann ausgehen! Ich kann faul sein (abgesehen von der Doktorarbeit)!
Versagen hat sich noch nie so gut angefühlt.
Ich hab's vergeigt. Gottseidank!

Gleich am nächsten Tag treffe ich unsere Möchtegern-Investorin. Nachdem sie sich schon so geziert hat mir ihr Geld anzuvertrauen ist sie bestimmt froh zu hören, dass ich es gar nicht mehr will.
Dachte ich - so sieht sie aber gar nicht aus.
Vielleicht stelle ich mich auch nicht gut genug an die Aussichtslosigkeit der Lage zu schildern.
Sie fragt was ich machen werde.
Heim gehen, Arbeit suchen.
Und mein Traum mein Projekt weiter zu treiben und meine eigene Firma zu Leiten?
Ich kanns ja später nochmal probieren.
Später? Nachdem ich jetzt schon Unterstützer und Investoren gefunden habe? So weit wie jetzt komme ich so schnell nicht wieder.
Da hat sie recht.
Warum dann jetzt aufgeben?
Weil ich auf die Null zugehe - finanziell und nervlich. Ich werde mir nicht den Rest meines Lebens ruinieren für eine fixe Idee.
Dass sieht sie ein. Aber die Null ist ja ein ein Stückchen entfernt.
Ja, aber...
...
"Na, dann gehen Sie erstmal zu einem Tempel und meditieren - das reinigt den Kopf. Und in der Zwischenzeit arbeiten wir mal weiter darauf hin Subvention und Investment auf den Weg zu bringen".
...
Hat mich die Frau gerade wieder dazu überredet ihr Geld zu nehmen?