Samstag, 29. September 2018

Boss (9)

Also Team-Mitglieder suchen. An der eigenen Uni? Das ist vorher schonmal schlecht ausgegangen. Bei Start-Up Treffen? War auch nix: Begeisterung ja, Durchhaltevermögen nein.
Aber hey, dafür gibt's ja das Internet! Start-up-Mitglieder- Partnerbörse!
Ich brauche einen Marketing-Typen der weiß wie man meine Software verkaufen kann!
Finde auch gleich einen der einen guten Eindruck macht. Der sitzt zwar in Tokyo, aber das ist kein Problem. Der "Bär" hat mich nämlich nach Tokyo eingeladen! Ich soll da einen Vortrag halten. So ein freundlicher Bär!
In einem Café treffe ich ihn (den Marketing-Jungen, nicht den Bären). Wir verstehen uns auf Anhieb. Willkommen an Bord! Ich muss dann auch weiter, den Bären glücklich machen.


Zweites Problem: ich brauche Geld!
Der Ideale Event um Investoren zu finden ist auch schon im Kalender: einmal im Jahr findet in Osaka ein großer Start-Up Event statt, mit Pitch-Contest. "Pitch", so nennt man wenn man versucht in möglichst kurzer Zeit seine Geschäftsidee reichen Investoren vorzustellen. Weil: die können es sich leisten eine Aufmerksamkeitsspanne wie ein 5-Jähriger zu haben.
Ich trete also an gegen Leute die eine echte Firma haben, so mit Angestellten und Gewinn.
Trotzdem gewinne ich den dritten Preis. Wahrscheinlich weil ich der einzige Bewerber aus Osaka bin. Der Lokalpatriotismus mach auch vor meinem kaukasischen Erscheinungsbild nicht halt. Ich gewinne: ein Flugticket nach überallhin. Solange es außerhalb Japans ist. Mir gefällt der Unterton nicht, dass ich das Ticket doch bitte verwenden möge um Japan zu verlassen.
Aber viel Zeit darüber zu grübeln habe ich eh nicht. Neben der Bühne stehen schon Leute Schlange die meine Bekanntschaft machen wollen. "Bekanntschaft" ist etwas übertrieben, sie wollen mal Visitenkarten austauschen, oft ohne konkreten Plan worüber wir je reden sollten. Banker mit einem vagen Gedanken von "wenn ihr mal euren Eintritt in den Aktienmarkt macht, da haben wir tolle Dienstleistungen". Krönender Abschluß ist eine Dame von D█████ - Schwerindustrie. Viel weiter kann man kaum daneben liegen. Echte Venture-Investoren sind nicht dabei. Dieses "in-Startups-investieren" ist in Japan irgendwie noch nicht so richtig angekommen.

Aber einen Kontakt habe ich ja noch: A██. (Alle anderen Investoren die ich kenne haben schon aufgehört auf meine E-Mails zu antworten). Natürlich ist er Amerikaner, wie sollte es auch sonst sein. Im Gespräch erzählt er, dass er gerade erst einen Erfolgreichen "Exit" hatte. So nennt man das wenn StartUps erfolgreich sind, von Mega-Konzernen aufgekauft werden und die Investoren dann reich sind. Also noch reicher. Und jetzt sucht er wieder nach neuen Start-Ups zum investieren. Da bin ich doch dabei! Er delegiert mich an seine Handlanger damit wir bald einen privaten Pitch machen können.



Der Handlanger erklärt mir kurz den Prozeß, und sagt mir dass ich auf jeden Fall einen Buchhalter brauche. Trifft sich gut, weil: es ist bald Zeit die Steuer zu machen. Meine Versuche selbst zu verstehen wie man in Japan auf Japanisch Unternehmenssteuern zu fertigen hat sind gescheitert.
Also wieder ins Internet. Da findet sich auch wieder gleich jemand. Scheint ein recht netter Kerl zu sein, und Dankbarerweise will er erstmal weder Geld noch Arbeitsvertrag weil er noch bei einer anderen Firma arbeitet.
Also auch das Abgehakt, und der Tag des Pitches ist da. Mein neuer Marketing Manager wird extra aus Tokyo eingeflogen, ein neuer high-end Laptop für eine Live-Demo gekauft. Wir sind bereit!

A███ selbst ist nicht da. Nur sein Investment-Team. Und davon zwei auch nur über Skype.
Wir erklären also was wir vorhaben und wie wir uns die Zukunft so vorstellen.
Danke, sie werden darüber beraten.
Bis zum Abend.
Dann kommt die Email: nee, also sie glauben nicht dass das was wird.
...Fuck.

Das heißt dass ich wohl aus Japan abgeschoben werde. Die Voraussetzung hier als Unternehmer ein Visum zu kriegen sind mindestens 50.000$ Stammkapital. Selbst wenn ich all meine Ersparnisse zusammenkratze packe ich das nicht. Soll ich die Firma auflösen und woanders neu gründen?
Als letzten Strohhalm nochmal alle Kontakte abgeklappert. Sogar die Dame von D████ Schwerindustrie. Die ist immerhin bereit mal mit uns Essen zu gehen. Ich habe kein Geld und keine Zeit mit Damen aus der Schwerindustrie zu dinieren. Aber ich gehe trotzdem. Und, es gibt.. Smalltalk, ... yay! Ich will nur noch Heim.
Sie erzählt von ihrer Arbeit. Ich gebe mein bestes der Unterhaltung (natürlich Japanisch) zu folgen, aber als sie kurz auf Toilette ist muss ich doch kurz den Buchhalter fragen.
"Hat sie gesagt dass sie die "Yome" des Geschäftsführers ist?"
"Ja, genau."
"... heißt "yome" nicht eigentlich Braut oder Ehefrau?"
"Ja, dass ist es was sie meinte."
... ist das jetzt gut dass sie so nah an dem hohen Tier dran ist oder schlecht dass sie selbst in der Firma wohl nicht die Karriereleiter geklettert ist?
Sie kommt zurück und irgendwann kommt das Gespräch dann doch auf die Firma und meine Situation. Dass ich nicht das Geld habe auch nur in Japan zu bleiben.
"Na das kriegen wir schon hin." sagt sie.
Ich bin da nicht so positiv das "wir" irgendwas hinkriegen.
"Viel zu sagen habe ich in der Firma ja nicht, aber was ich kann das kann ich!" sagt sie.
Ja toll, kann's kaum erwarten dass sie in einem Schwerindustrie-Konzern Werbung für mich macht.
Der Buchhalter merkt dass ich auf dem Japanischen Schlauch stehe.
"Sie meint, dass das sie dir notfalls selbst das Geld gibt damit du in Japan bleiben und die Firma weiter betreiben kannst."
Was? Ich schaue sie ungläubig an.
"Ja", sagt sie, als sie dann auch merkt dass man bei mir etwas deutlicher werden muß.
... was...?
... wie...?
... warum...?
Aber hey, Fragen machen nur den Moment kaputt! Da trinken wir lieber noch einen! Kampai!