Freitag, 29. Juni 2018

Boss (6)

Keine echte Firma ohne echten Papierkrieg. Die dicken Umschläge mit den vielen Registrierungsformularen lassen nicht lange auf sich warten.
Ich habe keine Ahnung was ich da tue. Nicht nur ist mir der Vorgang komplett unbekannt, die beiliegenden Erklärungsbücher (ja: Bücher!) sind in schönstem Beamten-Japanisch.
Gottseidank bin ich in ein Shared-Office gegangen und kann Leute fragen die das schonmal gemacht haben.
Irgendwie kriege ich die Dinger ausgefüllt und abgeschickt. Ich sehe mich schon in Handschellen für irgendwelche versehentlichen Betrügereien.
Dauert auch nicht lange bevor ein wütender Schrieb von der Steuerbehörde kommt.
Steuern? Ist doch noch gar nicht März? Und "Vom Gehalt abzuführende Einkommensteuer"? Für welche Angestellten?
Ich entscheide einfach mal aufs Steueramt zu fahren.
Ich halte das fuer die dümmste Idee die ich je hatte. Als würde sich da jemand vom Amt mit mir hinsetzen und mir das erklären.
Zu meiner Überraschung setzt sich jemand vom Amt mit mir hin und erklärt mir das:
Ich muß jeden Monat angeben wieviel Gehalt ich meinen Angestellten gezahlt habe und das sofort abführen.
Aber ich habe keine Angestellten.
Für mich als Geschäftsführer gilt dasselbe.
Aber ich zahle mir selbst kein Gehalt.
Dann schreibt man da 0 Yen rein. Das macht dann 0 Yen Steuern, zu zahlen per Banküberweisung oder an der Kasse.
Steve Jobs hat ja bekannterweise für einen Dollar Gehalt gearbeitet. Wieviel Cent Steuern das wohl waren?
Also habe ich ein neues Hobby: jeden Monat gehe ich zum Steueramt, mache ein paar Kringel auf Papier, zahle nix, gehe wieder.
Hoffentlich werde ich mir bald mal echtes Geld zahlen, und bis dahin lernen wie man den Steuersatz berechnet.

In diesem Photo: die Firmenzentralen von etwa zehn verschiedenen Firmen (genaue Zahl unbekannt).


Aber dafür muß ich erst ein Firmenkonto auf der Bank eröffnen, damit da bald das Geld herein prasseln kann!
Also zu Mitsubishi gehatscht. Ja, Mitsubishi ist hier auch eine Bank - vielleicht sogar die größte.
Ich lege der Dame meine Gesammelten Unterlagen auf den Tresen und lächle.
Sie beäugt mich skeptisch. Firmenkonto? Ja, Firmenkonto, bitte.
Sie beäugt meine Ausländer-Registrierung. Student? Ja, Student, leider. Aber ich darf arbeiten - steht auf der Rückseite! 28 Stunden die Woche.
Einen Moment bitte. Sie verschwindet kurz, kommt wieder. Da kann sie mir leider nicht helfen. Studenten können kein Firmenkonto eröffnen.
Aber... ich habe eine Firma! Schauen sie mal! Papiere! Firma!
Ahh, soso. Sie tut so als würde sie irgendwas recherchieren. Ja, tut ihr Leid, da kann sie nichts machen.
Ich packe meinen Papierwust wieder in mein Köfferchen und wanke zurück ins Büro.
Dort merken die Leute dass das wohl nicht so gelaufen ist wie geplant.
Ich klage mein Leid.
"In letzter Zeit sind Banken sehr vorsichtig geworden Firmenkonten heraus zu geben - selbst gegenüber Japanern." Da gab es scheinbar ein paar Mißbrauchsfälle.
Also was tun?
"Einfach bei 'ner anderen Bank probieren. So lange bis eine Ja sagt".
Die zweite Bank sagt auch Nein.
Die dritte Bank sagt auch Nein.
Mir fällt ein, dass ich mich statt mit meiner Ausländer-Registrierungs-Karte auch mir meinem Führerschein ausweisen könnte. Da steht mein Visums-Status nicht drauf!
Die vierte Bank sagt trotzdem Nein. Keine Erklärung warum.
Die fünfte Bank sagt Ja. Keine Erklärung warum.

In diesem Photo: vier CEO's - die Anderen sind damit schon lange nicht mehr zu beeindrucken.

So lange sich das hinzieht liegt die Beta-Version meiner Software also noch für kostenlos auf meinem Server rum - mittlerweile geht die Zahl der Downloads gegen 1000.
Nicht schlecht für Nischen-Software (2016 hat noch kaum jemand eine VR Brille) die ich nirgendwo aktiv bewerbe.
Einer der tausend kontaktiert mich schließlich, beeindruckt von meiner Arbeit.
Er will mich anheuern, also als externen Entwickler haben. Und ich dachte immer Amerikanische Jobs wandern nach Indien oder China, nicht nach Japan.
Aber ich finde das gut. So kann ich schonmal ein Netzwerk aufbauen und etwas Industrieerfahrung sammeln. Also sage ich zu.
Das Problem: ich muß für mein Studium an einer Konferenz in Mexiko teilnehmen. Aber hey, dann bin ich ja fast in der gleichen Zeitzone wie mein neuer Klient! So wandert der Amerikanische Job also nach Mexiko - da habe ich Trump bei seinem Wahlkampf ja gut in die Karten gespielt.
Also sitze ich abends in einem Hotel in Merida und Skypophoniere mit Seattle.
Der Auftrag ist klar und mein Stolz als Deutscher (Software-)Ingenieur steht auf dem Spiel. Und 200 Dollar.
Also wird zwischen den Vorträgen der Konferenz immer wieder der Laptop ausgepackt. Catering ist ja auch da. Zwischen Kaffee und belegten Häppchen und Forschern die über ihren Emails und PowerPoint Slides brüten falle ich gar nicht auf.
Ergebnis: vier Tage Schnitten mampfen, einen Tagesausflug zu Maya Pyramiden, nichts gelernt. (Zumindest nichts akademisches).
Oh, und 200 Dollar. Ich buche daß als das erste Einkommen meiner Firma. Für "Beratertätigkeiten". Mein erster Profit. Nicht Gehalt, Profit.
...wow!
Wo war ich? Achja: mit meiner eigenen Software schnell reich werden!
Zurück nach Japan.

In diesem Photo: vier Forscher, zwei Angestellte bei einem Großkonzern, ein CEO