Montag, 28. Mai 2018

Boss (5)

In der Start-Up Welt gibt es eigentlich nur zwei mögliche Ergebnisse für neue Firmen und ihre neuen Produkte:
(A) niemand will das - irgendsowas entfernt vergleichbares gibt's schon, und das was daran neu ist wird niemand je benutzen wollen.
(B) das ist so offensichtlich der nächste logische Schritt, dass Tech-Giganten wie Google das selber machen. Gegen deren Milliarden-Budgets kommst du nicht an.
Beides wird einem so oft ins Gesicht geworfen dass man irgendwann beides gleichzeitig glaubt. (Double-Think.)
Warum gebe ich nicht einfach auf?
Weil ich gesagt habe, dass ich es tun werde. Jedem habe ich es gesagt. Vor allem mir selbst habe ich es gesagt.
Nicht irgendwann mal sagen zu müssen: "Ich hätte fast mal eine Firma gegründet!" ist mir schon das Geld Wert.
Also, bringen wir's hinter uns!

Der Anwalt:
Keine Ahnung wie man eine Firma gründet (also rechtlich jetzt). Dafür gibt es hier in Japan eine spezielle Form von Anwalt: Gyosei-Shoshi.
Keine Ahnung wo ich einen Gyosei-Shoshi finden soll. Ich frage mal das Deutsche Konsulat in Osaka ob sie Empfehlungen haben.
Email kommt prompt: Empfehlungen haben sie keine, aber sie haben mal schnell recherchiert und senden ein paar die einen guten Eindruck machen.
Gezeichnet: der Generalkonsul.
Man scheint reichlich Freizeit zu haben als Konsul. Vielleicht sollte ich meine Karriere überdenken.
Ich suche einen raus der gerade hinter den Bergen in Osaka arbeitet.
Eine knappe Stunde Fahrzeit durch eine enge gewundene Bergstraße.
Erste Beratung kostenlos.
Erste Erkenntnis: ich brauche eine Firmenadresse.



Das Bureau:
Es ist eher schwierig Bureauräume zu mieten - viel Geld habe ich nicht, dafür ein Studenten-Visum.
Auf einem Start-Up Event treffe ich Leute von Hankyu, einer großen Eisenbahngesellschaft. Die haben ein "Start-Up Office" aufgemacht und vermieten da Tische.
Lage ist super. Atmosphäre auch. Bin sofort dabei.
Die Andere Seite läßt sich Zeit. Zögert. Kann das Legal sein? Als Student ne Firma gründen?
Ich bettle ein bißchen und sende den Schrieb von meinem Anwalt der glaubt dass das Okay geht.
Schließlich lassen sie sich zu einem Meeting mit ihrem Anwalt breitschlagen, der glaubt dass ich das ganz bestimmt nicht darf.
Das muß ich irgendwie gemeistert kriegen - doch wie soll ich einen Japanischen Anwalt dazu überreden dass er vor allen Leuten seine Meinung ändert, weil ein Student und Ausländer das so will?
Ich breite mich vor, drucke meine gesammelten Schriebe aus, und bin extra-früh da.
Ihr Anwalt ist auch zu früh da.
Wir machen Small-Talk. Er mag Deutschen Fußball. Pluspunkt. Dann zum Punkt:
"Ich habe ja keine Ahnung davon, aber mein Anwalt hat mich da beraten und mir diese Unterlagen gegeben..."
Er schaut sich die ausgedruckten Email an. Hmm...
Die Leute von der Eisenbahn kommen schließlich und das Meeting beginnt.
Es ist ein kurzes Meeting.
Der Anwalt erläutert dass das Okay sein sollte, solange ich in der Woche nicht mehr als 28 Stunden  arbeite (28h/W ist die Obergrenze für's Studenten-Visum).
Also soll ich von jetzt an buchführen wann ich etwas für die Firma arbeite.
Gern!
Verbeugen, verbeugen, Stempel drauf.
Zurück zu meinem Anwalt.



Die Firma:
Da liegt es nun vor mir. Gesellschaftsvertrag. Dazu der Siegel-Stempel. "合同会社M█████" (GmbH).
Es ist echt und offiziell und wirklich eine Firma.
Meine erste (und vielleicht letzte?) Firma.
Ich wollte unbedingt ein Photo machen, vergesse es aber in der Aufregung.
Der Anwalt der wohl jeden Monat Hebamme für ein Dutzend Unternehmer spielt hat die Unterlagen gleich wieder verpackt um sie ans Amt zu schicken.
Ich fahre die enge Bergstraße zurück zu meiner Uni.
Ich habe eine Firma gegründet.
Ich habe eine echte Firma gegründet.
Ich bin Eigentümer und Geschäftsführer eine japanischen GmbH.
Ich bin ...
...
Egal wie lange man auf etwas hingearbeitet hat, wenn der Tag dann kommt fühlt man sich als ob man das gar nicht so ernst gemeint hätte.
Als ob das nur so eine fixe Idee war, mit der jeder mal spielt aber die niemand wirklich umsetzt.
Aber ich werde ewig sagen können: ich hab's wirklich getan!
Ob für ein Jahr oder einen Tag, die Firma hat existiert! Schwarz auf Weiß!
Wofür sonst hätte ich das Geld auch ausgeben wollen?