Mittwoch, 31. Januar 2018

Boss (1)

Ich habe einen kleinen Aktenkoffer. Voller Geld. Deswegen habe ich ihn auch mit Handschellen am Arm festgekettet. Dazu wachsen mir kleine Hörner aus dem Schädel.
Es ist Halloween 2013, und ich versuche ich als Teufel auf Seelen-Kauftour. (Oder Banker. 2013 kann man beide Begriffe synonym verwenden.) Den Japanern ist nicht wirklich klar was das Böse und Geld miteinander zu tun haben - ist wohl einer dieser kulturellen Unterschiede. Doch davon lasse ich mir den Abend auf den Straßen von Osaka nicht verderben.


Es wird spät.
Es wird feucht.
Es passiert so allerhand.
Irgendwann wache ich auf.

Ich bin irre sauer.
Ich koche vor Wut.
Ich schreibe einem Freund eine lange haßerfüllte SMS darüber was alles falsch ist mit dieser Welt. Dann gehe ich Heim.

Langsam beruhige ich mich und frage mich, warum ich überhaupt so wütend war.
Es ist nichts schlimmes passiert. Eigentlich ist sogar recht viel Gutes.
Und überhaupt, noch zwei Jahre zuvor wäre ich überglücklich gewesen überhaupt in Japan sein zu können und dort Halloween zu feiern.
Warum also?
Weil es einfach nicht genug war.
Es ist nie genug.
Es ist nicht die Gier nach immer mehr, sondern weil mein Leben ein Ablaufdatum hat: Regelstudienzeit.
Ich habe nur noch ein weiteres Jahr. Da kann man gar nicht genug erleben. Und dann?
Ich habe keinen Plan, was ich danach machen soll. Das hatte ich schonmal. Damals habe mir ein Diploma in die Hand drücken lassen und bin Heim gegangen; habe mir einen Job gesucht; und zum ersten mal seit dem Abitur wieder darüber nachgedacht, dass das Leben nicht so lebenswert ist dass man sich das unbedingt bis zum Ende anschauen muss. Dass das echte Leben jetzt vorbei ist, und ich jetzt nur noch den Rest absitzen muss. Der Teil in dem nichts mehr passiert.
Nicht das die Arbeit schlecht gewesen wäre. Hab halt Computerprogramme geschrieben. Nicht weil ich wollte, sondern weil ich konnte. Ich kann sonst nichts und sonst kann's keiner. Solche Leute nennen wir "Code Monkey". Programmier-aeffchen schreibt fleissig Code für Boss. Boss trotzdem sauer weil... weiß nicht. Also schreibt Code Monkey mehr Code. Wochenende. Montag. Code Monkey write happy code. Code no good. Boss happy. Code Monkey sad. Dienstag. Code hilft dabei Filme zu machen. Code Monkey mag die Filme nicht sehen, die Code macht. Mittwoch. Wüsste auch gar nicht mit wem ich gehen sollte. Wenn Code Monkey nicht vor dem Computer sitzt, dann sitzt Code Monkey vor dem Computer. Donnerstag. Anderen Leuten scheint das nichts auszumachen dass sie nichts Neues erleben, niemand neues kennenlernen, keine Herausforderungen im Leben haben. Freitag. Sie wollen nichmal mich kennen lernen. Kennen schon genug. Wochenende. Nichts passiert. Montag...




Noch einmal habe ich mich ins Student-sein zurück gerettet. Aber für wie lang? Der Druck die Zeit bestmöglich zu genießen wird so groß, dass ich die Zeit nicht mehr genießen kann.
Es bleibt der einzig logische Ausweg:
Ich schaffe die Deadline ab!
Ich gehe einfach nie mehr zurück in das Leben des kleinen Code-Monkey.

Ich beschließe drei Vorsätze:
1: Ich werde endlich lernen meine Gehirn und meine Emotionen unter Kontrolle zu bringen, positiver sein, dankbar für alles was ich habe und erlebe.
2: █████ ████████, ███████ ████ ████.
3: Ich werde meine eigene Firma gründen.
Ja, ich nehme mein Leben selbst in die Hand.
Werde mein eigener Boss.
Gestalte mein Leben wie's mir gefällt.

Und um mich immer daran zu erinnern, schreibe ich meinem Freund gleich nochmal.
Und dann allen Freunden auf Facebook.

So beginnt die lange Reise zu einem neuen Ich...