Sonntag, 20. Dezember 2015

Schwerer Ausnahmefehler

Was folgt sind die Aufzeichnungen, wie ein kleiner Fehler meinen Ausflug nach New York kurz vor Schluss noch mal so richtig.... aber lesen sie selbst.

November:
Für die Forschung braucht man ja Versuchs-Kaninchen. Normalerweise verwendet man dafür Informatik-Studenten. Die sind billig, willig und in großen Stückzahlen vorhanden. (Außerdem beschweren sich Tierschützer wenn man echte Kaninchen verwendet.)
In meinem Fall aber forsche ich an Software für 3D Design, also sind meine Kaninchen Künstler die 3D Software verwenden. Leider hat sich immer wieder herausgestellt, dass solche Leute schwer zu kriegen sind. Schließlich arbeiten sie, und zwar nicht zu knapp, und wenn sie nicht gerade arbeiten, dann haben sie auch was besseres vor. Vor allem etwas besseres als in Nara zu wohnen.
Daran krankte es dann auch mit meinen Publikationen: ich habe einfach keine Nutzer-Daten die ich veröffentlichen könnte. In einem knappen halben Jahr konnte ich nur genau zwei Leute auftreiben.

Schließlich haben wir aber einen Kontakt zu einer Kunsthochschule in Kyoto herstellen, und einige Studenten und Lehrer begeistern können. Es ist schwer zu beschreiben wie ich mich freuen kann über 9 Personen, die gute 1.5 Auto-Stunden von mir entfernt sind. Sagen wir's so: keine Leute = keine Veröffentlichung = kein PhD + mögliche Probleme mit dem Stipendium. Kapiert?

Ich stand also während meiner Zeit in New York in engem Kontakt mit dieser Hochschule, um in der kurzen Zeit zwischen meiner Rückkehr nach Japan und den Weihnachtsferien alles über die Bühne zu kriegen. Mir würde genau ein Tag bleiben um dort alles vorzubereiten. Na, das sollte sich schon ausgehen.

 

Freitag:
Mein letzter Tag an der Columbia-Uni in New York. Dafür habe ich mir etwas besonderes Aufgehoben: in dem kleinen Deli wo ich mir immer meinen Kaffee hole haben sie eine Auslage voller köstlich aussehender Muffins und anderer Amerikanischer Gebäckwaren.
Bisher habe ich mir das immer verkniffen, und gesagt: ein anderes mal. Also heute letzte Chance!
Ich stelle fest, dass ich gar kein Geld mehr im Geldbeutel habe, aber dafür gibt's ja hier überall Geldautomaten.
Der nimmt meine Visa-Karte nicht. Noch ein Versuch. Klappt nicht. Direkt Zahlen mit der Karte funktioniert auch nicht. Ich verlasse den Laden ohne Muffin. Ohne Kaffee. Dafür mit milder Panik.

Stellt sich heraus: meine Prepaid-Kreditkarte ist einfach leer. Ich hatte die Ausgaben für Geschenke usw. einfach unterschätzt. Ich kann sie einfach wieder per Überweisung aufladen, aber in Deutschland ist jetzt schon nach Geschäftsschluss, und bis Montag passiert da gar nix.

Abends besucht mich nochmal ein Freund und wir machen einen Deal: ich zahle für die UBahn (auf meiner UBahn-Karte ist noch etwas übrig), er für das Bier. Wir haben einen netten letzten Abend in Downtown Manhatten. Dabei stelle ich fest, dass mein Handy keine Verbindung mehr kriegt. Ach ja, klar: war ein 1-Monats-Vertrag. Der ist jetzt natürlich genau aus. Kein Problem, brauch ich ja nicht mehr.



Samstag:
Alles war schon gepackt, damit ich Morgens einfach nur noch raus-maschieren muss. Das Geld auf der UBahn-Karte reicht noch um zum Flughafen zu kommen. Also brauche ich jetzt auch kein Geld mehr. Ich komme gut durch und pünktlich am Flughafen an. Also hat doch alles geklappt (bis auf den Muffin). Ende der Geschichte.

Irgendwas stimmt nicht.
Mein Flug hat Verspätung.
Außerdem hat er die falsche Nummer.
Ich gucke nochmal auf meinen Plan. Airport: New York, steht da. Gar nicht "JFK".
Der einzige andere Flughafen in New York ist LaGuardia, und der ist nur national.
Airport: New York, Newark, steht da.
Plötzlicher Druckabfall in meinem Kopf! Wo ist die Sauerstoff-Maske?
Der Rückflug geht von einem anderen Flughafen... in New Jersey...
Ich habe kein Geld, meine Kreditkarte ist gesperrt, meine UBahn-Karte ist leer, mein Handy-Vertrag abgelaufen, mein US-Visum läuft heute Nacht aus und wenn ich übermorgen nicht in Japan bin stecke ich ganz tief im Dreck.

Ruhig bleiben, die Leute am Schalter fragen. Der Flieger der von hier aus geht ist wohl schon voll, außer ich kaufe ein Business-Class ticket. Außerdem reicht die Zeit in Peking zum umsteigen nicht. Ich müsste also den Anschlussflug umbuchen... ist alles etwas schwierig wenn man für nichts bezahlen kann.

Das WLAN am JFK ist auch nicht kostenlos. Für eine halbe Stunde kann man die langsamste Option kostenlos antesten. Ich versuche meine Familie auf Skype anzurufen, aber die Verbindung ist so schlecht, dass kein einziges Wort durchkommt. Schließlich kommt mir die Idee einfach meine Handy-Nummer als Textnachricht zu schicken: vielleicht kann ich ja immer noch angerufen werden.
Bange Minuten in denen das Handy nicht klingelt. Kam die Nachricht nicht an? Kommen sie nicht durch? Endlich vibriert das Drecksding!

Ich erkläre (mit dezent aufgelöster Stimme) die Situation. Nach kurzem Kriegsrat was wir jetzt am besten machen können sie mir online einen anderen Flug buchen, sogar noch am selben Tag. Ich bin gerettet...
Und so beginnen 12 Stunden Wartezeit am Flughafen, mit schwerem Gepäck, ohne Geld und ohne Internet, dafür mit dem Gedanken, dass ich die 720 Euro für das Ticket baldmöglichst zurück zahlen sollte.