Mittwoch, 30. September 2015

Gehört sich so!

Ich stehe vor dem Getränke-Regal und überlege ob ich mir eine Dose meines Lieblings-Bieres kaufen soll. Der Supermarkt-Jingle im Hintergrund läuft unbeirrt weiter. Bla bla bla irgendwas von fröhlich sein bla bla, trink Alkohol, vergiß deine Sorgen bla bla, MOMENT MAL! Hab ich das gerade richtig gehört?! Ja, habe ich. Schockt mich auch schon gar nicht mehr. Als mir zum ersten Mal ein Japaner (zu allem Überfluß ein Mädchen von höchstens 24 Jahren) erzählte ihr Hobby sei "Alkohol", hab ich noch blöd geguckt. Aber seit dem haben das so viele Leute von sich selbst behauptet, inklusive Universitäts-Professoren.
Nicht daß das Alkoholiker wären. Das Problem ist vielmehr, daß es sich ein Deutschland einfach nicht gehört seinen Alkohol-Konsum als Hobby zu bezeichnen, oder zuzugeben daß man flüssigen Streßabbau betreibt. Klar, fast alle Leute trinken, aber doch nicht als Hobby! Manche werden Connaisseur einer bestimmten Alkohol-Sorte sein, und das Gesöff der Begierde sammeln wie Briefmarken: nur ab und zu dran lecken, zum testen und trainieren der Geschmacksnerven, nicht wegen des Effekts.
Da ist der soziale Druck einfach zu stark ein der Öffentlichkeit ein Bild gutes Bild abzugeben wie sich das gehört.


Natürlich gibst auch hier harte Regeln, was sozial angemessen ist und was nicht. Aber eben andere. Das ist schön, weil man so auch nach Jahren immer mal wieder ge-(Kultur)-schockt werden kann.Das erste mal wenn der etwas ältere Manager im schicken Anzug in der UBahn offen Comics liest, und zwar einen von diesen eher pornographischen Dingern. Scheint keinen zu stören und den Herrn auch nicht besonders zu genieren.
Das zweite mal dann wenn man die Regale voller homoerotischer Comics in den Geschäften findet. Und dann Frauen die die Dinger offen in der UBahn lesen.
Das dritte mal dann wenn einem (wiederholt) Mädchen erzählen, daß sie sich niemals die Bikini-Zone rasieren wundern, weil daß ja voll peinlich sei, wenn man ins Badehaus geht, zur heißen Quelle oder zum duschen nach dem Sport, und untenrum nichts wächst. Am Anfang hab ich noch gefragt was das die Leute denn angeht, und warum das schlimmer ist als auf dem Weg dahin fragwürdige Comics zu lesen. Hab ich aber schnell aufgegeben, weil ich ja auch nicht erklären kann warum das eine unangemessener finde als das andere, und was es mich überhaupt abgeht was die Leute so in der UBahn lesen.

 "Explosions-Kauf - Wie Sie an Chinesen verkaufen", titelt dieses dieses Buch sehr direkt. Hatte leider keine Zeit rein zu lesen um herauszufinden was den Chinesen so zum Kauf anregt, aber Rassenfragen recht direkt anzusprechen gehört hier zum guten Ton.

In öffentlichen Verkehrsmitteln hier gibt es sogenannte "Priority-Seats". Also Sitzplätze die für ältere Menschen, Behinderte, Schwangere und Eltern mit kleinen Kindern reserviert sind.
Vielleicht haben Sie auch in Deutschen Bussen schonmal Zeichen entdeckt, die einen
Ungeschriebene Übereinkunft ist natürlich daß, wenn gerade kein Behinderter da ist, jedermann den Sitz haben kann. Soweit gleich in beiden Ländern. Ungeschriebene Übereinkunft ist natürlich auch, daß man dem Behinderten wenn er denn kommt den eigenen Sitzplatz anbietet, egal wo. Naja, damit divergieren die Übereinkünfte dann: wenn es kein "Priority Seat" ist, geben Japaner für gewöhnlich ihren Sitzplatz nicht auf. Entsprechend überrascht waren dann auch alle Omis und Opis, als ich ihnen meinen Platz angeboten habe. Ich weiß bis heute nicht ob ich damit irgendwen beleidige (den Opa oder die anderen Fahrgäste). Ist mir aber auch egal. Assimilation hat Grenzen.

In diesem "Prioity Seat" scheint das ungeborene Kind bereits WLAN zu haben.

Sonntag, 13. September 2015

Spiel-Forscher

In letzter Zeit habe ich ja immer öfter das Gefühl, dass akademische Forschung nicht ganz ernst gemeint ist. Erst dachte ich: das bin nur ich der hier "Forscher" spielt, und sobald die das merken, werfen die mich raus. Aber so langsam zeigt sich dass ich nicht das einzige "Kind im Laborkittel, das nicht recht weiß was es da tut" bin.

Also habe ich mal bei den Spiele-Forschern vorbei geschaut (ist das jetzt ein Doppel-Negativ?). Also auf einer Konferenz für Computerspiele-Forschung. Und darüber gibt's jetzt mal Bla-bla und Bewegtbild.


Das wichtige zuerst: natürlich gab's Kaffee! Aber aus was für einem Automaten! Der zeigte einem im eingebauten Bildschirm live wie im inneren der Kaffee zubereitet wird:

(Auf anderen Einstellungen hätte man sogar den Brau-Vorgang sehen können, aber ich war zu arm knausrig und habe daher nur Instant-Kaffee getrunken).


Natürlich gabs auch Vorträge. Heißes Thema war Virtual Reality. Momentan arbeiten mehrere große Firmen daran VR-Brillen auf den Markt zu kriegen. Die Technik ist durchaus ausgereift, wie ich an den Demo-Ständen selbst testen konnte. Bleibt noch der Inhalt: Oculus setzt mich einen einen Raumjäger, und für 30 Sekunden fühle ich mich wie Luke Skywalker im X-Wing! Super! Dann fällt mir wieder ein wie dreckig schlecht ich in diesen Space-Fighting-Games bin und quäle mich durch 5 Minuten Duell mit einem feindlichen Jäger. Duell, oder sinnloses aneinander-vorbei-fliegen. Dann sterbe ich endlich und darf gehen.
Sony macht die Sache noch schlimmer: ihr Demo-Spiel ist... äh... sowas wie eine Dating-Simulation. Oder eher eine "schüchterner japanischer Nerd" Simulation, denn sagen kann man ja nix, dafür ist das Mädel meine Nachhilfe-Schülerin. Ich bringe also einem virtuellen Mädchen Japanisch bei. Was tue ich hier?! Wie gesagt: ich kann nicht reden, nur nicken (wenn sie was richtig macht), den Kopf schütteln (wenn sie was falsch macht) und Dinge angucken, wenn sie... ähh... also sie sitzt schon verdammt nah an mir neben mir, und rückt dann noch ein bisschen näher um mich in ihr Japanisches Textbuch gucken zu lassen. Ich habe keine Ahnung was da drin steht, ist mir aber auch egal. Dann lässt sie auch noch etwas fallen und bückt sich einmal quer über meinen Schoß ums wieder aufzuheben. Ich greife ihr an den, aber sie ist ja nicht echt und virtuelle Hände habe ich auch keine. Vielleicht erwartet Sony, dass Spieler ihre echten Hände derweil anderweitig verwenden. Und falls sie dass jetzt noch nicht ulkig genug fanden gibts das Sahnehäubchen: das Blickfeld des Spielers wurde auch auf einem 21-Zoll Bildschirm wiedergegeben, der von außerhalb des Saales komplett einsehbar war. Also: von der Warteschlange aus. Ja, da konnte man schonmal gucken, wo der Vorgänger so hinguckt, damit man da später selber hingucken kann.
Danke, Sony, da lass ich mich lieber wieder von Luke Skywalker abknallen.

Einer der VR-Vorträge. Die blauen Punke am unteren Bildrand sind der Spieler mit der Brille auf dem Gesicht.

Natürlich gabs auch ne Party. Und scheinbar gibts in Japan nur zwei Arten von Parties: die wo man erzwungenermaßen mit seinem Boss saufen muss, und die wo man um die Wette Visitenkarten austauschen muss. Mit wem ist egal, warum ist nicht wichtig, Hauptsache man kriegt seine Karten an den Mann oder die Frau. Nicht das man sich später erinnern könnte wer wer war, oder ob man überhaupt einen Grund hätte den anderen jemals zu kontaktieren. Ich fühle mich ein bisschen austauschbar. Aber hey, in Nachtclubs bin ich auch nicht sauer, wenn das Mädel meinen Namen vergisst. Andererseits ist das hier auch ne Nummer härter. Die könnten sich wenigstens für 10 Minuten mit mir unterhalten, nachdem sie mir ihr Papier-Kärtchen in die Hand gedrückt haben. Wenn Visitenkarten-Austauschen Sex wäre, wären hier alle nächste Woche beim Doktor...

Der Mann von der Tokyo Hochschule für Industriedesign sorge auf der Party für Stimmung.