Sonntag, 30. November 2014

Japanischer Marsch (Teil 1)

Die Geschichte ist eigentlich schon mehr als 3 Jahre alt.
Warum erzähle ich sie jetzt erst?
Zuerst fühlte ich mich damals nicht besonders wohl damit. Ehrlich gesagt war es mir lange unangenehm darüber zu reden. Irgendwann bekam ich dann etwas mehr Abstand dazu und konnte darüber lachen. Doch dann war's auch schon nicht mehr aktuell...
Aber irgendwann muss ich's dann doch erzählen. Und weil gerade sonst nichts passiert...

1.: Hintergrund
Ich war gerade erst ein, zwei Monate zum ersten mal in Japan. Dementsprechend lausig war meine Kenntnis von allem. Dementsprechend groß war meine Faszination über selbst die kleinsten Alltäglichkeiten. Alles was man am Straßenrand sehen konnte war interessant: diese kleinen Mini-Autos, die öffentlichen Parks, die in Kanäle gezähmten Flüsse...
Ich verbrachte meine Freizeit vor allem mit "Erkunden". Das heißt: ich ging einfach los und sah dann weiter wo ich wieder heraus kommen würde. Diese Touren wurden logischerweise immer länger und verrückter.

Dann stand plötzlich die "Golden Week" vor mir: ein 5-Tage-Wochenende. Was tut man mit so viel Freizeit?

Wenn man sich die Landkarte von Japan anschaut, fällt einem auf, dass das Land eher lang als breit ist. An manchen Stellen sogar ziemlich schmal. Und hier ist die vielleicht schmalste Stelle: von Osaka bis zur Küste an der anderen Seite sind es nur grob 100km.
Kurz Nachgerechnet... ja, kann ich in den 5 Tagen locker schaffen...

2.: Abmarsch
Ich beende die Arbeit im Labor etwas früher, gehe Heim und packe meinen großen Rucksack. Klamotten für 5 Tage, Handtücher, Regenschutz, Karte, Campinggeschirr, Kompass, Skizzenbuch, Kamera, ...
Irgendetwas bringt mich dazu sogar dazu meine Lederhose einzupacken. Heute weiß ich nicht mehr genau warum, nur dass das Ding reichlich schwer war.
Ich gehe zur Bus-Station und fahre nach Osaka, zum Hafen.


Es ist gar nicht zu einfach ans Meer zu kommen. Erstens weil durch die vielen Kanäle und vorgelagerten künstlichen Inseln die grenze zwischen Land und Meer verschwimmt, und zweitens weil jeder Meter der Küstenlinie von einem Schifffahrt-Konzern belegt ist. Die Mauern sind wohl zum Teil gegen Sturmfluten ausgelegt und mehrere Meter hoch. Die schweren Stahltoren die darin hängen ebenfalls. Doch dann finde ich ein Tor das offen steht, und beschließe einfach "dummer Tourist" zu spielen. Niemand da. Ich hoffe inständig, dass das Tor noch offen ist wenn ich zurück komme...
Ich klettere am Pier auf eine schwimmende Plattform an der ein kleines Boot angelegt hat, kraxle bis zum Wasser herab und schöpfe mir etwas mit meiner Kaffee-Tasse. Die brühe wird zur "Taufe" ins Gesicht gespritzt und ein Photo gemacht. Damit hat das Abenteuer begonnen!

Gott sei dank ist das Tor noch offen als ich zurück komme. So entkomme ich unbemerkt und marschiere in die Nacht.



3.: Die erste Nacht
Osaka ist schon eher eine große Stadt. Man kann das nicht so richtig wertschätzen wenn man mit dem Zug durch rast. Doch wenn man mal versucht von einem Stadtteil in den nächsten zu laufen (was auf der Karte nach einem kurzen Abendspaziergang aussieht) wird einem klar: "von Schwabing bis Sendling" ist ein Witz dagegen. Oder vielleicht bin ich auch nur müde...

Ich marschiere durch Häuserschluchten und wundere mich über eine seltsam verbogene Halle die ich passiere. Jahre später sollte ich wieder hierher kommen und feststellen, dass es der berühmte Kyocera-Dome ist, das Nummer-1 Baseball-Stadion in Osaka. Doch in dieser Nacht sehe ich nur grauen Asphalt-Dschungel, menschenleere Beton-Klötze und Industrieanlagen.


Irgendwann wird es dann heller als ich das Neon-Erleuchtete Stadt-Zentrum erreiche. America-Mura, mit seiner hippen, alternativen Party-Szene ist mein erstes Etappenziel. Nach etwas suchen und fragen finde ich was ich suche: ein Capsule Hotel. Ich habe sogar reserviert, obwohl das normalerweise unnötig ist weil sich Capsule-Hotels an Angestellte richten die spontan oder fahrlässig den letzten Zug verpassen. Ich checke ein, nehme ein Bad, mache noch ein paar Photos und lege mich dann Schlafen.
Das erste kleine Stück von etwa 6km ist schonmal geschafft...

Freitag, 14. November 2014

Ver-kleidet

Und weils grad vorletzte Woche war: was war denn mit Halloween?
Ja, kann ich euch schon sagen was war.
Waren nämlich alle da!
Denn, wer hat's nicht gewusst: in Japan ist die Kunst des Verkleidens ganz ganz groß.
Da kann man sich die keine Ausrede Chance entgehen lassen!

Interessanterweise wird Halloween hier erst seit ein paar Jahren überhaupt wahrgenommen.
Scheinbar hatte da keiner den Japanern gesagt, dass sie sich verkleiden dürfen. Oder alle waren so angepasst, dass keiner mitmachen wollte, bevor nicht alle anderen mitmachen.
Jetzt wird es jedenfalls immer beliebter, und hat Deutschland schon lange hinter sich gelassen.


Der ganze Spaß geht schon ein 1-2 Wochen vor Halloween los. Sobald die Geschäfte die Deko raus hängen (was natürlich immer reichlich früh passiert), kann man in der Fußgängerzone der Innenstadt vereinzelt Zombies und Hexen sehen. Vor allem Mädchen lassen sich die Chance nicht entgehen etwas mehr Haut zu zeigen Haut auf etwas andere Weise zu zeigen.
Auch immer mehr Bars und Clubs beginnen mit Halloween-Parties und "Verkleidet-kommt-man-kostenlos-rein" Events. Wieder sind Erfahrungsgemäß die Mädels mehr bei der Sache, obwohl sie sowieso kostenlos rein kommen würden.
Das hat auch einen anderen Grund: gut aussehende Kostüme für Männer sind eher Mangelware. Wenn man durch die Geschäfte schlendert, scheint es als gäbe es Richtlinien für alle Verkäufer:
(1) 90% der Kostüme müssen für Frauen sein, und möglichst sexy
(2) die wenigen Männer-Kostüme müssen möglichst dümmlich aussehen.
Man hat also die Wahl zwischen Peter Pan, einem Piraten und dem Zombie.
Oder muss sich so richtig ins Zeug legen und sein eigenes Ding machen.
Und das machen die meisten auch!
Vor allem am Samstag vor Halloween und Halloween selbst (die beiden Haupt-Nächte) kommt man kaum durch die Straßen:
(a) es ist einfach dicht gepackt mit verkleideten Leuten
(b) Sie werden alle 3 Meter stehenbleiben müssen um zu staunen und ein paar Photos zu machen

Dabei muss es nicht immer gruselig zugehen. Eigentlich ist alles erlaubt was die Leute wiedererkennen.


Manchmal ist es dabei aber doch unfreiwillig gruselig. Einfach weil manche Figuren der Japanischen Pop-Kultur niemals in real umgesetzt gehören.
Als ich ihn das erste mal sehe denke ich auch, das er einfach ein perverser Spinner ist, der Glück hat, dass heute zufälligerweise Halloween ist - so wird er nicht verhaftet. Aber als dann immer mehr Leute ein Photo mit ihm machen wollen, muss ich doch nachfragen.
Ja: solche Comic-Helden gibt es in Japan: Hentai Kamen:



Besonders beliebt sind Militär-Uniformen aus aller Herren Länder, aber vor allem auch aus Deutschland....
Ja, sie denken richtig: genau so oft wie die Bundeswehr-Variante ist die Wehrmachts- oder SS-Variante dabei. Das ist kein politischer Idealismus: die Japaner haben da einfach keinen historischen Bezug zu und finden die Uniformen einfach cool. Ich wünschte sie hätten ein bisschen mehr Bezug.
Meine Freundin (der ich zur Vervollständigung ihres Armee-Kostüms meine alte Feldmütze geliehen habe) will natürlich ein Photo mit dem feschen Panzer-Kommandanten haben.
Der streckt unvermeidlich seine rechte Hand in die Luft. Noch bevor meine Kamera ausgelöst hat, muss das Mädel es ihm natürlich gleich tun.
Ich schlucke meine Belehrung herunter und suche mir wieder ein paar politisch neutrale Zombies.


Ich selbst habe meine Lektion von letztem Jahr gelernt.
Da hielt ich mich für sehr clever: auf der Höhe der Finanzkrise klebte ich mir Hörner an die Schläfen, packte meinen schwarzen Anzug aus, füllte einen Koffer mit (falschem) Geld krönte das ganze noch mit stechend blauen Kontaktlinsen und machte mich auf ein paar Seelen zu kaufen.
Ergebnis: keiner hat kapiert was ich darstellen soll, und alle glauben meine natürliche Augenfarbe sei Ultramarin.
Diesmal nehme ich also den Japanischen Weg, lasse mich von einer Künstlerin mit falschen Tatoos bemalen und gehe als Yakuza. Das verstehen die Leute und ich werde weder verhaftet noch von echten Yakuza verprügelt. Also eine ziemlich erfolgreiche Nacht.


Und wenn Halloween dann vorbei ist?
Nun, wer verkatert am Morgen durch die verwaisten Einkaufspassagen schlendert wird sein weißes Wunder erleben: es Weihnachtet sehr!
Da müssen die ganzen armen Angestellten Nachtschicht gehabt haben um bis zum Morgengrauen die ganzen Horror-Kostüme auszutauschen, gegen: ja, gegen Weihnachtsmann-Kostüme und Rentier Masken. Sie können sich schon denken, an welches Geschlecht diese Kostüme vor allem gerichtet sind, welche richtig sexy sind und welche einfach nur dümmlich aussehen.