Mittwoch, 23. April 2014

Was Japaner nicht über Japan wissen

Es gibt eine populäre Buchserie namens: "Nihonjin ga shiranai nihongo".
Zu Deutsch: "Japanisch, das Japaner nicht kennen."
Kernaussage: Japaner haben selbst von ihrer eigenen Sprache keine Ahnung.

Wenig überraschen für Deutsche, die bei Fragen nach Dativ, Genitiv und FuturII ganz schnell das Thema wechseln.

Doch tatsächlich haben überraschend viele Japaner überraschen wenig Kenntnis über Japan, obwohl sie ihr Leben lang da gelebt haben.
Das ist zwar nicht die Regel, aber dafür um so lustiger wenn es mal passiert.




Bei einer Grillparty behauptet ein Japaner steif und fest, mein Japanisch sei besser, als das japanisch junger Japaner heutzutage. Ich halte das für 10 schichten zu dick aufgetragenes Lob, da ich immer noch keine Comics lesen kann ohne das Wörterbuch zu bemühen.
Ein Jahr später häufen sich die Fälle in denen junge Japaner mich nicht verstehen. Kann passieren: mein Schulbuch-Japanisch ist manchmal etwas antiquiert. Daher bin ich meist eher peinlich berührt, wenn jemand meine Wortwahl nicht versteht: hab ich wider Mist aus dem letzten Jahrhundert gelernt.
Als ein junges Mädel (etwa 20) dann mein Wort für "Bestechung" nicht versteht, gehe ich lieber zur Vertrauens-Japanerin und lasse mein Vokabular überprüfen: "Doch, dass stimmt schon so."

In einem Moment der Erleuchtung sehe ich die ganze Situation nochmal vor mir, jetzt ganz klar:
> Ich schreibe gerade an einem wissenschaftlichen Paper...
> Ey, voll krass, Alta! Un des drukkn die dann?
> Klar, wenn ich herausfinde, wen ich dafür bestechen muss.
> Ey, watt issn "bestechen"?
> Uhmm....?

Das hat der Typ auf der Grillparty also gemeint...




Vor dem Tempel gebe ich den Touristenführer:
also beim Eintreten muss man sich rituell Reinigen. Dazu nimmt man diesen langen Löffel, soo das Wasser schöpfen, linke Hand, rechte Hand, ...
Hinter mir: kichern.
Zwei Schulmädchen schauen vergnügt.
"Hab ich was falsches Erklärt?"
"Haben wir noch nie gehört, das!"

Zwei Dutzend Tempel, Info-Tafeln und Reiseführer bin ich sicher:
(a) meine Erklärungen waren richtig, und
(b) die haben einfach keine Ahnung gehabt.




Die Uni bietet extra einen Kurs über Japanische Kultur an - natürlich auf Englisch, an uns Ausländer gerichtet. Das ist mehr Spaßveranstaltung als Büffeln, und tatsächlich höre ich in dem Kurs nichts, was ich nicht schon wo anders gehört habe... und manches was ich für arge Klischees halte.
Trotzdem: leicht verdienter Credit, nicht?
Das dachte sich wohl auch eine Japanerin, die sich da einfach mit rein gesetzt hat.
Clever, ein bisschen arg dreist, aber clever. Das sage ich ihr auch.
Sie kriegt aber gar keinen Credit, sagt sie mir. Sie ist da weil sie sich für Japanische Kultur interessiert.
Nochmal: das ist kein "wir-gehen-in-die-Wagner-Oper" Kulturverein, sondern eine "wir-gehen-mal-in-eine-Kirche-um-eine-Kirche-von-innen-gesehen-zu-haben" Selbsthilfegruppe.
Wir sitzen im Kreis und erzählen plaudern darüber, dass Japaner rohen Fisch essen.
Das Japanische Mädchen guckt aufmerksam.
Naja, immerhin ist sie motiviert etwas zu lernen... oder uns zu verarschen...




Wenn ich Päckchen in die Heimat schicke kommt oft die Frage zurück: "was zur Hölle ist den das?"
Und ich Antworte: "Ich habe keine Ahnung, aber man kann es essen! Zumindest esse ich es ab und zu und lebe noch."
Zwar stehen die Zutaten auf der Verpackung, aber wie man aus Reis einfach alles herstellen kann ist mir unbegreiflich.
Doch mittlerweile kann ich genügend Japanische Freunde fragen: "sag mal was ist das eigentlich?"
"Keine Ahnung."
Es irritiert sie nicht einmal, dass sie gar nicht wissen woraus (oder wie) ihr eigenes Essen gemacht wird.
Solange es gut schmeckt wird es Akzeptiert.
Ich falte einen Origami-Lotus und weil ich das japanische Wort für "Lotus" gerade nicht weiß, erzähle ich den Leuten zu erzählen, dass sein "Renkon". Renkon ist ein populäres Gemüse hier, um genau zu sein ist der der Samenbecher vom Lotus. Das weiß aber keiner.
Wir einigen uns darauf, dass ich "eine Blume" gefaltet habe. Das ist für alle Beteiligten am wenigsten peinlich.

Mittwoch, 16. April 2014

Gibt's ja gar nicht!

Irgendwie habe ich doch einen Bildungsauftrag. Soll keiner sagen können: "jetzt kenne ich schon jemanden der in Japan lebt, und habe trotzdem keine Ahnung".
Und das erste was ich als selbsternannter Oberstudienrat mal machen möchte, ist die gängigen Klischees behandeln, die es so über Japan gibt.
Morgen gibt's dann die Stehgreifaufgabe "Gibt's das oder gibt's das nicht?"




Unterhöschen-Automaten
Ich glaube ja, irgendwo saß mal jemand in einer Werbeagentur (wo bekanntlich alle schrägen Ideen herkommen) und hat versucht aus alten Klischees ein paar neue, verrückte Klischees zu bauen.
Also: was gibts in Japan? Viele Automaten, wo man Zeug kaufen kann. Und komische Fetische.
BAZINNNG! Geboren war die Idee von den Fetisch-Automaten, an denen man getragene Damenunterwäsche kaufen kann.
Also habe ich mich auf die Suche gemacht! Ähh, AUF FORSCHUNGSREISE!
GIBT'S ABER NICHT!
Okay, am Ende meiner Odyssee habe ich tatsächlich einen Gefunden, irgendwo in einer schmuddeligen Gasse in einem schmuddeligen Stadtteil von Tokyo (Tokyo, wo man auch wirklich ALLES irgendwo findet). Und selbst DAS war noch ein transportables Modell, also nicht fest installiert, sondern einfach mal so vor den Laden gestellt.
Um das mal ganz allgemein zu sagen: ich habe in Japan sonst auch nicht viel gefunden, was ich in europäischen Sex-Shops nicht auch gefunden hätte.... auf meinen Forschungsreisen durch Europa....
Das einzig neue ist, dass die Porno Heftchen in Comic-Form gibt, und zwar in jedem Konbini (vergleiche: Tankstelle). Zumindest glaube ich, dass das Pornos sind... so von der Titelseite... die sich versehentlich in der Scheibe gespiegelt hat...




Yakuza
Ahh, die "japanische Mafia", Stoff unzähliger Mythen und Filme. Sonnenbrillen-tragende Anzug-Killer mit Drachen-Tatoos unter den Hemdsärmeln. Wo der Big Boss mit tiefem Kotau begrüßt werden muss, weil sonst: Finger ab! Aber in echt jetzt, gibt's doch gar nicht, oder?
DOCH GIBTS!
Zumindest in größeren Städten kann man durchaus welche sehen, und viele meiner Japanischen Freunde erzählen dass es gerade bei ihnen um die Ecke "so ein Haus gibt".
Da kommt dann die dicke schwarze Limousine vorgefahren und die ungemütlichen Anzugträger stehen sogleich Spalier. Mit tiefer Verneigung und lautem "Osu!" wird dann der Very Important Japaner empfangen. Passanten spielen für die Dauer der Prozedur lieber "Salzsäule" und stieren Löcher in die Luft.
Das beeindruckende ist also nicht, dass es hier organisierte Kriminalität gibt (wo gibt's die nicht?), sondern, dass sie hier so offen zelebriert wird. Da könnten die fast noch ein gutes Geschäft mit Touristen machen...



Verrückte Game-Shows
Erinnert sich noch jemand an Takeshi's Castle? Diese GameShow, wo die Teilnehmer über absurde Hindernis-Parcours geschickt wurden um dann.... okay, okay: erinnert sich jemand NICHT an Takeshi's Castle?
Sind solche schrägen Game-Shows denn die Regel hier?
NEIN, SIND SIE NICHT!
Leider.
Zwar gibt es natürlich Game-Shows, aber die sind meist nicht besonders verrückt. Da hat "Wetten-Dass?" mehr zu bieten.... gehabt...
Erinnert sich noch jemand an diese verrückte Deutsche Game-Show wo Leute aus Klopapier Brücken gebaut haben?



Wirklich komisches Zeug, dass man "Essen" nennt
Na gut, hier muss man halt fragen, was den der Gold-Standard für "Komisches Zeug" ist. Nachdem hier Seetang ein ganz alltägliches Nahrungsmittel ist, kann man schon "ja" sagen.
Aber legen wir die Messlatte mal jenseits von Sushi an... dann war's das auch schon.
Es stimmt zwar, dass man hier an allerhand essbare Merkwürdigkeiten kommt, nur spielen die in der täglichen Ernährung eine Ähnliche Rolle wie die Ochsenschwanzsuppe, die Froschschenkel, die Schnecken, ....
Ja, man kann Qualle essen. Schmeckt nach fast nichts, außer der Soße die man drauf tut.
Man kann Wal essen. Hab ich nicht probiert, aber meine Vorkoster lassen sagen: naja...also für so lausiges Essen braucht man echt keine Wale fangen.
Man kann Kugelfisch essen, am Herzinfarkt über die gesalzenen Preise sterben oder hoffen das einen das Gift davon ablenkt, dass das Ding auch nur nach Fisch schmeckt. (Auch hier verlasse ich mich auf meine Informanten).
Kurz: wir haben bessere Chancen, die Japaner zu schockieren als umgekehrt.
Erzählen sie einfach, dass wir Rehe und Hasen essen, und Tee aus Brennnesseln machen....