Mittwoch, 29. Januar 2014

Das können Sie so nicht sagen!

Japanisch ist eine unheimlich dichte Sprache.
Es gibt darin ja vergleichsweise wenig Laute - selbst das "L" und "R" sind ja bekanntlich untrennbar verschmolzen. Doppel-Konsonanten gibts auch nicht. Die Chinesen haben sich ja mit variierten Tonhöhen etwas (Sprach-)Raum geschaffen - die Japaner nicht. Beengte Verhältnisse ist man hier gewohnt...

Also wird der kleine Raum an Lauten die sie nutzen können, mit viel zu vielen Worten voll-gestopft. Dass es da zu Zusammenstößen (also: Homophonen, Worte die genau gleich ausgesprochen werden) kommt ist klar - habe ich hier ja schon erzählt. Auch nebeneinander, dicht an dicht drängeln sich die Vokabeln, so dass ein kleiner Fehler sofort ein anderes Wort trifft. Man sagt: "kiite", hör mal, "kite" komm mal, "kitte", schneid' mal. Das sollten sie sich gut merken, um nicht von ihrem Zuhörer abgestochen to werden.

Natürlich haben auch andere Sprachen einen großen Wortschatz, aber den verwenden sie meist nicht. Japaner aber bestehen darauf, auch im Alltag tief in die Wortschatztruhe zu greifen, und finden dort oft eine große Auswahl an Worten, die alle die gleiche, schwammige Bedeutung haben, aber andere Nuancen. So kann die "Veränderung" entweder "kawari", "henkō", "henka", "henkan" oder eines von etwa 5 anderen Worten sein, die alle "Veränderung" heißen wollen. Die sind fast austauschbar... aber eben nur fast...

Kurz: ist eng hier!
Um so schwerer zu glauben, dass in der Japanischen Sprache einige gigantische Löcher klaffen.
Also: Dinge, die man auf Japanisch einfach nicht sagen kann.
Es gibt einfach keine Worte und keine Grammatik dafür.

Also aufgemerkt: drei Dinge, die Sie auf Japanisch nicht sagen können...




Das erste das beim lernen auffällt: sie werden nie Japanisch sprechen.... denn es gibt keinen Futur!
Für alles was in der Zukunft liegt, verwendet man die Gegenwartsform. Sie sprechen Japanisch, oder eben nicht. Deprimierend nicht?
Klar, auch in Deutschland kann man schon am Montag sagen: "Ich gehe am Sonntag in die Kirche". Aber man kann sich dann dieser Lüge ertappen und korrigieren: "Ich werde am Sonntag in die Kirche gehen". Dann lügt man zwar immer noch, aber es ist jetzt grammatikalisch korrekt gelogen.
Im Japanischen geht das einfach nicht. Japaner kennen kein Aufschieben: wird alles sofort erledigt!
Ein einziges Feigenblatt gibt es dann doch noch: man kann sagen, dass es "einen Plan" gibt etwas zu tun. Naja, Planung ist ja schon die halbe Durchführung, also geht das wohl in Ordnung.
Für Dinge die sich nicht planen lassen (zum Beispiel Regen) müssen sie also eine Zeit angeben.




Im Deutschen haben wir zwei Worte für Bedingungen: "falls" "wenn". Das eine drückt etwas mehr Unsicherheit über das Ja-oder-Nein aus, das andere  bezieht sich mehr auf den Zeitrahmen.
Japaner brauchen da etwas mehr Ellenbogenfreiheit: 5 verschiedene Konstrukte haben sie zur Auswahl: ~tara, ~eba, ~nara, to, und ba-ai.
Alle haben sie leichte Nuancen in die eine oder andere Richtung.
Weit kommen sie aber nicht: den Bereich des Möglichen verlassen sie nie.
Ich würde ja ein "würde" verwenden, um darauf hinzuweisen, dass ich diese Option gerne wählen würde, es sie aber leider nicht gibt.
Gibt's aber nicht: in Japan ist alles möglich, also braucht man auch kein "würde" oder "wäre" um über Dinge zu reden, die gar nicht möglich sind. Das sind nur Ausreden sich nicht richtig anzustrengen.
Also merken sie sich: wenn sie ein Vöglein sind, werden sie fliegen! Also fangen Sie besser bald mit dem Arme-wackeln an.




Man muss sich also etwas mit dem Japanischen anfreunden. Also, dass heißt: man darf. Man wird "gelassen", nicht "gezwungen". Ob man will oder nicht! Denn man kann hier auch zwangs-"gelassen" werden, wenn man nicht will.
Denn es gibt keine Möglichkeit den Unterschied zwischen Option und Zwang auszusprechen.
Also: es ist einfach dasselbe Wort: "saseru".
Ob die Mutter nun Eiscreme oder ranzigen Kohl auf den Tisch stillt, sie lässt das Kind (auf)essen.
Interessanterweise ist diese Art sich auszudrücken im Deutschen viel eher nachzuvollziehen als etwa im Englischen, wo kräftig zwischen "let someone" und "make someone" unterschieden wird.
Das könnte auf eine ähnliche Geisteshaltung hinweisen: Sie müssen leiden wollen, sonst könnte man Sie ja nicht "leiden lassen".
Ob das einer der Gründe für die gute Deutsch-Japanische Verständigung ist...?

Montag, 13. Januar 2014

Zwischen den Jahren

Und in der Bibel steht geschrieben dass der Herr Herodes sie zum zählen an Weihnachten in ihre Heimatstädte beordert hat. Und so kommen wir auch heute noch jedes Jahr an Weihnachten alle nach Hause. Und weil wir uns da endlich alle mal wieder sehen, plaudern wir, wie's inzwischen so zu geht in den Teilen der Welt in denen wir sonst so rum hängen.
Und natürlich kommt da wieder die Frage die da kommen muss:
"Feiern die denn auch Weihnachten/Neujahr in Japan?"
Also baue ich diesmal schonmal fürs nächste Jahr vor, und erzähle hier die ganze Geschichte:
Was in Japan zu zwischen den Jahren passiert....




Weihnachten:
Natürlich kann sich kein Land heute vom US-Kulturexport abschotten. Auch in Deutschland wurden Nikolaus und Christkind schon lange ersetzt durch Santa Claus. Und die Japaner stehen eh auf extravagante Beleuchtung zur kalten Jahreszeit.
Also hat auch hier das "Kurisu-masu" Einzug gehalten.

Allerdings haben die Japaner das "Fest der Liebe" etwas falsch verstanden:
nicht Nächstenliebe, sondern "Dir-Am-Nächsten"-Liebe der romantischen Zweisamkeit.
Und weil viele gerade keinen geeigneten "Nächsten" zum knutschen unterm Weihnachtsbaum haben, wird daraus schnell eine "Nächst-Besten-Liebe" - greifen Sie sich einfach einen um nicht alleine durch die mit Leuchtgirlanden behangene Stadt zu wandern.
Also kurz: für Japaner ist Weihnachten, was für uns der Valentinstag.... wäre, wenn's uns nicht Wurscht wäre.

Vor dem deutschen Generalkonsulat gibt es schon seit November einen "German Christmas Market". Das ist der kitschigste, teuerste, überbewertetste Christkindlmarkt den Sie je gesehen haben, aber es ist wirklich ein deutscher Christkindlmarkt. Mit Glühwein, Wurstsemmel, Buden die diesen ganzen Krims-krams verkaufen... und Weihnachtsbaum. Ganz aus Plastik und  LEDs, als stilisierter Conus. Dafür groß.

Aber keine Angst: auch Amerikanische Tradition wird so ordentlich durch den Fleischwolf gedreht. Und dann frittiert. Nämlich der Truthahn. Der wird ersetzt durch: Kentucky Fried Chicken, also Mc.Nuggets. Das hat KFC durch geschicktes Marketing schon selbst mitverschuldet.
Eine japanische Freundin schmetterte meine Kritik dann auch einfach ab:
"Versuch mal in Japan einen Truthahn zu kriegen!"
Unser lieblings Ausländer-Magazin hier hatte sogar einen extra Artikel darüber, in welchem Import-Shop man am besten seinen Truthahn kauft. (Auflösung: es gibt nur einen, bestellen Sie besser vor).



Neujahr:
Und weil Weihnachten so komplett verkehrt mit schriller Liebe gefeiert wurde, sind die Japaner konsequent und feiern Neujahr in Ruhe und Frieden zu hause mit der Familie.

Feuerwerk, im Sommer fester Bestandteil jeder Party, sind hier Tabu. Überhaupt: alles was Krach und Arbeit macht ist verpönt. Das Essen wird schonmal für die ersten drei Tage im Jahr vorbereitet. Also: es wird so etwas wie eine Lunch-Box gebastelt. Nur eben für jede Mahlzeit. Und dann werden die Gehsteige Hochgeklappt und es kehrt Ruhe ein im Inselstaat.

Nur die Züge fahren ausnahmsweise die ganze Nacht. Das freut Ausländer in Party-Laune. Die Wundern sich dann nur, dass nach dem Count-Down plötzlich die ganzen Japaner weg sind. Denn die Züge fahren nicht für die Party, sondern damit man baldmöglichst zum Schrein kommt.
Denn der Neujahrs-Besuch im Schrein ist für Japaner was uns der Kirchgang an Heiligabend ist.
Das ist wichtig um für ein gutes Jahr zu beten!
 Und damit man nicht das ganze Jahr warten muss um zu sehen, ob das Beten erfolgreich war, kann man auch gleich ein Los ziehen, dass einem das Schicksal vorher sagt.
Da steht dann ganz oben so etwas wie "Großes Glück" oder "So nen bisschen Glück" oder "Unglück" drauf, und weiter unten wird das nochmal im Detail erklärt. Dass der Liebespartner noch etwas auf sich warten lässt, aber die Kindesgeburt schon glatt gehen wird. Man pickt sich also raus was man will und kauft sich notfalls noch ein Los oder knotet es an einen Zaun. Das soll helfen.

Dann geht man Heim und macht die ganzen Glückwunschkarten auf. Die kommen auch garantiert pünktlich, denn die Japanische Post hat einen extra Service: alle Neujahrs-Karten die rechtzeitig abgeschickt werden, werden aufbewahrt und alle gleichzeitig am Neujahrstag zugestellt.
Die Deutsche Post hat das natürlich nicht. Die zwei Neujahrskarten die ich bekommen habe wurden beide nicht an Neujahr zugestellt sondern entweder zu früh oder viel zu spät.

Die Japanische Post hat dafür auch meine Weihnachtskarten (die ich alle gleichzeitig weggeschickt habe) gleichmäßig zwischen dem 22. und 29. Dezember verteilt....