Montag, 2. Dezember 2013

Einen im Tee

In zwei Jahren Palavern seriöser Berichterstattung über Japan immer noch kein einziges mal über Tee geredet? 
Das muss ich doch gleich mal ändern!

Da muss man allerdings etwas vorsichtig sein, denn die Bedeutung des Wortes "Tee" ist nicht ganz einheitlich.
In Deutsch benennen wir alles "Tee" wo man heißes Wasser drüber kippen kann, und das Wasser danach noch trinkbar ist. Gerne auch Obst oder Unkraut (Brennnessel-Tee? Wirklich?).
Einzige Außnahme: wenn Fett drin ist, nennen wir das Wasser danach "Suppe"; oder "Brühe" wenn wir uns noch nicht ganz sicher sind was es ist. Kann man das Wasser nicht mehr trinken, nennen wir es "Abwasser" oder "Rooibos".

Japaner sind da wesentlich spezifischer. Das Wort "Tee" ist für richtigen, echten Tee reserviert - also: die Tee-Pflanze. Das heißt aber nicht, dass Tee hier ein einseitiges Erlebnis wäre!
Ein kurzer Tee-Führer durchs Land der aufgehenden Teekanne....

Eine wichtige Information voraus: die silbe "Cha" ("Tee") wird "Tscha" ausgesprochen. Wie "Checker". Also bitte das Reichs-CH in Deutschland lassen.



お茶 O-Cha:
Der einzige Tee der so sehr Tee ist, dass er keine Zu-Silbe braucht und einfach nur das Ehrenhafte-"O" bekommt: der Grüne Tee. Der ist so ursprünglich, frisch und unverdorben, da schmecken sie das Tee-Feld noch. Im Klartext: er schmeckt ziemlich nach Gras. (Manche sagen gar "Alge"). Das fällt um so mehr auf, als dass er pur, ohne Zucker oder Zitrone getrunken wird.
Und es ist ein absolutes Standard-Getränk. Also ohne "Tea-Time" und Zeremoniell. Wie "Standard"? Also bei uns in der Uni-Kantine kriegt man das Zeug umsonst.
Also nicht: zum Essen dazu - Sie brauchen dafür nicht extra Essen zu kaufen. Sie kriegen auch einfach so Tee.
Wenn sie wollen.
Wenn nicht gibt's Wasser.


抹茶 Maccha:
Wenn man grünen Tee aufkocht, dann eindickt, das übrig gebliebene Pulver aufhebt und später wieder in heißem Wasser auflöst... hat das Zeug eigentlich nicht mehr viel Ähnlichkeit mit Tee.
Zumindest erzählt man sich, dass die grüne Brühe "Maccha"(könnte man grob mit "Reibe-Tee" übersetzen) so hergestellt wird. Kenner werfen dann ein, dass man für den "echten" Maccha auch eine ganz besondere Tee-Sorte braucht, und das Pulver dass man so zu seinem Sushi bekommt gar kein Maccha ist. Wie dem auch sei: es ist der traditionelle Tee für die japanische Tee-Zeremonie. Und so bitter, dass die Japaner für die Tee Zeremonie extra Süßigkeiten erfunden haben um das Erlebnis etwas positiver zu gestalten. Man könnte es also als den "Espresso" des Tees bezeichnen (tatsächlich habe ich mal ein Getränk namens "Green-Presso" gefunden, dass starke ähnlichkeit mit Maccha hatte).
Und was macht man mit Espresso?
Richtig: dicke Milch und Zucker rein und als "Latte Macchiato" verkaufen! Und so finden sie auch "Maccha-Latte" in jedem Supermarkt. Und das schmeckt gar nicht mal schlecht. Wenn sie sich nicht daran stören, dass ihr "Latte" grün ist und nach Tee schmeckt...


ほうじ茶 HōjiCha:
Eine andere Alternative dem grünen Tee das Grasen auszutreiben ist: ihn zu rösten! Dann schmeckt er sehr viel angenehmer. Auch ist er sehr viel angehemer zuzubereiten: sie werfen einen Beutel in einen großen Pott kaltes Wasser uns stellen das für ein paar Stunden in den Kühlschrank, und schon haben Sie reichlich kalten, leckeren Tee. Vor allem im Sommer also eine tolle Sache!
Sie sollten den Beutel allerdings nicht vergessen, sonst schmeckt ihr Tee irgendwann wieder unabsichtlich nach Alge...


紅茶 KōCha:
Denn wenn man sich das was wir so als "schwarzen Tee" bezeichnen genau anschaut, dann ist der eigentlich gar nicht schwarz! Sondern Karmesinrot!
Ähm, vielleicht auch nicht. Die Japaner sagen trotzdem "roter Tee" dazu.
Pur ist das Zeug auch nicht besonders beliebt, auch wenn man ihn immer wieder sieht.
Aber mit kräftig Zucker und Milch (oder alternativ Zitrone) wird er zum Verkaufsschlager: 午後の紅茶 (Gogo-no-Kōcha) - "Afternoon Tea" gibts an fast jedem Getränkeautomaten (also: überall) und versucht an Englische-Kolonialzeit-Tea-Time-Gefühle anzuknüpfen. Nachdem die Japaner das Ende der Kolonialzeit auf der richtigen (also falschen) Seite verbracht haben, fühlen sie sich von solchem Marketing auch nicht abgeschreckt.


烏龍茶 Ūlong-Cha:
Der "Raben-Drachen-Tee" ist ein Kulturimport aus China. Dort lässt man den Tee etwas zu lang in der brütenden Sonne stehen, dann schmeckt er sehr sanft, ohne eine Spur von grasigkeit. Das gefällt den Japanern. So gut, dass der Tee ein Standard-Geränk ist für, wenn man ausgeht aber keinen Alkohol trinken will. Also sowas wie Apfelschorle ohne Frucht oder Kohlensäure. Und weil die Alkoholiker Alkohol-Trinker da neidisch werden, haben sie mit dem Zeug auch gleich allerhand Alkohol-Mix-Getränke erfunden. Ich glaube mich erinnern zu können in einer sehr abgestürtzen Nacht einmal "Jägermeister-Ūlong" getrunken zu haben. Allerdings sind Nächte in denen man "Jägermeister-Ūlong" trinkt genau diese Art von Nächten bei denen man am nächsten Morgen nicht sicher ist ob sie überhaupt stattgefunden haben.
...stattgefunden haben sollen.
...man öffentlich zugeben möchte, dass sie stattgefunden haben.
Vergessen Sie den letzten Abschnitt einfach wieder. Es gibt keinen "Jägermeister-Ūlong".


麦茶 Mugi-Cha:
Hab ich vorhin behauptet, Japaner sagen "Tee" nur zu echtem Tee? Haha, voll angeschmiert!
Sie können auch einfach ihre Gerste rösten und dann in heißes Wasser werfen. Dann heißt das Mugi-Cha oder "Gersten-Tee". Das klingt ein bisschen kratzig und so schmeckt es auch. Das Getränk ist vor allem im Sommer beliebt (als Kaltgetränk) und lässt sich ähnlich leicht herstellen wie HōjiCha. Allerdings ist die zeitliche Toleranz sehr viel geringer: eine Stunde zu lang den Beutel drin gelassen, und ihr Tee verwandelt sich in eine schwarzbraune Brühe von unvergleichbarer Bitterkeit. Also schütten Sie's weg und versuchen das ganze nochmal. Kann gerne auch mehrfach wiederholt werden wenn man etwas vergesslich ist. Dann steigt man irgendwann auf HōjiCha um, der schmeckt besser, hat Koffein und ist pflegeleichter.



Und wer schon immer mal die andere Seite des belieben Kultur-Schockings sehen wollte, hatte dazu letztens Gelegenheit:
ein Doctor-Student kommt aus seinem Austausch-Aufenthalt aus Hongkong  zurück.
"Und, war was?"
"Die tun da Zucker in den (grünen) Tee!"
Angewiederte Gesichter.
"Zucker?!"
"Zucker."
"... ist ja ekelhaft!"