Donnerstag, 29. August 2013

Heißa

Es ist heißer hier.
Nicht einfach nur heiß, sondern heißer!
Also egal wo sie jetzt gerade sind und wie sie auch schwitzen, in Osaka (oder der Kansai-Region im allgemeinen) ist es immer noch heißer!
Woher ich das weiß?
Weil International-Students von überall auf der Welt dasselbe erzählen: hier ist es heißer als Zuhause.
Und so blieb Stück für Stück immer weniger von der Welt übrig, wo es denn noch heißer sein könnte.
China? Taiwan? Also wenn sie sich auf eines einigen können, dann das es dort unten viel angenehmer ist.
Puerto-Rica? Die Arme muss sich schon Spezial-Deo importieren um den Sommer ohne Stilbruch zu überstehen.
Tailand? Da Lachen sie nur freundlich im Chor.
Saudi-Arabien? Der arme Kerl kann sich gar nicht schnell genug den Schweiß von der Stirn wischen um zu erklären wie viel schlimmer Osaka ist.

Und die Japaner? Die nögeln eh immer übers Wetter. Von Mai bis September ist es viel zu heiß, von November bis März viel zu kalt. Nur im April und Oktober finden sie es kurz mal ganz nett, warnen aber Gleichzeit davor, dass es jetzt ganz schnell heiß (oder kalt) werden wird.

Nur eine Japanerin outete sich schließlich als Sommer-Liebhaberin:
der Strand macht's wieder wett!
Und im Wasser stört's auch keinen wenn man schwitzt...



Wenn man denn seinen Strandaufenthalt auch ungestört genießen kann!
Denn obwohl wir beide denselben Wunsch nach planschen und schwimmen haben, konkurrieren wir doch um das Vorrecht das auch machen zu können. Wir, dass sind wir Menschen und... Quallen.
Die Quallen waren zugegebenermaßen zuerst da, könnten aber auch weiter draußen ihren Spaß haben. Aber das wollen sie nicht. Sie wollen auch an den Strand.
Also kämpfen wir darum. Ihre Hauptwaffen sind: stechen (aber das können nicht alle) und: sich voll ekelig anfühlen!
Das ist effektiver als man denkt! Ich wäre bald ertrunken. Vor Lachen. Weil mein Freund jedes mal kreischt wie ein kleines Mädchen wenn er wieder eine Qualle berührt. Also durchgehend, weil: so dicht wie die Quallen hier schwimmen berühren die sich ja schon gegenseitig.
Unsere Waffe: die von ihnen die nicht stechen können auf Leute schleudern, die dann kreischen wie kleine Mädchen.
Man kann sie sich auch auf den Kopf setzen. Sieht sehr lustig aus: Gelatine-Mütze! Blöd nur wenn die dann doch irgendwie stechen konnte. Aua, aua, aua, Quallen-kuss!




Zurück in der Zivilisation tobt der nächste Kampf. Der Kampf um die Klimaanlage.
Verbündete in meinem Kampf keine Erkältung zu kriegen und Strom zu sparen habe ich noch nicht ausmachen können. Den Feind zwar auch nicht, aber jedes mal wenn ich wieder zum Bedien-Panel schaue (weil mir die arktische Brise fies ins Genick bläst) hat jemand wieder auf Winter geschaltet.
Ich schalte wieder auf Frühling und das Spiel beginnt von vorn...

Doch zumindest eine gewisse Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern gibt es dann doch:
Betritt man die belebten Fußgängerzonen im Zentrum von Osaka stehen dort die Hübschen und ganz besonders Hübschen: Hosts und Hostessen. Die machen Werbung für ihre Clubs wo man für ein paar (sehr viel) Yen mehr als üblich sein Bier in Anwesenheit schöner Damen oder Herren (je nach eigenem Geschlecht) genießen kann.
Und weil gut aussehen hier Trumpf ist haben sie das ganze Jahr über praktisch die gleiche Kleidung an: Herren in Anzug mit Weste und Krawatte, Damen im kurzen Kleid.
Also je nachdem in welchem Monat man sie sieht tun einem entweder die Mädels Leid ("Geh 'rein! Du holst dir doch den Tod bei der Kälte!") oder die Jungs ("Du kriegst noch an Hitzschlag! Zieh wenigstens die Krawatte aus!").
Ob das Teil der Strategie der Betreiber ist, dadurch gute Samariter als Kunden zu Angeln ("Ich zahl dir deinen Club, Hauptsache du kommst von der Straße runter!") ....
Auch interessant wäre ob sie für ihre ganz-jährig über-stylischen Frisuren wohl 3-Wetter-Taft verwenden.

Montag, 19. August 2013

Fuji

Die fantastoide Geschichte der Erstbesteigung des Mount Fuji!
Ohne Sauerstoffflasche!

Okay, zugegeben, ich war nicht der Erste, aber zumindest der Erste aus unserer Gruppe.
Und wir hatten doch Sauerstoffflaschen dabei. Aber ich hab nur aus Spaß mal daran gezogen, um High zu werden und dazu zu gehören zu den coolen Kindern, und auch nicht auf Lunge, wirklich!!

Also: die nicht ganz so fantastoide Geschichte...


Vortag:
Wir haben uns etwas mehr Zeit genommen, um auch noch das Umland sehen zu können.
Umland heißt halt: weitere Berge.
Nachdem wir uns erst mit der Entfernung verschätzen (das waren vielleicht doch "Auto-Minuten"), und dann verfahren (das dauert jetzt aber auch mit dem Auto schon zu lange), finden wir doch noch wonach wir suchen. Ein versteckt gelegenen Wasserfall!
Die anderen photographieren und zögern, aber ich zieh mich gleich aus! Wie oft hat man schon die Chance unter einem Wasserfall zu baden!?
Das Wasser ist kalt. Also so richtig, richtig bitter kalt! Ich brauche ein paar Augenblicke um ganz einzutauchen. Unter den Wasserfall zu kommen ist gar nicht so einfach. Zwar ist er nur ein paar Meter hoch, aber die Strömung zieht einem Beine und Unterhose weg und die kalten dicken Wassertropfen schlagen einem wie Hagel auf Kopf und Schulter. Bei jedem Versuch schaffe ich es nur für ein paar Sekunden dem Wasser standzuhalten bevor ich den Halt verliere und wieder weg gespült werde. Ein riesiger Spaß, den sich dann auch die anderen nicht entgehen lassen wollen.
Und so sind wir abgehärtet für den Berg!



Abend:
Wir nehmen den Bus zur Basis-Station - die ist etwa auf halber Berg-Höhe. Der Rest vom Berg hat nochmal so viele Höhenmeter wie die Zugspitze vom Fuß zum Gipfel. Wir, das sind 10 Studenten, ein bunter Haufen aus Taiwanesen, Finnen, Philipinos, Deutschen und einem Chinesen. Auch das Fitness-Niveau schwankt stark, von Mukibuden-Macho bis Couch-Kartoffel. Wie lange wir brauchen werden wissen wir nicht. Manche behaupten 10 Stunden, andere 5. Wir rechnen also mit 8 plus eine Stunde Sicherheit falls wir im Stau stehen. Also: am Berg, nicht auf der Straße, denn es ist Hochsaison.
Wir fahren Abends denn wir wollen rechtzeitig da sein: zum Sonnenaufgang.
Über uns thront gewaltig der Gipfel. Wir steigen in den Berg und in die Dämmerung hinein auf noch sehr gemächlichen Pfaden. Noch sind alle da, und alle fröhlich.
Manchmal kommen uns Leute entgegen, doch die meisten anderen Wandern auch in unsere Richtung.




Nacht:
Mit der Dämmerung verändert sich die Wahrnehmung. Man sieht plötzlich ganz andere Dinge. Man sieht die Sterne, viel heller und deutlicher als gewohnt. Man sieht die Lichter der Städte weit unter sich. Man sieht die Hälfte seiner Wandergruppe nicht mehr, weil sie etwas zurück fällt. Man sieht nicht mehr so genau wo man hin Tritt, also holt man seine Stirnlampe heraus und leuchtet sich den Weg. Stirnlampe ist eine gute Idee gewesen, den stellenweise braucht man doch beide Hände um voran zu kommen. Immer enger und steiler werden die Serpentinen. Zwar ist der Weg gesäumt von Laternen, aber die dienen eher der Wegweisung als der Erleuchtung. Naja, ein bisschen helfen sie doch.
Und alle 10 Wendungen kommt man wieder an einer Berghütte vorbei. Also wartet man mal wieder auf einige Nachzügler, trinkt einen Schluck Tee und isst einen Keks. Einkehren ist nicht: die Hütten sind alle ausgebucht mit Japanern, die den Bergaufstieg nicht auf einmal machen wollten.



Spätnacht:
Wir stehen im Stau. Musste ja so kommen.Zwischen zwei Berghütten hat sich die eine oder andere Reisegruppe dazwischen gedrängelt. Meist Japaner im fortgeschrittenen Alter. Von diesen Power-Senioren gibt es hier reichlich: man sieht sie joggend im Park oder besonders gerne auf Wanderwegen, wo sie ihren PlayStation-Kindern die Show stehlen.
Der Grund für den Stau ist also nicht die Trägheit der Leute sondern die Trägheit der Masse: der Pfad ist schlicht voll und zum Überholen zu schmal.
Alle paar Minuten geht es mal wieder ein Stück weiter.
Einer unserer Finnen wird von einem Kameramann interviewt. Wie er das fände von hier oben aus ein Feuerwerk zu sehen. Fänd' er schon toll, glaubt er aber nicht das so etwas passiert. 10 Meter weiter (für die wir etwa 20 Minuten gebraucht haben) sehen wir dann das Feuerwerk - winzig klein über der Stadt am Fuß des Berges. Sieht nicht so beeindruckend aus.
Die Schlange bewegt sich wieder ein paar Meter weiter...



Mitternacht:
Die meisten Leute sind wohl eingekehrt, oder rastieren noch an einer der Hütten. Hier Oben ist jedenfalls kaum noch jemand. Ich mache aber auch nur immer kürzer Halt um auf die anderen zu warten. Durch die häufigen Hütten und zahlreichen Wanderer sind Unfälle recht unwahrscheinlich.
Und mir ist kalt! Es hat zwischendurch mal geregnet und meine Jacke hat sich als weniger Wasserdicht erwiesen als mit Lieb wäre. Dazu der Schweiß und die sogar die Handschuhe sind nass von den Steinen die ich hoch steige.
Die Schilder am Wegessrand verspotten uns: sind doch nur noch ein, zwei Kilometer (Strecke, nicht Höhe)! Kann doch so lang nicht dauern! Doch nach einer weiteren halben Stunde kraxeln dreht einem das nächste Schild eine lange Nase: das waren doch wieder nur 100 Meter, und jeder einzelne hart erkämpft. Das wir Tagsüber kaum geschlafen haben hilft auch überhaupt nicht...
Also weiter. Sind ja nur noch 1200 Meter...

Nach Mitternacht:
Die Landschaft wird immer unwirklicher. Das Vulkangestein mit düsteren, schroffen Formen verschwindet außerhalb des Lichtkegels meiner Stirnlampe. Laternen gibt es hier schon lange nicht mehr. Wanderer auch kaum noch. Ich bin allein. Der Wind pfeift mir kalt um die Ohren. Immer wieder klettere ich halb-blind in die schwere Kette die den Wegrand markiert. Dann blicke ich mich wieder um. Meine Stirnlampe reicht nur einige Meter voraus, gerade genug um zu erkennen wo der Weg weiter geht. Dann bin ich wieder gefangen in dem kleinen Flecken Licht vor meinen Füßen...

Ein Shinto-Tor steht plötzlich quer über den Weg, das Holz weiß von der Witterung und unzählige Münzen in die knorrigen Ritzen gesteckt.
Inmitten der zerklüfteten Finsternis...  wäre es nicht hoch am Berg es müsste die Unterwelt sein in der ich hier gelandet bin.
Weiter, noch eine Hand, noch einen Fuß in den Schein meiner Lampe, wieder auf geschaut wo's weiter geht... da seh ich über mir ein blasses Licht. Das muss es sein!! Nur noch ein paar Meter...

???:
Ich trete aus der Finsternis in das Licht! Es ist tatsächlich der Kraterrand!
Doch das Licht ist nicht etwa die Bergstation.
Es sind Getränkeautomaten.
Etwas dermaßen Japanisches hätte ich nicht ausdenken können! Die höchsten Getränkeautomaten Japans (habe ich schon erwähnt, dass "hoch" im Japanischen dasselbe Wort ist wie "teuer").
Ich bin überglücklich, re-organisiere meine Kleidung (ein bisschen was zum wechseln habe ich mitgenommen) und warte auf die Anderen die nach und nach eintrudeln.


Das mit der Glückseligkeit hält nicht lange. Es ist kalt. Die Müdigkeit und die nasse Jacke machen das ganze nicht besser. Wie lange müssen wir denn auf den Sonnenaufgang warten? Wir waren viel zu schnell hier oben!
Das Gipfel-Bier lasse ich im Rucksack - zu kalt - nebst der 2Liter Flasche Wasser die ich natürlich zu viel kalkuliert habe.
Immer wieder fange ich einfach an herum zu laufen um nicht fest-zufrieren. Mein Blick fällt über den Rand auf den Weg zurück den wir gekommen sind. Der ist voller wuselnder Lichter, hunderte und tausende, wie blinkende Ameisen bahnen sie sich in Schlangenlinien den Weg zu uns. Mir schießt es durch den Kopf: DIE WOLLEN ALLE HIER RAUF?!

Sonnenaufgang:
So schlecht gelaunt war ich seit langem nicht mehr. Mir ist so kalt dass ich die Lungenentzündung schon spüren kann. Ich habe in schneller Folge drei Kaffee getrunken um mich wach und warm zu halten. Jetzt ist mir schlecht und kalt. Der Himmel wird hell doch von der Sonne ist noch nichts zu sehen. Das Gedränge um die guten Photo-Pätze habe ich schon lange verloren. Oder aufgegeben. Die Massen an japanischen Opas entwerten nicht nur meine bergsteigerische Leistung, sie nerven auch mit ihrer guten Laune.
Jetzt beeil' dich du verdammte Sonne, damit ich mein Photo kriege und hier wieder runter kann.
Natürlich ist es nebelig ohne Ende. Oder Wolkig. Ist ja auch dasselbe hier. Musste ja so kommen.
Aber dann reißt doch noch kurz die Nebelwand und wir sehen unseren Sonnenaufgang über den Wolken.
Ja! Danke!


 Ich gehe die anderen suchen - was in dem Gedränge aus Mänteln und Kapuzen gar nicht so einfach ist.



Morgen:
Wir hatschen endlose Serpentinen herab. Links, rechts, links, rechts. Andere als wir hochgekommen sind. Dieser Weg ist flacher, breiter. Grober Kies aus Vulkanstein knirscht unter meinen Stiefeln als wir uns zwischen den Leuten durchmogeln (hier ist genug Platz für alle).
Vor allem wird es wärmer. Schicht um Schicht kann ich wieder in den Rucksack verstauen.
Das hebt meine Stimmung aber nur minimal. Die Knie knirschen lauter als der Kies und mit jeder Kehre dreht sich auch mein Magen nochmal um. Doch Stück für Stück kommen wir bergab, hinab zum Meer aus Wolken tief unter uns.


Kurz vor der Basisstation salutieren mir meine treuen Armee-Stiefel noch ein letztes Mal Lebwohl, dann verabschiedet sich die Sohle...
9 Jahre! Vor genau 9 Jahren, August 2004, hat man mir die Füße gemessen und in diese Stiefel gesteckt, auf das ich tapfer marschiere, marschiere, bergauf und bergab. Mir wird etwas wehmütig, aber ein besseres Ende hätte ich mir auch nicht wünschen können. Danke für all die vielen Meilen!
Ich sinke auf einer Bank zusammen und trinke mein Gipfel-Bier (Hey! Ich bin immernoch höher als die Zugspitze!). Wir warten noch etwas auf die Nachzügler, aber am Ende haben es alle geschafft!

Wir fahren zurück ins Hostel und dann gleich weiter zur heißen Quelle zum baden und entspannen....